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«Es herrschte tropisches Klima, wir litten alle fürchterlich»

Er hat mit Borussia Dortmund die Königsklasse gewonnen und flog mit der Nati an die WM in die USA. Stéphane Chapuisat hat in seinem Fussballer-Leben einiges gesehen und erlebt. Für uns plaudert der YB-Chefscout nun aus dem Nähkästchen.

Stéphane Chapuisat ist viel gereist. Mit der Nationalmannschaft, Borussia Dortmund und privat, so denn Corona dies nicht gerade verhindert.
Während vieler Jahre Fussballer in einem Bundesliga-Spitzenklub und 103-facher Schweizer Nationalspieler – das bringt mit sich, dass der Mann, der einer von vier Schweizer Sportlern ist, die auf einer Briefmarke verewigt sind, einiges zu erzählen weiss.
Doch zuerst zurück zu den Briefmarken , auf die wir deshalb zu sprechen kommen, weil Stéphane Chapuisat als schönste Reise seines Lebens einen Trip im Oktober 2019 mit der ganzen Familie nach Südafrika mit umfangreicher Safari und anschliessender Weiterreise nach Mauritius bezeichnet, von wo bekanntlich die seltenste und berühmteste Briefmarke, die «Blaue Mauritius», stammt, von der nur zwei Exemplare erhalten sind. «Maestro» Roger Federer ist der Einzige, der es auf eine Schweizer Briefmarke schaffte, Vreni Schneider gelang dies in Paraguay, Werner Günthör in Mauretanien und Stéphane Chapuisat in Tadschikistan, dem Binnenstaat in Zentralasien. Weshalb dem so ist, wissen übrigens weder «Chappi» noch «Lismi-Vreni» und auch nicht «Chugele-Werni»

Von Dortmund aus mit dem Jet
An seine Dortmund-Zeit erinnert sich der Vaudois, der als erster Ausländer in der Bundesliga die 100- Tore-Marke knackte, gerne und auch an die vielen Reisen. «Wir fuhren mit dem offiziellen Mannschaftsbus zu Gegnern in der Umgebung, an einige Destinationen mit dem Zug, aber meistens mit dem Flugzeug direkt ab Dortmund.» So beispielsweise nach München, wo die Borussia den Champions-League-Final gewann und anschliessend im Hotel tüchtig gefeiert wurde.
Auch diese fröhlichen und geselligen Anlässe im Kreis der Mannschaftskollegen nach grossen Erfolgen liebte und liebt Stéphane Chapuisat. Leider war es zuletzt eine Herkules-Aufgabe, nach dem YB-Sieg in Leverkusen im Hotel noch etwas Flüssiges aufzutreiben.

40 Grad beim Umsteigen in Salt Lake City
Weniger schön ist «Chappis» Erinnerung an eine Reise während der Fussball-WM 1994 in den USA. «Dort wurde uns vor Augen geführt, wie gross dieses Land ist. Wir mussten auf dem Flug zum Achtelfinal gegen Spanien von San Francisco nach Washington in Salt Lake City zwischenlanden und das Flugzeug, das aufgetankt werden musste, verlassen. Es herrschte tropisches Klima, wir litten alle fürchterlich bei über 40 Grad und brachten dann, die meisten verschwitzt, den Rest des Flugs hinter uns.

Das «Debaku» in Aserbaidschan
Gemischte Gefühle verbindet Stéphane Chapuisat mit dem ersten Spiel unter Rolf Fringer in der Qualifikation für die WM 1998 in Frankreich. Es ging in einem Privatjet der oberen Luxusklasse nach Aserbaidschan, da Baku im Gegensatz zu heute noch tiefste Provinz war. «Vorstand und Trainer genossen die ledernen Polstergruppen, wir Spieler hatten feudale Liegesitze und auch die zuhinterst sitzenden Journalisten hatten mehr Luxus, als es sonst in einem Linien-Flugzeug in der Business-Klasse gibt. Die Reise war top, das Spiel dagegen flop, wir verloren 0:1 und getrauten uns gar nicht hinzuschauen, als uns die Flugbegleiterinnen vor der Rückreise beim Einsteigen mit einem Glas Champagner begrüssten.»
Ob Flugzeug, Bahn oder Auto ist für Stéphane Chapuisat nicht wesentlich, auch wenn er in die Ferien meist mit dem Flugzeug reist und sich dann, wenn nötig, ein Auto mietet.

Als Chefscout unterwegs
Unterwegs ist Stéphane Chapuisat oft in seiner derzeitigen Funktion als Chefscout von Meister YB. «Klar war ich einige Male in Afrika, doch viele Spieler, für die wir uns interessieren, sind bereits in Europa. Um sie zu treffen, fahre ich wenn möglich mit dem Zug oder mit dem Auto, wenn es aufgrund der Distanz notwendig ist, mit dem Flugzeug. Es geht mir vor allem darum, den Spieler neben dem Fussballplatz kennenzulernen, einen ersten Eindruck vom Menschen zu erhalten und bei einem Nachtessen nach dem Spiel herauszufinden, ob er auch wirklich zu YB passt.»
Ob es dabei ein Vorteil ist, dass man den ehemaligen Fussball-Techniker auf der linken Angriffsseite, das Schlitzohr, das mit seinem berühmt-berüchtigten Haken die Gegner gleich reihenweise vernaschte, noch auf der ganzen Welt kennt, weiss «Chappi» nicht (oder er will es nicht wissen). Tatsache ist, dass er bisher bei seinen Transfers in Zusammenarbeit mit Christoph Spycher und Gérard Castella ein so goldenes Händchen hatte, wie es zu Aktivzeiten sein linkes Füsschen war. Mit welchem Verkehrsmittel er zum erfolgreichen Gespräch flog oder fuhr, ist im Nachhinein nicht mehr als eine Randnotiz wert.

Pierre Benoit

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