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Der Mann, der sich mit Herzblut für den Frauenfussball engagiert

Wer viermal wöchentlich direkt nach der Arbeit über die A1 von Aarau nach Bern zum Training, dazu einmal zu einem Spiel und anschliessend zurück an den Wohnort Egerkingen fährt – der muss das, was er macht, wirklich lieben.

Die Rede ist von Charles Grütter, seit Rückrundenbeginn als Nachfolger des zurückgetretenen Julien Marendaz Trainer des Nationalliga-A-Teams der YB-Frauen. Wer ihn reden hört, in seine glänzenden Augen blickt und die Begeisterung spürt, mit der er von «seinen» Frauen spricht, der begreift, weshalb der erfahrene Coach all die Strapazen und die negativen Begleitumstände auf sich nimmt.

«YB ist eine Riesenadresse»
Für Charles Grütter, den im Stade de Suisse alle nur «Charly» nennen, ist das schmucke YB-Heimstadion kein Neuland – im Gegenteil. Für den Solothurner ist es eine Rückkehr, denn in der Saison 2011/12 führte er zusammen mit Thomas Häberli die U18-Junioren der Gelb-Schwarzen. Dass er jetzt mit Begeisterung den Weg zurück in den Frauenfussball gefunden hat, kennt verschiedene Gründe. «In Aarau war ich zu Zeiten, als René Weiler das Fanionteam leitete, Trainer der in der 2. Liga spielenden zweiten Equipe. Dort hatte ich Spieler zu betreuen, die in der ersten Mannschaft nicht genügten, aber mit Beratern unterwegs waren und sich wie Stars aufführten. Meiner Frau sagte ich, dass ich mir das nicht mehr antun wolle und aufhöre. Mir war klar geworden: Frauen sind viel dankbarer – aber weniger hungrig als die Männer». Durch ein Inserat auf der Website des Schweizerischen Fussballverbands fand Charles Grütter den Weg zurück in den Frauenfussball. «Gesucht wurden zwei Trainer mit A-Diplom, die als Assistenten der Frauen-Nationalteams tätig sein wollten. Ich meldete mich und bin jetzt als Assistent mit dem U16- Team unterwegs.» Daneben führte Charles Grütter auch das NLB-Frauenteam des FC Aarau, das derzeit an der Spitze mitmischt und den Aufstieg im Auge hat. Und jetzt musste Charles Grütter nicht lange überlegen, als ihn die Anfrage der Young Boys erreichte. «YB ist seit Jahren eine Riesenadresse und hier mitzuarbeiten, in welcher Funktion auch immer, ist ein grosses Privileg. Das ist einer der Gründe, dass ich nach Bern kam. Der andere ist sicher auch, dass ich im Team viel Potenzial sehe. Das Durchschnittsalter ist tief, die Spielerinnen haben Talent und sind willig, der Umgang ist optimal, der Teamgeist hervorragend – Zickenkrieg ist ein Fremdwort. Und nicht zu vergessen ist die hervorragende Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Andres Meier und dem technischen Leiter Rolf Kirchhofer.» Trotz all dieser positiven Feststellungen sieht der Trainer an vielen Fronten Verbesserungsmöglichkeiten.

«Das Feuer muss lodern»
«Im Kopf muss sich noch etwas ändern, das Feuer muss lodern, der unbändige Siegeswillen entfacht werden. Man spielt gut, holt aber nicht immer das Optimum aus den vorhandenen Möglichkeiten heraus. Noch kassieren wir zu oft in der Schlussphase noch ein Tor. Das ist unnötig, weil das Können vorhanden ist. Die meisten Spielerinnen holten mit der U19 den Schweizermeister-Titel, sieben Spielerinnen gehören dem erweiterten Nationalteam-Kader an – der fünfte Platz ist zu wenig für diese Equipe, da ist mehr möglich.»

Träumen erlaubt
Charles Grütter könnte sich durchaus vorstellen, im Fussball als Profi zu arbeiten. «Ich bin sehr zufrieden mit meinem Posten auf der Bank, doch eine feste Anstellung, zum Beispiel bei YB mit einem 50-Prozent-Job im Büro und den Rest auf dem Platz, könnte ich mir durchaus vorstellen. Doch Illusionen mache ich mir nicht.» Der 56-jährige Charles Grütter sieht das genau so realistisch wie die Möglichkeiten mit seinem Team. Doch der Ehrgeiz bleibt – «es ist mehr möglich». Wer weiss, in dieser Saison eventuell im Cup. Am 29. März steht im Stade de Suisse der Halbfnal gegen den FC Basel auf dem Programm. Träumen erlaubt.

Pierre Benoit

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