Noel Schärer ist einer der besten Skater der Schweiz. Der potenzielle Olympiakandidat trainiert oft in Ostermundigen oder in Bern und liebt es, seine Tricks im Ausland zu zeigen.
Wenn Noel Schärer auf dem Skateboard durch die Gegend zischt und seine atemberaubenden Tricks auf einer Nebenstrasse oder in einem Skaterpark zum Besten gibt, fühlt er sich so frei wie ein Vogel im Wind. «Auf dem Brett kann ich meine Gedanken abschalten, meine Sorgen vergessen und den Stress aus dem Alltag abbauen. Skateboarden bedeutet für mich Freiheit», erzählt der 20-Jährige. Längst ist aus dem Hobby und der Leidenschaft auch ein Lebensstil geworden. «Ohne mein Skateboard aus der Wohnung zu gehen, fühlt sich fast schlimmer an, als wenn ich mein Handy nicht mehr finden kann», sagt Schärer lachend. Der gebürtige Spiezer schätzt an seiner Sportart die fast schon unendlichen Herausforderungen. «Man kann täglich etwas Neues dazulernen und muss ständig an sich arbeiten, um besser zu werden.» Überdies vergleicht er die ganze Szene mit einer grossen Familie: «Jeden Tag die Liebe zum Sport mit anderen Jungs zu teilen, die ebenfalls diese Leidenschaft haben, ist toll. Unser Zusammenhalt ist enorm und bedeutet mir viel.»
Erste Tricks als 3-Jähriger
Der Pfad zu einem der aufregendsten Skater der Schweiz begann für Schärer im Berner Oberland. Inspiriert und animiert durch seinen sieben Jahre älteren Bruder, unternahm er die ersten Versuche auf einem Rollbrett als Dreikäsehoch im Skaterpark in der Spiezer Bucht. Schon als Dreijähriger schärfte er seinen Gleichgewichtssinn auf dem Brett, übte die ersten Tricks und machte rasend schnell Fortschritte. «Fast alles brachte ich mir dabei selber bei», erklärt Schärer, dessen Talent dermassen augenfällig anmutete, dass er im zarten Alter von neun Jahren das Interesse von Sponsoren weckte. Bereits als 16-Jähriger fand der Hochbegabte Unterschlupf im schweizerischen Nationalkader und im Jahr 2019 sorgte er in Lissabon auch international für Aufsehen. An den World Rookie Skateboard Finals, einem Wettbewerb für die grössten Talente Europas, sicherte er sich den starken vierten Rang in der Gesamtwertung und gewann zudem die prestigeträchtige Einzelwertung in der Kategorie «Best Trick». Auch an den ersten offiziellen Schweizer Meisterschaften im letzten September untermauerte Schärer sein Talent und heimste in der Kategorie «Street» sogleich die bronzene Auszeichnung ein. Im selben Jahr musste er an der Skate Championship 2021 aber zugleich feststellen, dass die Bäume noch nicht in den Himmel wachsen und dass der Weg zur Weltspitze bei den Profis und dereinst vielleicht sogar an die olympischen Spiele weit ist. «Das Niveau an der World Skate Championsship war absolut unglaublich. Da muss die Tagesform extrem gut sein, um nur irgendwie mithalten zu können.»
«Möglichst viel reisen»
So schnell Schärer in seiner Jugend zu einem ausserordentlich begabten Skater heranreifte, so schwer tat er sich damals, sich für die Schule zu begeistern. «Die Schule war überhaupt nicht mein Ding», erzählt der Freigeist mit einer bemerkenswerten Ehrlichkeit. Selbst als er das neunte Schuljahr an der Sporthandelsschule Feusi absolvieren durfte, habe er sich eingeengt gefühlt und hätte hie und da Stress mit den Lehrern gehabt. «Einzig das Lernen von Fremdsprachen empfinde ich rückblickend als sinnvoll. Sprachen sind wichtig geworden für mich», erzählt Schärer. Die Sprachfertigkeiten helfen im Ausland und erlauben es ihm, sich mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt «zu connecten», wie er sagt. «Ich bin viel im Ausland unterwegs und liebe es zu reisen. Auch in diesem Jahr ist es mein Ziel, wieder möglichst viel unterwegs zu sein, an internationalen Contests mitzumachen und viele Menschen aus anderen Ländern kennenzulernen.» Auch das Entdecken neuer Kulturen und Städte gehört zu Schärers Lifestyle als Skater. Einige Städte wie Barcelona hat er dabei schon mehrfach besucht. Die katalanische Metropole ist ein Mekka für Skatebegeisterte und weist an einigen Plätzen die perfekten natürlichen Hindernisse für spektakuläre Manöver auf. «Ich liebe es, an solchen Orten zu skaten, wo die Architektur zum Teil wie gemacht ist für uns. Auch die meisten Skatervideos für die Sponsoren werden in solchen Städten gedreht», sagt Schärer.
Pro Woche geht ein Brett drauf
Bis das nächste Abenteuer im Ausland ansteht, verbessert Schärer in der Region Bern seine Fähigkeiten jeden Tag aufs Neue und generiert mitunter auch Filmmaterial für seinen Instagram-Account. Fast ein Brett «verbraucht» er dabei pro Woche. Umso dankbarer ist Schärer, dass er das Material wie Räder oder Kugellager von Sponsoren zur Verfügung gestellt bekommt. Ob Schärer wie zuletzt im Winter oft in Ostermundigen im Mooswerk oder in der Skaterhalle Bimano trainiert oder ob er in Bern beim Europaplatz, im Gaskessel oder im Weyermannshaus unter freiem Himmel an seinen Tricks feilt, «spielt gar nicht so eine grosse Rolle», wie er sagt. Es geht Schärer vorab auch darum, mit Gleichgesinnten täglich das zu tun, was für ihn Freiheit bedeutet. Adrian Lüpold