«Diesen Leuten will ich es zeigen, ich gehe meinen Weg»

Die Young Boys surfen auf der Erfolgswelle. Auch dank Christian Fassnacht (24), der einen sensationellen Aufstieg gemacht hat und seinem persönlichen Märchen mit der Champions-League-Qualifikation und dem provisorischen Nati-Aufgebot zwei weitere Kapitel hinzugefügt hat.

Wann haben Sie sich zuletzt gekniffen und gefragt: Ist das alles wahr?
Das war am Tag nach der Auslosung der Champions-League-Gruppen. Da habe ich realisiert, was das bedeutet. Vorgängig haben wir zwar über diese Champions League geredet, aber wir wussten nicht, wen wir als Gegner bekommen. Und nun haben wir mit Manchester United, Juventus und Valencia drei grosse Mannschaften gezogen. Das ist das, wovon man träumt, was wir unbedingt wollten.

Ist somit ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen?
Natürlich. Wir haben uns von Anfang an die Grossen der Grossen gewünscht, die richtig attraktiven Gegner. Nun gegen solche Teams und in solchen Stadien spielen zu dürfen – ja, das ist ein Traum.

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als die Qualifikation für die Champions League geschafft war?
Es war eine extreme Freude, aber richtig realisieren konnte ich es erst später. Wir haben dann die Auslosung gemeinsam geschaut und da merkten alle, was es bedeutet.

Was hätten Sie geantwortet, wenn Ihnen vor fünf Jahren jemand gesagt hätte, dass Sie eines Tages gegen Ronaldo in der Champions League antreten werden?
Hör auf zu lügen! Ich hatte meine Ziele, aber dass es soweit kommt, hätte ich nie gedacht. Auch das Aufgebot ins 30-Mann-Kader des Nationalteams für die Spiele gegen Island und England war speziell. Man träumt zwar von einem solchen Ereignis, aber es ist viel weiter weg als die Super League, es war unrealistisch für mich.

Mit 15 Jahren befand Sie der FCZ als zu leicht und sortierte Sie aus. Spüren Sie nun eine späte Genugtuung?
Mittlerweile sage ich, dass es so kommen musste, dass mein Weg so verlaufen musste, auch wenn ich natürlich gerne schon zwei, drei Jahre früher Profi geworden wäre. Aber es hat auch gutgetan, die andere Seite des Fussballs zu sehen. Das Zusammensein auf dem Sportplatz, miteinander eine Wurst zu essen und ein Bier zu trinken, mit Kollegen zu spielen – im Breitenfussball Spass zu haben.

Waren Sie nach dem nicht gerade alltäglichen Weg vom Gescheiterten zum Star umso stolzer?
Ich bin stolz, ja. Und es ist von aussen gesehen wohl auch eindrücklich, dass ich es geschafft habe. Aber wenn jemand alle U-Stufen in der Nachwuchsabteilung durchmacht und dann in die Super League kommt, ist es genauso imposant. Mein Weg war ein anderer, weder besser noch schlechter.

Sie konnten auch eine Jugend erleben und mussten nicht immer alles dem Fussball unterordnen.
Das typische Fussballerleben mit einem Campus hatte ich nie, das stimmt. Und ich habe es sehr genossen, in meinem «normalen» Umfeld gross zu werden, auch mit Kollegen zusammen zu sein, die nicht oder nur ein wenig Fussball spielen.

Gab es einen Knackpunkt, einen Moment, von dem Sie rückblickend sagen: Das war der Turnaround?
Ich denke nicht. Prägend war aber sicher der Zeitpunkt, als es beim FCZ für mich vorbei war. Da sagte ich schon auch: Diesen Leuten will ich es zeigen, ich gehe meinen Weg. Man macht es zwar für sich selber, dennoch ist es ein zusätzlicher Anreiz oder Ansporn.

Sie haben Schritt für Schritt genommen und wurden in Ihrer ersten Saison mit YB gleich Meister. Wie lange haben Sie gebraucht, um das zu verdauen?
Ich habe darüber schon mit Djibril Sow gesprochen. Andere waren oder sind schon so lange in diesem Klub, und wir kommen und treffen quasi den Moment. Dass man genau in dieser Zeit des Erfolges hier sein darf, ist schlicht wunderbar.

Wer so schnell nach oben kommt, lebt im Normalfall in der Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren.
Ich hoffe, dass bei mir diese Gefahr nicht besteht. Und ich habe auch noch nie etwas in dieser Richtung gehört. Ich kenne wie schon gesagt die andere Seite des Fussballs und sehe keinen Grund, weshalb ich abheben oder das Gefühl haben sollte, etwas Besseres zu sein.

Sind Sie abergläubisch?
Nein, ich habe auch kein wirkliches Ritual, sondern nur regelmässige Abläufe.

Auch in dieser Saison ist YB unwiderstehlich gestartet. Was ist der Grund?
Die Mannschaft hat von den Stammspielern nur Kassim Nuhu verloren, der Rest blieb beisammen. Wenn man einen solchen Erfolg hatte, so gut war, läuft es dann einfach. Das war auch bei Basel so. Man ist es sich gewöhnt zu gewinnen. Unsere Stimmung ist enorm gut, es passt. Christoph Spycher hat einen super Job gemacht und natürlich helfen auch die Erfolge.

Ein Gastbeitrag von Andy Maschek, FOOT

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