Luca Graf ist einer der stärksten Unihockeyspieler des Landes: Captain bei Floorball Köniz und lange auch in der Nati. Ein Leader, der vorangeht, seine Teamkameraden motiviert. Sprich: ein echter Führungsspieler.
Es ist wie immer, wenn man sich mit einem Spieler von Floorball Köniz unterhält. Auch Luca Graf ist ein interessanter Gesprächspartner. Die Zeit vergeht im Flug. Intelligent, vielseitig interessiert, ehrgeizig, sprachgewandt und im Sport talentiert und erfolgreich.
Fussball? Tennis? Eishockey? Beach-Volleyball? Alles wäre möglich gewesen. Für jede dieser Sportarten hatte Klein-Luca Talent, es wurde ihm in die Wiege gelegt. Vater Markus, heute Ausbildungschef bei Swiss Ice Hockey, ist eine Legende beim SC Langnau, er bestritt rund 400 Spiele in der Nationalliga.
Lucas Onkel waren im Fussball tätig und vieles deutete darauf hin, dass sich auch er für das Spiel mit dem Lederball entscheiden würde. Beim FC Belp zählte er im Nachwuchs bereits zu den besten. Doch auch Strassenhockey im Quartier zählte zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, und als Manuel Sutter, der «Unihockey-Gott vom Gürbetal», (Zitat Luca Graf), ihn für ein Probetraining bei Floorball Köniz begeisterte, war der Entscheid gefallen.
René Berliat, «Mister Floorball», erkannte das Talent des Juniors, forderte und förderte ihn. «Ich werde eine Begebenheit nie vergessen. In einem Juniorenspiel hatte ich auf kleinstem Raum vier Gegner ausgespielt, vors Tor gepasst, wo ein Mitspieler nur noch einzuschieben brauchte. Stolz kehrte ich zur Bank zurück, wo mir Berliat in ziemlich barschem Ton mitteilte: ‹Spiel den Ball früher ab!› Was mir damals komisch vorkam, begriff ich später. Auf höherem Niveau bleibt keine Zeit, da muss man den Ball in der Tat früher spielen», blickt Luca Graf mit einem Schmunzeln zurück.
Wem er alles zu verdanken hat
Im Nachwuchs des UHC Gürbetal spielte Luca Graf im Angriff, heute ist er einer der stärksten Verteidiger der Welt. Uns verrät er, wie es zu diesem Wechsel kam. «In einem Spiel mit Gürbetal – wir waren als Dorfklub in die U21 B aufgestiegen und massen uns mit Nachwuchsteams von Grossklubs – erhielt ich vorne zu wenig Zuspiele, wechselte deshalb in die Verteidigung und dort blieb ich bis heute.»
Nach dem Wechsel zu Köniz kam Luca Graf schon bald einmal unter die Fittiche von Trainer René Berliat. «Ihm habe ich viel, wenn nicht alles, zu verdanken. Erstmals lernte ich, was Taktik und ein System sind.» Graf («Ich war immer der Kleinste und Dünnste») schoss nicht nur in die Höhe (187 Zentimeter), sondern wuchs auch als Spieler.
Die Folge davon waren Angebote aus Schweden und von anderen Schweizer Spitzenklubs. Nach zwei erfolgreichen Jahren bei Växjö wechselte Luca Graf später nochmals in den Norden zu Sirius, weil in der Schweiz wegen Corona die Meisterschaft ruhte. Dort konnte er nicht nur nochmals sein Schwedisch auffrischen, sondern leitete nach der Entlassung der gesamten Trainercrew zusammen mit einem verletzten Spieler auch das Training und bestimmte die taktische Marschroute mit.
Nun ist er wieder zurück, «beim Klub meines Herzens, zu dem der Kontakt auch während meiner Abwesenheit nie abbrach». Und mit dem Verein hat er hohe Ziele. Bei den beiden bisherigen Meistertiteln 2018 und 2021 war Graf nicht dabei – das soll sich ändern. «Trainer Jyri Korsman lebt für unseren Sport, er investiert alles, damit wir die Nummer 1 werden. Doch dieser Prozess braucht Zeit, wir müssen uns als Team darauf einlassen, wirklich Meister werden zu wollen.»
Stolperstein auf diesem Weg können nur die Könizer selbst sein. Sind die Spieler zu schlau, zu kollegial? Auf den Reisen zu den Auswärtspartien wird gejasst, einige wohnen zusammen in WGs, Kameradschaft und Teamgeist könnten nicht besser sein.
«Wir sind eine Freigeistlertruppe mit zu viel Talent», sagt Luca Graf, und kommt auch auf seine Aufenthalte im Unihockey-Land Nummer 1 Schweden zu sprechen. «Unihockey hat in Schweden einen anderen Stellenwert. Dort gibt es fünf Felder in einer Halle. Wollte ich individuell trainieren, hatte ich Zutritt und konnte rund um die Uhr mein eigenes Training absolvieren; die Infrastruktur ist nicht zu vergleichen. Trainiert wird, wann der Trainer es will, die Spieler sind während der Play-offs Profis und immer bereit. Unihockey steht im Zentrum.»
Ein grosser Erfolg fehlt ihm noch
Ein Ende seiner glanzvollen Karriere sieht Luca Graf auch mit 32 Jahren noch in weiter Ferne. Die Enttäuschung der Heim-WM mit Platz 4
– «uns fehlt im Gegensatz zu den Schweden und Finnen die Breite im Kader» – will er so nicht stehen lassen. Den 109 Einsätzen im Nationalteam werden weitere folgen.
Und dann ist da noch etwas: Zwei Cupsiege hat Luca Graf in seinem Palmarès, ein Meistertitel fehlt noch. Das soll sich Ende Saison ändern.
Pierre Benoit
Luca Graf wurde am 16. Dezember 1990 in Bern geboren. Er begann seine Karriere beim UHC Gürbetal RK Belp und wechselte 2009 zu Floorball Köniz. Bis 2013 Köniz, 2013/14 Vaxjö VBK Vipers, 2014 –16 Köniz, 2016 –20 GC, 2020/21 Zug United, 2021/22 IK Sirius IBK, seit 2022 Floorball Köniz. Captain von Köniz, GC und Sirius und ehemaliger Captain der Nationalmannschaft. 109 Länderspiele, 27 Tore/41 Assists, sechs WM-Teilnahmen. Erster Schweizer Captain in der höchsten schwedischen Liga.