Zieht ein Bundesrat nach 100 Tagen Bilanz, ist dies sein erster Auftritt vor den Medien. Vorher hält er sich in der Öffentlichkeit zurück. Anders beim einzigen regierenden König der Schweiz.
Heisst dieser König Christian Stucki, der seit weit über einem Jahrzehnt stärkste und erfolgreichste Schwinger, dem nur noch der Königstitel in seinem Palmarès gefehlt hatte, ist das Medieninteresse noch bedeutend grösser als es ohnehin bereits ist. Heute vor genau 100 Tagen, am 25. August, bodigte Christian Stucki im Schlussgang am Eidgenössischen in Zug Joel Wicki, holte den einzigen Titel, der ihm noch gefehlt hatte, und komplettierte seine Sammlung an Grosserfolgen. Heute, 100 Tage nach Zug, blickt Christian Stucki für die Leserinnen und Leser des Bärnerbär zurück und erzählt, was er in der Zwischenzeit alles erlebt hat. Seinen Anfang nahm der Hype um den neuen Schwingerkönig bereits wenige Sekunden, nachdem er seinem Gegner das Sägemehl vom Rücken geklopft hatte. Platzinterview, Kolin, den Siegermuni, kennenlernen, Rangverkündigung, Pressekonferenz, Dopingkontrolle, unzählige Selfies in der Festhütte – es dauerte einige Zeit und brauchte viel Geduld, bis er mit der Familie und seinen engsten Freunden an einen Tisch sitzen konnte. «Erst nach Mitternacht holte ich im Gabentempel meine Glocke ab, ehe ich, körperlich und geistig müde, per Velo quer durch Zug in die gemietete Wohnung zurückkehrte.» Am Montag ging es schon früh wieder los. Nicht der Wecker, sondern das Telefon war schuld an der frühen Tagwache. «Sven Epiney war am anderen Ende, Interview für SRF 1», blickt Christian Stucki auf den «Morgen danach» zurück. Zusammen mit Manager Rolf Huser wurde anschliessend der Weg nach Lyss unter die Räder genommen (diesmal waren es deren vier), wo bereits die versammelte Schweizer Presselandschaft in Stuckis Garten im Schwingerstübli auf den neuen König wartete.
Empfänge noch und noch
«Noch am gleichen Abend stand in Lengnau der erste Empfang auf dem Programm, tags darauf organisierte Andreas Hegg, Gemeindepräsident von Lyss, an meinem Wohnort einen gewaltigen Empfang.» «Tout Lyss» war auf den Beinen und erwies dem neuen König die Referenz. Nicht hintenanstehen wollten selbstverständlich auch die Klubs, an deren Heimspielen Christian Stucki ein oft und gerne gesehener Gast ist. Bei den Young Boys, Stuckis absolutem Lieblings-Verein, wurde er mit der ganzen Familie im Sky Club empfangen und auf dem Feld geehrt, beim EHC Biel warf er beim Saisonauftakt gegen den HC Gottéron vor Matchbeginn den Puck ein und im Berner Rathaus nahm er bei der Wahl der Berner Sportlerinnen und Sportler aus den Händen von Regierungsrätin Beatrice Simon und Regierungsrat Philppe Müller den Sonderpreis des Kantons Bern entgegen.
Königstreffen an den Swiss Indoors
Den Höhepunkt aller Festivitäten bedeutete zweifellos der Gang an die Swiss Indoors, wo der König zusammen mit Ehefrau Cécile in der Box von Turnierdirektor Roger Brennwald Platz nahm und von Roger Federer einen signierten Tennisschläger erhielt. «Roger ist eine aussergewöhliche, trotz aller Erfolge bescheiden gebliebene Persönlichkeit.» Die Zwilchhose, die König Stucki dem Tennis-König überreichte, war zwar mindestens eine Nummer zu gross, wird beim Maestro aber trotzdem einen Ehrenplatz erhalten. Nicht lumpen liess sich zudem Christian Stuckis Arbeitgeber, Paul Lüthi junior, CEO von Lüthi & Portmann Fleischwaren AG. «Mein Chef liess eine Schwingerkönig-Cervelat kreieren, die er den Kunden schenkte, verzierte sämtliche Lastwagen mit meinem Konterfei und gab mir nach dem Eidgenössischen zusätzlich eine Woche Ferien», erzählt Christian Stucki im Restaurant Neuhaus in Dieterswil, wo er, wie überall, wo er auftaucht, freundlich begrüsst und am Stammtisch in ein Gespräch verwickelt wird.
«Stiere»-Märit und Superzehnkampf
Im September kehrte Christian Stucki auch an die Erfolgsstätte zurück. Am «Stiere»-Märit in Zug lebte nochmals die Geschichte um Siegermuni Kolin auf, der heute bei Urs Nussbaumer lebt, dem Mann, der ihn vor dem Eidgenössischen liebevoll betreute und ihn auch in Zug in die Arena führte. Nach drei Wochen Ferien zusammen mit Familie und Freunden auf Formentera – «dort konnte ich mich richtig erholen und neu auftanken» – folgte kurz darauf die Teilnahme am Superzehnkampf im Zürcher Hallenstadion, wo sich der Schwingerkönig, wie die Zuschauer unschwer feststellen konnten, sichtlich wohl fühlte. «Ich lernte viele interessante Leute kennen, auch Sportler aus anderen Sparten, es war ein gelungener Anlass.» Medientermine, Anlässe mit Sponsoren – der Terminkalender ist seit dem 25. August noch voller als zuvor. Und nicht zu vergessen: Seit Anfang November ist der König wieder fleissig am Trainieren. Der Hunger ist noch lange nicht gestillt. Das Jubiläums-Schwingfest 125 Jahre ESV 2020 in Appenzell, Kilchberg 2021 und das nächste Eidgenössische 2022 in Pratteln stehen ganz oben auf Christian Stuckis Prioritätenliste.
Pierre Benoit