454458003 Highres Opt

Hoffnung und Zuversicht sind grösser als die Ungewissheit

Lange neun Monate konnte Mujinga Kambundji aufgrund einer Oberschenkelverletzung und einem im November erlittenen Mittelfussknochenbruch keine Wettkämpfe bestreiten. Jetzt ist sie endlich zurück – und schon wieder sehr schnell.

Seit dem sensationellen Gewinn der Bronzemedaille über 200 Meter an den Weltmeisterschaften 2019 in Doha sind sogar bereits 19 Monate vergangen. Doch jetzt ist die schnelle Bernerin zurück. Das Comeback ist der Schweizer Rekordhalterin über 100 m und 200 m gelungen. An Auffahrt gewann sie in Langenthal ihr erstes Rennen über die selten gelaufene Distanz von 300 m in starken 37,03 Sekunden und am vergangenen Mittwoch gelang ihr in Ostrau über 200 Meter eine ausgezeichnete Darbietung. Bei einem Gegenwind von 1,1 m/s lief sie als beste Europäerin in 22,85 auf Platz 3 und liess dabei unter anderen die Niederländerin Dafne Schippers hinter sich. Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe folgte noch die Kurpfalz Gala im deutschen Weinheim, wo ebenfalls ein Start über 200 m geplant war.

Mut und Mumm
Die ersten positiven Ergebnisse machen Mut und Mumm auf weitere Wettkämpfe und Grosstaten. Auch ihr Trainer Adrian Rothenbühler ist zuversichtlich, mahnt aber vor allzu hohen Erwartungen in den ersten Rennen. Die Vorfreude auf die Olympiasaison ist bei Mujinga Kambundji und ihrem Team riesig, ebenso jedoch die nach wie vor herrschende Ungewissheit. «Anfang Saison weiss man nie genau, wo man steht», räumt die 28-jährige Bernerin ein und ergänzt: «In diesem Frühjahr kribbelt es umso mehr, musste ich mich doch noch nie so lange auf eine Startnummer gedulden.» Trotz Verletzungspech mag die 24-fache Schweizermeisterin jedoch nicht jammern. Im Gegenteil: «Sportlich betrachtet war 2020 ein Jahr zum Vergessen, doch als Athletin und Mensch konnte ich mich weiterentwickeln.» So rückte Kambundji ihren Trainings- und Lebensmittelpunkt nach Jahren im Ausland wieder nach Bern, wo sie sich nach wie vor zu Hause fühlt. In der Bundesstadt kann sie auf ein optimales Umfeld zählen und bisweilen auch mit ihrer zehn Jahre jüngeren Schwester Ditaji trainieren, unterdessen selbst Olympiakandidatin. «Zudem hatte ich viel Zeit, um mich um meine körperlichen Baustellen zu kümmern», gewinnt die Bernerin der Zwangspause durchaus auch Positives ab.

Im Gespräch mit dem Bärnerbär wird klar, dass sich die schnellste Schweizer Frau hohe Ziele gesteckt hat.

Nach Problemen im Oberschenkel haben Sie sich Ende November im Training den Fuss gebrochen. Wie fühlen Sie sich heute? Haben Sie sich von der Verletzung komplett erholt?
Seit ein paar Monaten fühle ich mich wieder sehr gut. Ich habe sämtliche geplanten Trainings normal absolvieren können. Hin und wieder spüre ich zwar im Fuss noch leichte Schmerzen, doch das ist kein Problem.

Sie haben die Hallen-Europameisterschaften in Polen und die Schweizermeisterschaften verpasst. Jetzt waren Sie lange im Trainingslager. Wo machten Sie dieses Aufbauprogramm?
Den grössten Teil habe ich in Bern absolviert, hin und wieder war ich auch in Zürich. Während zweieinhalb Wochen trainierte ich in der Türkei, an der Sonne.

Wie sah Ihr Tagesablauf aus? Worauf wurde in diesem Aufbautraining besonders Wert gelegt?
Training, Physiotherapie, Erholung, der Tagesablauf war wie immer, auch im Training gab es keine grossen Änderungen. Ich habe Läufe über eine längere Distanz nachgeholt, was ich vorher nicht konnte. Und ich habe auf meinen Fuss aufgepasst und darauf geachtet, dass nicht andere Probleme auftauchen, denn diese Gefahr besteht immer, wenn man einem Körperteil besondere Aufmerksamkeit schenkt.

Ihre Schwester Ditaji holte an den Schweizermeisterschaften in Magglingen Gold über 60 m Hürden. Wenn Sie heute flach gegeneinander laufen, wer ist schneller?
Meine Schwester hat grosses Potenzial. Über die Hürden ist sie sicher stärker als ich, aber ich denke doch, dass ich über 100 Meter noch schneller bin.

Ihr grosses Saisonziel sind nach wie vor die Olympischen Spiele in Tokio, immer vorausgesetzt, diese finden statt. Was erwarten Sie in Japan?
Das weiss ich, wie viele andere, auch nicht so recht. Ich gehe davon aus, dass wenige oder keine Zuschauer im Stadion sein werden. Ich bin einfach froh, wenn die Spiele stattfinden und freue mich auch auf meine Wettkämpfe. Die Leute sollen meine Rennen am TV verfolgen und die Daumen drücken.

Was steht nach dem erfolgreichen Comeback noch auf Ihrem Programm, ehe es Richtung Olympia geht?
Am Pfingstwochenende lief ich in Weinheim über 200 Meter. Als Nächstes kommt jetzt das Diamond-League-Meeting in Florenz, wo ich ebenfalls über 200 Meter laufen werde.

Pierre Benoit

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge