Seit mehr als 100 Tagen ist die neue SCB-Sportchefin Florence Schelling im Amt. Obwohl das Wetter derzeit eher zu einem Aarebad zwischen Muri und Marzili einlädt, sitzt die ehemalige Nationalteam-Torhüterin an ihrem Arbeitsplatz und denkt mehr an Eis denn an Sonne.
Bereits war sie beim Engagement des neuen Headcoachs Don Nachbaur stark involviert und auch mit Gesprächen mit der ganzen Clubleitung und den Spielern beschäftigt, doch im Interview mit ihr wird klar, dass ihr die grossen Emotionen, die im Sport nur nach Siegen aufkommen können, noch fehlen. Als ehemalige Spitzen-Torhüterin kennt sie die Gefühle nach Erfolgen und Titelgewinnen und hofft, diese auch in neuer Position – trotz Corona und mit möglichst vielen Zuschauern in der PostFinance-Arena – bald miterleben zu dürfen.
Florence Schelling, die Frage sei erlaubt. Weshalb ist am vorletzten Donnerstag keine Medienkonferenz mit Ihnen angesetzt worden?
Warum hätte diese stattfinden sollen?
Weil Sie Ihr Amt als SCB-Sportchefin am 14. April angetreten haben und somit an diesem Datum genau 100 Tage im Amt waren.
So schnell geht die Zeit vorbei. Es war bisher noch nie langweilig. Wir hatten sehr viel zu tun und Corona hielt uns auf Trab.
Aber es wäre doch eine gute Gelegenheit gewesen, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.
Es ist immer noch Sommer. Die Bilanz heisst Corona. Wir mussten und müssen uns der neuen Situation und den Vorschriften anpassen.
Bundesräte pflegen dies auch zu tun und Sportchefin beim grössten, wichtigsten und im letzten Jahrzehnt erfolgreichsten Eishockey-Unternehmen, beim Zuschauerkrösus Europas ist doch auch nicht gerade «nüt». Sind Sie einverstanden, dass wir das jetzt mit leichter Verspätung nachholen?
Ich sehe die ganze Sache sehr positiv, auch wenn ohne Corona alles anders gewesen wäre. Für alle ist es eine neue Situation. Die Frage ist doch, wie nimmt man das an und wie setzt man das um.
Was war für Sie der bisher schönste Moment?
Für mich sind schöne Sachen immer mit Emotionen verbunden. Die gab es bisher zwangsweise noch nicht, weil die Spiele noch fehlen.
Und der Wichtigste?
Das waren sicherlich die Vorarbeiten, um den neuen Headcoach zu finden.
Gab es auch einen Schlimmsten?
Nein. Die Situation ist suboptimal, das wissen wir alle. Aber es gilt nicht zu klagen, sondern Lösungen zu finden.
Wovon waren Sie am meisten überrascht?
Überraschungen gab es keine. Ich stehe vor einem neuen Karriere-Schritt, einer neuen Herausforderung. Doch das ist bei jeder Person so, die etwas beginnt. Jeder hat einmal neu angefangen und viel Neues erlebt, das ist in jedem Beruf das Gleiche.
Sie sind nicht Sportchefin in irgendeinem Klub, sondern im SCB. Die Erwartungshaltung von allen Seiten ist immer gross, der Druck, der auf der Sportchefin lastet, ebenso. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?
Es ist sicher richtig, was Sie sagen, doch ich empfinde es nicht so. Entscheidend, ob ich einen guten Job mache, sind die gesteckten Ziele. Was erwarten meine Vorgesetzten und was erwarte ich selbst von mir? Für den Fan entscheidet am Schluss die letzte Zahl in der Tabelle, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber wir müssen Geduld haben, man kann nicht alles von heute auf morgen erledigen. Wie sagt man doch so schön? Gut Ding will Weile haben.
Der neue Coach ist bekannt, sein erster Auftritt vor den Medien ist gelungen. Welchen Eindruck hinterliess Don Nachbaur bei seinem ersten Kurzbesuch in Bern bei Ihnen?
Ich lernte ihn bei einem Coaching-Seminar in Lausanne kennen. Wir haben in der Sportkommission einen Anforderungskatalog erstellt, dem Don Nachbaur am Nächsten kam. Er ist erfahren, eine starke Persönlichkeit, geht auf die Menschen zu und versteht sich auch aufgrund seiner grossen Erfahrung hervorragend mit jungen Spielern. Ich halte viel von ihm und sehe seine Verpflichtung positiv.
Pierre Benoit