Exakt 652 Tage liegen zwischen dem Sieg am Eidgenössischen in Zug und seinem Comeback. Als Gastschwinger bodigte Christian Stucki am Aargauisch Kantonalen in Lenzburg nicht weniger als fünf Eidgenossen – der Berner präsentierte sich so, als wäre da nie etwas gewesen.
Christian Stucki unterstrich mit seinen Leistungen, dass er, der mittlerweile 36 Lenze zählt, noch lange nicht genug hat, sich auch in der Corona-Pause fit hielt und seriös trainierte. Zwar nicht im Sägemehl, aber in seiner zu einem Kraftraum umfunktionierten Garage und bei seinem persönlichen Trainer Tommy Herzog, in Beromünster oder per Video.
Waren Sie überrascht, dass es in Lenzburg gleich so gut lief und Sie schon im Anschwingen den stärksten Nordwestschweizer, Nick Alpiger, schnell auf den Rücken legten?
Ja, denn ich war nach so langer Untätigkeit doch sehr nervös. Nick Alpiger ist ein unangenehmer Gegner, aber ich hatte sofort ein gutes Gefühl, als ich auf dem Platz stand.
Als amtierender König und Gastschwinger wurden Sie nicht geschont und erhielten mit Nick Alpiger (Anschwingen und Schlussgang, d. Red.), Joel Strebel, Andreas Döbeli und Christoph Bieri gleich fünfmal einen Eidgenossen zugeteilt.
Ich wusste, dass das so sein wird. Aber dass ich alle schlagen konnte, beweist mir, dass die Form stimmt und ich während der Pause seriös trainiert habe.
Am nächsten Samstag haben Sie am Seeländischen in Täuffelen Heimvorteil. Schon viermal gingen Sie an diesem Fest als Sieger hervor. Wird es nicht langsam aber sicher ein bisschen langweilig?
Nein, überhaupt nicht. Das Seeländische ist für mich immer etwas Spezielles und ich freue mich auf dieses Fest.
Sie stehen bei 129 Kränzen, nach Täuffelen werden es deren 130 sein. Dazu kommen viele Naturalpreise, Treicheln, Glocken und vieles mehr. Wann müssen Sie Ihr Carnotzet vergrössern, damit Sie alle Preise unterbringen können?
So weit ist es noch nicht. Es gibt noch ein wenig Platz, ich hoffe, dass noch der eine oder andere Preis dazu kommt.
Aufgrund der Corona-Pause folgen sich die Höhepunkte Schlag auf Schlag. Zwar wurde das Jubiläumsschwingfest 125 Jahre Eidgenössischer Schwingerverband in Appenzell erneut verschoben, doch das Kilchberger im September 2021 und das Eidgenössische in Pratteln im August 2022 finden statt. An beiden Festen gehören Sie zum engsten Favoritenkreis.
Ich freue mich auf diese Feste und werde versuchen, die hohen Erwartungen von mir und meinen Fans zu erfüllen. Einfach wird das nicht – die Konkurrenz ist stark.
Wie haben Sie die lange Pause erlebt? Konnten Sie trotz dem harten Training Ihrer Frau und den beiden Söhnen ein bisschen mehr Zeit widmen, als dies in einer «normalen» Saison der Fall ist?
Die ganze Situation war sehr komisch. Aber ich habe es genossen, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Ein paar gemütliche Abende zuhause, Ausschlafen am Sonntag – es gab auch ein paar positive Aspekte, doch schwingtechnisch war das Ganze sehr unangenehm.
Wer im Internet mit dem Namen Christian Stucki forscht, stösst auch auf lustige Episoden. 2001, vor Ihrem ersten Eidgenössischen, Sie waren gerade 16, standen sie Beat Moning auf TeleBielingue Red und Antwort, notabene mit blonden Haaren. Blond gefärbt ist derzeit in der Schweiz ein beliebtes Thema.
Ich erinnere mich. Aber das war nicht mehr als eine kleine Jugendsünde.
Was erwarten Sie von der eben begonnenen Saison, in der ein grosses Fest auf das andere folgt, eventuell nur mit wenigen Zuschauern?
Zuerst einmal bin ich froh, dass wir wieder wettkampfmässig schwingen dürfen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn sonst hätten sich viele Schwinger wohl eine andere sportliche Herausforderung gesucht oder ihre Karriere beendet. Es ist schlimm, wenn man das, was man am liebsten tut, nicht machen, sich nicht mit anderen messen kann. Ich bin froh, dürfen wir wieder ins Sägemehl steigen, hoffentlich schon bald vor voll besetzten Tribünen.
Pierre Benoit