Seit 2010 kam der Schwingerkönig stets aus dem Kanton Bern – doch keinem Berner König gelang es bisher, seinen Titel erfolgreich zu verteidigen. Im August will Christian Stucki diese Serie beenden.
Rudolf «Rüedu» Hunsperger ist das Kunststück in den Jahren 1966 und 69 gelungen. Der am 18. August 2018 verstorbene dreifache König gewann den Titel zudem 1974, zwei Jahre zuvor verzichtete er in La Chaux-deFonds auf die Teilnahme am Eidgenössischen, weil sein Vater am Tag vor dem Fest verstorben war. Was seither weder Adrian Käser (König 1989), Silvio Rüfenacht (1992), Kilian Wenger (2010), Matthias Sempach (2013) noch Matthias Glarner (2016) schafften, will nun Christian Stucki, der «Hühne von Lyss», vollbringen und aus Pratteln mit «Magnus», dem Siegermuni, ins Seeland zurückkehren. Magnus ist lateinisch und bedeutet nichts anderes als «Der Starke». Schon allein deshalb würde der eine Tonne wiegende «Magnus vom Schönenberg», so sein offizieller Name, perfekt zum 140 Kilo schweren «Magnus Stucki von Lyss» passen.
Alle Bobos sind weg
Auch für einen Spitzenschwinger war die Pandemie keine einfache Zeit. Für Christian Stucki war es aber auch der Moment, um seine diversen Verletzungen auszukurieren. Die Schulter wurde im August geflickt, der Rücken zwickt nicht mehr. «Ich bin fit, fühle mich gut», sagt Stucki. Bei Lüthi und Portmann Fleischwaren AG tritt er etwas kürzer, ist dort aber nach wie vor als Botschafter tätig, um sich noch intensiver auf die kommende Saison vorzubereiten. Unterbeschäftigt ist der König deshalb nicht. Neben dem strengen Training kümmert er sich um seine beiden Söhne Xavier und Elia, kocht und schmeisst den Haushalt, wenn Ehefrau Cécile ihrer Arbeit in einer Notariats-Kanzlei nachgeht. «Für mich ist es so einfacher, mein Training, meinen Tagesablauf und meine Termine mit Sponsoren zu koordinieren», sagt Christian Stucki, der sichtlich Spass hat, am Herd zu stehen und seine Frau und die Söhne mit königlichen Spezialitäten zu verwöhnen.
Drei Monate fehlen
«Normalerweise steigen wir Schwinger ab November wieder ins Sägemehl, das war in diesem Winter wegen der coronabedingten Beschränkungen nicht möglich. Wir konnten erst im Februar das technische Schwingtraining in Angriff nehmen», blickt Stucki auf die schwierige Zeit ohne Sägemehl zurück. Doch untätig war der beste Schweizer Schwinger der letzten zwölf Jahre deswegen nicht. Um sein hochgestecktes Ziel, die erfolgreiche Verteidigung des Königtitels zu realisieren, trainierte Christian Stucki auch ausserhalb des Sägemehlrings hart und seriös und fuhr zweimal wöchentlich nach Beromünster, wo der ehemalige Bobfahrer und Leistungstrainer Tommy Herzog dafür sorgt, dass Christian Stucki fit ist und das Zusammenspiel von Kraft, Explosivität, Geschwindigkeit und höchster Konzentration optimal klappt. «Diese Vorbereitung ist für mich äusserst wichtig. Sie bringt mir das notwendige Selbstvertrauen und das Bewusstsein, alles zu tun, um erfolgreich zu sein», sagt Christian Stucki.
«Wir schlafen nicht»
Mit sechs eidgenössischen Kränzen ist Stucki der erfolgreichste aktive Schwinger in Pratteln und kann im August auch alleiniger Berner Rekordhalter werden. Bisher führt er diese Liste zusammen mit sechs weiteren sechsfachen Eidgenossen (Bürki, Uhlmann, Niklaus und Peter Gasser, Rüfenacht und Oesch) an. Klar, dass die Gegner den Rekordmann mittlerweile in- und auswendig kennen, sich auf sein ausserordentliches technisches Können und seine körperlichen Qualitäten einzustellen verstehen und Stucki das Siegen so schwer wie möglich machen. Doch bei dieser Feststellung entlocken wir dem Seeländer ein verschmitztes Lächeln. «Das trifft bestimmt zu, doch wir schlafen nicht. Auch ich versuche immer wieder Neues, übe im Training andere Schwünge, um die Gegner zu überraschen. Dazu kommt meine Intuition, die es mir auch dank meiner Erfahrung immer wieder erlaubt, hin und wieder Sachen zu tun, die meine Gegner nicht erwarten.» Christian Stucki will den Gegner überraschen. Uns würde es dagegen keineswegs überraschen, wenn der neue Lysser Gemeindepräsident Stefan Nobs im August in der 16000-Seelenstadt Lyss den Empfang für «Magnus vom Schönenberg» und «Magnus Chrigu von Lyss» vorbereiten dürfte…
Pierre Benoit