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Herzblut und Leidenschaft sind wichtiger als schnöder Mammon

Der EHC Wiki ist einer von drei Berner Klubs, welche in der dritthöchsten Schweizer Eishockey-Spielklasse engagiert sind. Derzeit stehen die Wikianer in den Playoffs um den Aufstieg zur zweithöchsten Spielklasse, der Swiss League, im Einsatz. Doch der Aufstieg ist beim eben erst 75-jährig gewordenen Klub kein Thema.

«Nein, das ist nichts für uns», sagt Ruedi Wenger, seit vier Jahren Sportchef des EHC Wiki-Münsingen und zuvor in verschiedensten Funktionen bei zahlreichen Klubs im Einsatz. «In sportlicher Hinsicht wäre ein Aufstieg in die Swiss League zwar durchaus möglich, doch fehlen uns die finanziellen Mittel dazu. Unser Budget für den gesamten Verein beläuft sich auf 524 000 Franken, bei anderen Klubs, die jetzt in den Playoffs engagiert sind, kommt man schnell einmal auf das Vierfache.» Dass in der dritthöchsten Schweizer Eishockey-Spielklasse mit verschiedenen Ellen gemessen wird und die finanzielle Schere immer weiter auseinanderklafft, erläutert Ruedi Wenger an einem kleinen, aber aussagekräftigen Beispiel. «Haben wir in Olten um 17 Uhr eine Sitzung mit den zwölf Klubs und treffe ich fünf Minuten vor Beginn ein, fragen mich die anderen, die meistens schon zusammen beim Mittagessen sassen erstaunt, weshalb ich so spät sei. Die Antwort ist einfach, denn ich habe bis 16 Uhr gearbeitet und stelle dann im letzten Moment in der Hotelgarage mein kleines Privatauto neben die klubeigenen Luxuskarossen der anderen Sportchefs.»
Aus den Worten Ruedi Wengers spricht nicht etwa Neid, er ist zufrieden mit dem, was man beim EHC Wiki mit den vorhandenen Mitteln auf die Beine gestellt hat und immer wieder stellt. Der freigestellte SCB Coach Kari Jalonen beispielsweise war nach dem Cupspiel Wiki – SCB von der Leistung des Gegners dermassen begeistert, dass er nach dem Match spontan in dessen Garderobe trat und zur hervorragenden Leistung gratulierte. Seine Bewunderung für den EHC Wiki dokumentierte der finnische Eishockey-Professor auch mit dem Tragen eines Wiki-Caps an der SCB-Meisterfeier.

Ein Blick zurück
In den Tagen des 75-Jahr-Jubiläums gilt es selbstverständlich auch einen Blick zurück in der ruhmreichen Vereinsgeschichte des im Jahr 1944 aus der Fusion des SC Wichtrach und EHC Kirchdorf hervorgegangenen EHC Wiki Münsingen zu werfen. Jürg Rytz, heute Geschäftsführer der Sportanlage Sagibach, Sohn eines Gründungsmitglieds und während langen Jahren selbst Präsident, erinnert sich: «Weil wir über kein Kunsteis verfügten, waren wir einst anderen Klubs stets unterlegen. Erst als wir zu Wandervögeln wurden und einmal dort und dann wieder an einem anderen Ort auf Kunsteis trainieren konnten und spätestens nach der Eröffnung der Kunsteisbahn in Worb wurden wir dank der verbesserten Trainingsbedingungen konkurrenzfähig und stiegen in der Folge auch nie mehr aus der 1. Liga ab.» Derzeit umfasst das Wiki-Kader 25 Spieler und nicht ohne Stolz sagt Ruedi Wenger, «dass wir das Team verjüngt haben und trotzdem oder vielleicht auch deshalb so stark spielen. Nicht weniger als sieben Erstteamler stammen aus dem eigenen Nachwuchs – die Spieler verdienen wenig bis nichts, höchstens ein kleines Sackgeld.» Dies und die ausgezeichnete Arbeit von Trainer Stefan Gerber, der neben dem Eishockey zu hundert Prozent seinem Beruf nachgeht, sind die Erfolgsgeheimnisse bei Wiki, vielleicht auch das Lebensmotto des Trainers, der den Spielern immer wieder eintrichtert: «Suchen wir nicht nach Hindernissen – vielleicht sind gar keine da.» Amateur-Schweizermeister 1999, die Cupspiele gegen den SCB und die SCL Tigers, das Jubiläumsspiel gegen Langnau im Dezember und jetzt wieder die Playoff-Teilnahme – die Wiki-Höhepunkte sind zahlreich, die Liste könnte beliebig verlängert werden.

Der Nachwuchs
Mit Stolz und einem Glänzen in den Augen berichtet Jürg Rytz auch von der Nachwuchsbewegung, die der EHC Wiki in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen aus der Region betreibt. «Komme ich in die Halle und sehe die begeisterten Kinder und Jugendlichen auf dem Eis, die dem Puck hinterherjagen, hüpft mein Herz», sagt der Chef der Sagibachhalle. Hier erfüllt Wiki mit den anderen Klubs zusammen eine grosse soziale Aufgabe, ermöglicht mehr als 300 Kindern eine sinnvolle sportliche Betätigung. Und das ist sowohl Ruedi Wenger als auch Jürg Rytz wichtiger als ein mit schnödem Mammon erzwungener Aufstieg in die Swiss League. Herzblut und Leidenschaft stehen bei Wiki in der Tat noch an erster Stelle.

Pierre Benoit

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