Nach seinem Abschied beim FC Luzern wurde YB-Legende Thomas Häberli Coach bei Meister Flora in Tallin. So erfolgreich, dass ihn Verbandspräsident Aivar Pohlak gleich als Nationaltrainer verpflichtet hat. Seither ist in Estland das Fussballfieber ausgebrochen.
Die ersten drei Begegnungen gewann Estland mit dem neuen Coach allesamt – so etwas hatte es in der hundertjährigen Geschichte des Verbands noch nie gegeben. 1:0 gegen Litauen, 1:0 gegen Finnland und 2:1 gegen Lettland – mit diesen Ergebnissen schwang Estland erstmals am prestigeträchtigen Baltic-Cup obenaus.
Dann folgte zu Beginn der WM-Qualifikation eine schwierige Zeit. Die ersten drei Partien des Jahres – die WM-Qualifikationsspiele gegen Belgien und Tschechien sowie Weissrussland – musste Estland mit einer Rumpfmannschaft bestreiten. 15 Spieler und der ganze Trainerstaff inklusive Thomas Häberli mussten zwei Wochen in Quarantäne. Estlands Reservisten erzielten zwar sechs Tore, mussten aber auch deren 15 einstecken.
Nun sind Thomas Häberli, die erste Garde und der Erfolg wieder zurück. In Wales, das mit Superstar Gareth Bale angetreten war, holte Estland ein 0:0. «Dieses Unentschieden war für uns ein Riesenerfolg, der dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung und den grossartigen Paraden unseres Goalies Kevin-
Jakob Hein möglich wurde», sagt Thomas Häberli. Erklärtes Ziel der Esten ist es, in der Gruppe E mit Belgien, der Nummer 1 im FIFA-Ranking, Tschechien, Wales und Weissrussland nicht den letzten Platz zu belegen. Dazu Gelegenheit gibt es schon am Freitag gegen Weissrussland und am Montag, ebenfalls in Tallin, gegen Wales. Thomas Häberli: «Wir erhoffen uns von diesen Spielen einiges, vor allem gegen die Weissrussen wollen wir uns für die Auswärts-Niederlage revanchieren und auch gegen Wales punkten.»
Lange Nächte, kalte Tage
Thomas Häberli hat sich in Tallin, einer wunderschönen Stadt an der Ostsee, bestens eingelebt. Seit August lebt er mit seiner Frau und drei seiner vier Kinder in der geschichtsträchtigen Hauptstadt Estlands in einem Einfamilienhaus. Die älteste Tochter, die eine Lehre absolviert, blieb in der Schweiz. «Alle haben sich auf Tallinn gefreut, die Kinder besuchen eine internationale Schule.»
In Estland ist das Nationalteam das Zugpferd und Aushängeschild, weil die nationale Meisterschaft höchstens Challenge-League-Niveau aufweist und die besten Spieler im Ausland engagiert sind. Zu Thomas Häberlis Aufgaben gehört es auch, die Strukturen zu verbessern, denn im Land bewegt sich die Nachwuchsförderung noch auf einem bescheidenen Niveau. «Von Oktober bis März sind die Nächte lang und es herrschen kalte Temperaturen, deshalb ist es wichtig, dass viele Hallen gebaut werden, damit der Nachwuchs auch im Winter regelmässig trainieren kann», sagt Thomas Häberli, der Coach im Land, im dem es lediglich 20 000 lizenzierte Spieler gibt.
Wie aus «Häbi» Kult wurde
Gefreut hat sich Thomas Häberli aus der Ferne über den YB-Sieg gegen Manchester. «Das ist grossartig, nicht nur für YB, sondern für die ganze Fussball-Schweiz.» Während seiner Aktivzeit in Bern war «Häbi», wie er genannt wurde, der Liebling der YB-Fans. Ihre Herzen hatte sich der Innerschweizer innert kürzester Zeit im Sturm erobert. «Häbi, Häbi, Häbi» wurde in der Stadt zum geflügelten Spruch – rund um seinen grössten Fan, den damaligen Direktor des Hotels Bern, Peter Schiltknecht, bildeten sich riesige Häberli-Fangruppen. Die herrschende Euphorie führte sogar dazu, dass Kuno Laueners Band Züri West am 110-Jahre-Jubiläum des BSC YB unter dem Pseudonym «The Häberlis» auftrat. Auch wenn Thomas Häberli nicht weiss, weshalb er in Bern diesen Sonderstatus genoss, ist jedem, der sich damals für YB interessierte, klar, dass es nicht nur die Tore und Assists waren, sondern auch die Art und Weise, wie der Star ohne Starallüren auftrat. Bescheiden, korrekt, immer gesprächsbereit – so, wie die damals noch nicht so verwöhnten YB-Fans sich ihre Spieler wünschten.
Auf ihm ruhen die Hoffnungen
Als Thomas Häberlis Vertrag bei YB nach der Saison 2008/09 ausgelaufen war, beendete der Innerschweizer seine Aktivkarriere, obwohl er noch Angebote von drei Superligisten vorliegen hatte. Er verzichtete, weil es immer sein Ziel gewesen war, Trainer zu werden – und erlangte die UEFA-
Pro-Lizenz. Start in der 3. Liga, Coach der YB-U18 und Assistent von Martin Rueda im Fanionteam, der Wechsel zur U21 des FC Basel und schliesslich das Engagement als Trainer der ersten Mannschaft des FC Luzern – Thomas Häberli hat als Trainer in kurzer Zeit schon einige Erfahrungen gesammelt, Nun ist er Nationaltrainer. Auf ihm ruhen die Hoffnungen eines ganzen Landes, dass sich der Fussball positiv entwickle.