Eskunstlauf

Der Aufwand ist riesig – die Weltspitze in weiter Ferne

Wenn Mutter Franziska Steffen auf der Kunsteisbahn Bödeli in Interlaken junge Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufer unterrichtete, bekamen dies ihre beiden Sprösslinge schon früh mit. Zuerst als Zuschauer am Eisfeldrand, später durften sie sich selbst auf der rutschigen Unterlage versuchen.

«Wir konnten zwar tun und lassen, was wir wollten, doch man kann trotzdem sagen, dass mir der Eiskunstlauf in die Wiege gelegt worden ist. Ich versuchte mich auch in anderen Sportarten wie Fussball, Eishockey, Schwimmen, Leichtathletik oder Turnen, doch am besten gefiel mir das Eiskunstlaufen», sagt Micha Steffen, der Ältere der beiden Steffen-Brüder. «Bei mir war die Ausgangslage schon etwas anders. Ich hatte die Mutter und den grossen Bruder vor mir, da war es für mich schon früh klar, welchen Sport ich ausüben wollte – den Eiskunstlauf, etwas anderes kam nicht infrage», sagt Nico Steffen.

Ein harter Weg
Eiskunstlaufen ist wohl eine derjenigen Sportarten, bei denen der Aufwand am grössten, die Aussicht auf internationale Erfolge dagegen verschwindend klein ist. Sechsmal wöchentlich absolvieren die Steffens zwei Einheiten zu je rund 90 Minuten, was einem Trainingsaufwand von 18 Stunden entspricht. Dazu kommt das fünfmal wöchentliche Off-ice-Training von je einer Stunde und die Ausbildung im Feusi Bildungszentrum. Klar, dass die Freizeit knapp bemessen und die Ausübung von Hobbys kaum möglich ist. «Erlaubt es die Zeit, spiele ich auch mal mit Kollegen Fussball oder Basketball», sagt Micha, während Nico sich eher in nicht gefrorenes Wasser wagt. «Ich schwimme gerne im Thunersee.» Die ersten Jahre trainierten Micha und Nico Steffen bei ihrer Mutter, die immer noch beim SCB unterrichtet, dann in Bern bei anderen Coaches. Doch seit einiger Zeit werden sie von Mikaël Rédin, dem Schweizermeister von 2011, betreut. «Vor allem im künstlerischen Bereich habe ich mich zuletzt stark verbessert, auch punkto Konstanz konnte ich mich steigern», sagt Micha Steffen. Illusionen macht sich der 21-Jährige trotzdem nicht. «Die internationale Konkurrenz ist dermassen stark, in vielen Ländern. Beispielsweise in Russland, China, Japan, Kanada und den USA trainieren die besten Läuferinnen und Läufer schon im Kindesalter sehr hart und werden bereits stundenlang gefördert und gefordert.» Oft müssen sie später mit gesundheitlichen Problemen kämpfen, weil sie ihre Grenzen in der Jugend überschritten.

Erst die Mutter, nun Mikaël Rédin
«Für uns ist der Zug nach ganz oben längst abgefahren, doch das ändert nichts an unserer Begeisterung für diesen Sport.» Derzeit wird vor allem an der Stabilität, der Explosivität und der Kondition gearbeitet, nicht nur bei Micha, sondern auch bei Nico. «Meine Stärke sind die Pirouetten», sagt der Jüngere, «auch die Sprünge beherrsche ich in dreifacher Ausführung. Ausser dem Axel, der wird gegenwärtig fleissig trainiert.» Als seinen bisher grössten Erfolg bezeichnet Nico, der an den Nachwuchsmeisterschaften Silber gewann, den Sieg an einem internationalen Anlass in Slowenien, dem Skate Celje. Lustig mutet dagegen die Antwort Michas an, wenn man ihn auf seine Erfolge anspricht. Ehe er auf seinen fünften Rang an den Schweizermeisterschaften 2019 zu sprechen kommt, erwähnt er einen internationalen Anlass in Finnland. In Espoo an der Finlandia Trophy, die zur internationalen ISU Challenger Series gehört, reichte es gegen die Crème de la Crème der Welt zwar nicht zu einem Spitzenplatz. «Schon allein die Tatsache, dass ich dort mitmachen und mit meiner Leistung zufrieden sein durfte, macht mich glücklich, es war eine grossartige Erfahrung», blickt Micha Steffen auf seine Reise zurück.

Ziel EM und WM
Mit 18 und 21 Jahren stehen die beiden jungen Eiskunstläufer des SCB mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität. Sie träumen weder von Olympia- noch von WM-Gold, doch einige Erfolge dürften schon noch dazukommen, da hätten die beiden Läufer nichts dagegen einzuwenden. «Ich will mich ständig verbessern und in meinem letzten Jahr als Junior an der Schweizermeisterschaft eine Top-3-Klassierung erreichen. Später möchte ich an Welt- und Europameisterschaften teilnehmen, doch das ist nicht einfach, verfügt doch die Schweiz nur über einen Quotenplatz», blickt Nico Steffen in die Zukunft. Ähnlich tönt es bei Micha Steffen. «Nach der schönen Erfahrung in Finnland ist klar, dass ich auch versuchen will, an Welt- und Europameisterschaften aktiv dabei zu sein, mich an grossen Wettkämpfen mit den Weltbesten messen, doch die Konkurrenz ist auch in der Schweiz gross.» Hohe Ziele, doch wer weiss? An Trainingsfleiss und Ehrgeiz fehlt es den Steffen-Brüdern jedenfalls nicht.

Pierre Benoit

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