Am nächsten Sonntag ist es wieder so weit: Der nur alle sechs Jahre stattfindende Unspunnen-Schwinget steht auf dem Programm, nach dem Eidgenössischen zusammen mit dem Kilchberg-Schwinget der wichtigste und prestigeträchtigste Anlass der Schwingsaison.
In Interlaken erküren die besten 120 Schweizer Schwinger den Nachfolger von Christian Stucki. Der Seeländer bezwang vor sechs Jahren im Schlussgang den Bündner Armon Orlik eine Minute vor Ablauf der auf 16 Minuten Dauer angesetzten Endausmarchung. «Wir waren beide am Ende unserer Kräfte und froh, dass alles vorüber war», blickt der Schwingerkönig auf seinen Sieg zurück. «Diesen Erfolg schätze ich sehr hoch ein, denn ein Unspunnen-Sieg fehlt selbst bei ganz grossen Schwingern auf der Erfolgsliste. Ich hatte vor sechs Jahren einen grossartigen Vormittag, gewann alle drei Gänge und stieg mit viel Selbstvertrauen in den Nachmittag.» Ein Gestellter gegen Sven Schurtenberger, in den anderen vier Begegnungen, alle gegen Eidgenossen, hatte Stucki eine Zehn auf dem Notenblatt und packte im Schlussgang mit Lätzabdrehen nach 15 Minuten die Chance, als erster Berner seit Niklaus Gasser 1987 den Unspunnen-Schwinget zu gewinnen. Sechs Jahre zuvor hatte es sogar einen Berner Doppelsieg gegeben. Peter Gasser (Ersigen, 1a) und Ruedi Hunsperger (Habstetten, 1b) teilten sich mit je 58,75 Punkten den ersten Rang.
Stuckis Favoritenkreis
Zusammen mit den drei anderen Berner Schwingerkönigen Kilian Wenger, Matthias Sempach und Matthias Glarner ist Christian Stucki derzeit abwechslungsweise auf dem Ballenberg im Theaterstück «Wyberhaagge» engagiert, «doch am Unspunnen bin ich sicher als Zuschauer und nicht als Schauspieler dabei». Wer sich am Ballenberg eine Eintrittskarte ergattern kann, sieht, dass Stucki als Schauspieler beinahe über so viel Talent, Selbstvertrauen, Körpergefühl und Leidenschaft verfügt wie früher in den Zwilchhosen.
«Die Berner haben mit ihrem Leader Fabian Staudenmann eine sehr starke Mannschaft zur Verfügung. Staudenmann zuzuschauen ist eine wahre Freude, es ist sehr eindrücklich, was er in dieser Saison bisher gezeigt hat. Neben ihm sehe ich Adrian Walther, Matthias Aeschbacher, Bernhard Kämpf, Michael Ledermann, Ruedi Roschi oder den nach einer langen Verletzungspause zurückkehrenden Florian Gnägi in einer aussichtsreichen Position», so Christian Stucki. Seit dem Brünig-Schwinget hat sich Fabian Staudenmann ausschliesslich auf den Unspunnen-Schwinget und seine Prüfungen vorbereitet, Medienanfragen beantwortete er freundlich mit einem «erst nach dem Unspunnen». Eine Einstellung des jungen Spitzenathleten, die Respekt verdient. Vor sechs Jahren stand der Schwarzenburger beim Unspunnen als 17-Jähriger bereits im Einsatz und klassierte sich mit 54,25 Punkten im Rang 15b.
Die Gegner der Berner
Härtester Konkurrent der Berner ist zweifellos Samuel Giger. Der Brünig-Sieger ist nahe an seiner Bestform und neben Staudenmann der grosse Mitfavorit. Stucki: «Er hat auf dem Brünig gezeigt, dass er wieder der Alte ist und sehr stark geschwungen. Neben ihm sind sicher auch Pirmin Reichmuth, Armon Orlik, Joel Ambühl und Joel Wicky, sofern er fit ist, in der Lage, den Bernern die Suppe zu versalzen.»
Die Tradition
Was 1805 als Fest der Versöhnung zwischen Stadt- und Landvolk seinen Anfang nahm, ist heute das grösste Treffen der schönsten Traditionen und Brauchtumsformen der Schweiz. Als Christian Stucki vor sechs Jahren das Fest als grossartiger Sieger verliess, wurde das Schweizerische Schwing-, Trachten- und Alphirtenfest zum zehnten Mal mit über 90 000 Besucherinnen und Besuchern gefeiert. Auf der Höhematte wurde ein Stadion für rund 15 000 Zuschauer gebaut. Bis 2006 fand das Schwinget nahe der Ruine Unspunnen statt, doch weil das Pulikumsinteresse ständig stieg, verlegte man den Austragungsort 2011 auf die Hohematte in Interlaken.
Pierre Benoit
PERSÖNLICH
Christian Stucki wurde am 10. Januar 1985 in Aarberg geboren und ist in Diessbach bei Büren aufgewachsen. Er wurde 2019 Schwingerkönig und ist siebenfacher Eidgenosse. 134 Kränze (sieben eidgenössische), 44 Kranzfeste gewonnen. Sieger am Kilchberger 2008 und am Unspunnen 2017. Sportler des Jahres 2019. Stucki ist mit Cécile verheiratet und Vater von zwei Söhnen, Xavier und Elia. Er lebt in Lyss.