STUCKI: «Eifach nume e chly go blüemele? Das isch gar nüt für mi!»

Matthias Sempach schwang 2010 am Eidgenössischen obenaus, Kilian Wenger liess sich 2013 als König feiern. Aktueller Herrscher der Schwingerszene ist Matthias Glarner, der vor zwei Jahren in Estavayer den Titel holte.

Wer sich allerdings bei Insidern nach dem derzeit populärsten und beliebtesten Schwinger umhört, erhält überall und immer wieder die gleiche Antwort: «Das isch der Stucki Chrigu.» Dass dem so ist, kann kein Zufall sein. Zuerst einmal ist da der Mensch. Immer gut gelaunt, stets für ein Spässchen zu haben, hier und dort bereit für ein Selfie oder ein Autogramm – der volksnahe, technisch perfekt schwingende Kraftbrocken aus dem Seeland ist der Chefdirigent der Schwingerszene. Und noch viel mehr: Stucki (33) ist nicht nur der beliebteste, sondern auch der erfolgreichste aller aktiven Schwinger. 124 Kränze stehen auf seinem Konto, am Sonntag soll in Utzenstorf mit Kranz Nummer 125 Jubiläum gefeiert werden. Und wenn sich auch noch der fünfte Sieg am Bernisch Kantonalen dazu gesellen sollte? Warum nicht? Christian Stucki hat im Schwingen (fast) alles erreicht. Er gewann in Kilchberg und siegte beim Unspunnen-Schwinget, ist fünffacher Eidgenosse, seine weiteren 117 Erfolge an Kranzfesten aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Berichterstattung sprengen.

Das Tüpfelchen auf dem i
Klar, dass wir Christian Stucki bei unserem Gespräch die Frage stellen müssen, was wäre, wenn. Er ist der Lionel Messi der Schwingerszene. Der Argentinier hat in seiner Fussballer-Karriere fast alles gewonnen ausser dem WM-Titel – Stucki fehlt der WM-Titel bei den Schwingern, jetzt soll es 2019 in Zug endlich klappen und der Liebling der Schwingerfreunde die Innerschweiz als König verlassen. «Ja, das wäre das Tüpfelchen auf dem i und die Krönung», sagt der Rekordmann. Doch sollte dem nicht so sein, bricht für den YB-Fan und zweifachen Familienvater die Welt nicht zusammen. «In Zusammenarbeit mit meiner Frau und meinem Trainer versuchen wir im Hinblick auf die nächste Saison so weiterzufahren wie bisher, an Details zu feilen, alles zu perfektionieren und das Optimum herauszuholen.» Dass der Seeländer nach Zug seine Karriere beenden würde, darauf dürfen sich seine meist unterliegenden Konkurrenten nicht freuen. «Danach kommen drei weitere sehr interessante Jahre, mit dem Jubiläumsschwingfest zum Anlass des 125-jährigen Bestehens des Eidgenössischen Schwingerverbands, der Kilchberg und bald schon das nächste Eidgenössische.» Führt Christian Stucki seine Karriere weiter, wird er dies mit vollem Engagement und hundertprozentigem Einsatz tun. «Eifach nume e chly go blüemele – das ich gar nüt für mi!» Es tönt, als ob die Hornusser von Bern-Beundenfeld noch länger warten müssen, bis ihr Langschläger wieder zu Stecken und Schindel greift und ein Comeback gibt.

Keine Kritik an Ruedi Roschi
Christian Stucki ist ein Realist, mit dem Konjuktiv «hätte, wäre und würde» kann er nichts anfangen. Deshalb huscht nach der Frage, ob er Ruedi Roschi auf dem Brünig die Leviten gelesen habe, auch ein Lächeln über sein noch von Kampfspuren gezeichnetes Gesicht. Fünf Sekunden länger hätte Roschi gegen den nachmaligen erbenden Sieger Erich Fankhauser im sechsten Gang im Sägemehlring stehen bleiben müssen, dann wäre Christian Stucki nach dem gestellten Schlussgang der lachende Dritte gewesen und hätte nach 2009, 2012 und 2017 zum vierten Mal auf dem Brünig triumphiert. «Wir haben kurz darüber gesprochen und gelacht. Ruedi hat die Situation falsch eingeschätzt, er glaubte, er sei schon ausserhalb des Rings. Es fehlten ein paar Zentimeter. Aber wer weiss, ob es dann auch einen gestellten Schlussgang gegeben hätte», trauert der Routinier dem verpassten Sieg in keiner Weise nach. Am Sonntag in Utzenstorf, am zweitletzten Saison-Höhepunkt vor der Schwägalp, will Stucki seinen fünften Titel am Kantonalbernischen holen. «Auch wenn ich schon vier Mal triumphiert habe ich will gewinnen, denn der Erfolgshunger ist bei mir immer da.» Mit Remo Käser und Matthias Sempach zählen in Utzenstorf zwei Lokalmatadoren zum engsten Favoritenkreis – über einen weiteren Stucki-Sieg würden sich trotzdem fast alle freuen – seine Beliebtheit ist auch ausserhalb des Seelands riesig.

Pierre Benoit

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