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Die 72-Jährige, die noch heute Weltrekorde wirft

Eigentlich wollte sie Eishockeyspielerin werden. Doch weil in den Sechzigerjahren die Hürden für ein junges Mädchen zu hoch waren, diesen Traum in die Tat umzusetzen, verschrieb sich Margaritha Dähler-Stettler der Leichtathletik. Mit Erfolg. Auch heute noch hamstert die 72-Jährige an Welt- und Europameisterschaften Medaillen.

Von Eishockey war sie fasziniert. Sie verfolgte Spiele auf der Ka-WeDe, bewunderte die SCB-Helden von damals, René Kiener, Peter Stammbach und Peter Schmidt, und spielte selbst, wann immer es die Temperaturen möglich machten, auf der Wandermatte mit ihren jüngeren Brüdern und SCB-Goalie Andy Jorns Eishockey. Doch als sportliche Betätigung genügte das dem temperamentvollen Teenager nicht – und Frauen konnten damals ohnehin nicht organisiert Eishockey spielen. Die junge Margaritha wollte mehr.

Wie kamen Sie zur Gymnastischen Gesellschaft Bern (GGB) und zur Leichtathletik?
1963 sah ich im Schaukasten des Sportgeschäfts Vaucher an der Marktgasse eine Anzeige der GGB. Ich ging dort vorbei, trat dem Klub bei und begann fleissig zu trainieren.

Ab der Saison 1964, sie waren damals 17, begann die Erfolgsgeschichte, die bis heute ununterbrochen anhält.
Nicht ununterbrochen. Nach einem nicht selbst verschuldeten Töff-Unfall am 27. Januar 2000, der verschiedene Ver letzungen am Knie zur Folge hatte (Kreuzband, Innenband, Patellasehne) gab es eine längere Pause. Bereits im Herbst bestritt ich wieder Wettkämpfe im Diskus- und Hammerwerfen. Doch Sie haben recht. Auch nach einem Kaiserschnitt nahm ich bereits zwei Wochen später das Training wieder auf.

Wie reagierten die Ärzte, als sie vernahmen, dass Sie zwei Wochen nach einem Kaiserschnitt wieder trainierten?
Ich weiss es nicht. Der Arzt hat mir das nicht verboten – ich habe allerdings auch nicht gefragt…

Als Juniorin und Aktive waren Sie zwar nicht ganz so erfolgreich wie heute, aber schon damals liessen sich ihre Resultate sehen.
Ja, durchaus. Schon 1965 erreichte ich über 100 Meter an den Schweizermeisterschaften (SM) den Final, wurde Juniorenmeisterin über 200 m. Hinter der damals international erfolgreichen Meta Antenen wurde ich an den SM 1966 im Weitsprung Zweite und 1969 Dritte, lief in der Nationalmannschafts-Staffel und hatte auch im Weitsprung und über 100 m internationale Einsätze.

Sie punkteten für die GGB nicht nur als Aktive, sondern auch als Trainerin und waren in den verschiedensten Funktionen administrativ tätig.
Als Schülerinnen-Trainerin, Coach an der Vereinsmeisterschaft, Geschäftsführerin und Kommunikationsverantwortliche. Ich habe viele Ämter ausgeübt, beispielsweise auch im Berner LeichtathletikVerband (BLV).

Und als Sie 35 wurden und bei den Seniorinnen mittun durften, wurden Sie noch erfolgreicher und gewannen nicht nur Goldmedaillen, sondern stellten auch Weltrekorde auf.
In den Achtzigerjahren stellen sich die Erfolge ein. Ich wurde Europameisterin über 80 m Hürden, im Weitsprung und im Fünfkampf und 1989 Weltmeisterin und Weltrekordhalterin im Siebenkampf.

Gibt es in Ihrer Alterskategorie viele Konkurrentinnen und besteht nach wie vor eine grosse Rivalität?
Es gibt immer noch Konkurrentinnen. Und klar, jede will gewinnen. Aber es ergeben sich auch viele Freundschaften. Mit einer in Deutschland geborenen Amerikanerin pflege ich regen Kontakt. Wir besuchen uns gegenseitig und skypen oft.

Heute sind Sie Rentnerin, Grossmutter und könnten eigentlich ein gemütliches Leben führen. Doch Sie trainieren immer noch fleissig, nehmen an Welt- und Europameisterschaften in Ihrer Altersklasse teil und dies sehr erfolgreich.
Ich will fit bleiben, mich bewegen. Ich spiele mit Männern Volleyball, ich gehe joggen und trainiere nach wie vor Leichtathletik, Hammerwerfen. Weitsprung, Mehrkampf und Sprint. Das alles geht nur, wenn der Körper mitmacht, was bei mir glücklicherweise der Fall ist.

Was raten Sie dem «Normalbürger» in Ihrem Alter, um fit zu bleiben?
Er muss sein Herz belasten. Je nach den körperlichen Voraussetzungen kann er dies auf verschiedene Art und Weise tun. Viele können nicht mehr rennen, weil die Knie nicht mitmachen, dann ist schnelles Marschieren eine gute Alternative. Auch das Gleichgewicht muss man schulen. Beispielsweise beim Zähneputzen auf ein Bein stehen und die Augen schliessen. Regelmässige Bewegung und gesunde Ernährung sind wichtig. Die Sportart ist unwichtig, man muss etwas machen, um den Körper zu spüren und auf ihn zu hören. Ich spiele beispielsweise zwischendurch auch gerne Tennis.

Wie reagieren Ihre Grosskinder, wenn sie ein Rennen gegen Sie verlieren?
Die Grössere wird bald sieben. Es kommt schon mal vor, dass sie fragt, wer schneller zum Auto rennt. Dann lasse ich sie einfach gewinnen und sie ist glücklich und zufrieden.

Wie lange gedenken Sie noch zu werfen, springen und laufen?
Vorderhand denke ich nicht ans Aufhören.

Pierre Benoit

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