Seit 13 Tagen bekleidet der 40-jährige Raeto Raffainer beim SCB das Amt des CEO. Im Gespräch mit dem Bärnerbär spricht der Bündner über den ersten Arbeitstag, seinen Werdegang, Gerüchte um einen baldigen Abgang, sportliche und finanzielle Ziele und vieles mehr.
Er weiss um die Schwierigkeiten und Probleme, die auf ihn zukommen. Die tiefen Fussstapfen, die Vorgänger Marc Lüthi hinterlassen hat, gibt sich aber auch im Wissen um die Qualität der sportlichen Führung und der Geschäftsleitung zuversichtlich.
Seit ein paar Tagen sind Sie SCB-CEO. Wie haben Sie die ersten Tage in Ihrer neuen, verantwortungsvollen Position erlebt?
Interessant war vor allem Tag 1. Wir haben die Spieler und den Staff um 8.15 Uhr auf dem Allmend-Hoger versammelt und ihnen erzählt, wie Marc Lüthi den Klub vor 24 Jahren rettete. Ohne Marc wären wir sicher nicht hier. Zudem habe ich den Spielern meine Erwartungen geschildert, vor allem was in dieser Saison die Art und Weise ihres Auftritts betrifft.
Um 9.30 Uhr traf sich die Geschäftsleitung. Wir haben uns in einem dreistündigen Workshop über Zielsetzungen und Zusammenarbeitswerte unterhalten. Und am späten Nachmittag gab es für alle Mitarbeitenden ein Apéro.
Wie oft stand Marc Lüthi bisher in Ihrem Büro?
(Lacht) Noch nie. Er war für einige Tage in Paris.
Nach dem Ende Ihrer Karriere als Spieler wurden Sie Sportdirektor bei Swiss Ice Hockey, Sportchef beim HC Davos, Sportdirektor beim SCB und jetzt sind Sie der oberste Chef im operativen Bereich im Grossunternehmen SCB. Eine steile Karriere.
Viele Leute fragen sich, wie ich das in sieben Jahren alles geschafft habe. Doch es waren ja gar nicht sieben, sondern 18 Jahre. Als ich beim ZSC spielte, lebte ich mit Edgar Salis, Mathias Seger und Patric Della Rossa in einer WG. Edgar Salis beendete gerade seine Karriere und wusste nicht, was er mit der vielen Freizeit anfangen sollte. Das gab mir zu denken. Ich ging zu ZSC-Sportchef Simon Schenk ins Büro und sagte ihm, dass ich neben meiner Sportkarriere arbeiten wolle. So wurde ich bei der Gratiszeitung «20 Minuten» mit einem 20-Prozent-Pensum Mitarbeiter im Marketing und Verkauf. Ab diesem Moment habe ich immer etwas neben dem Eishockey gemacht und mich weitergebildet, unter anderem mit der Erwachsenen-Matur im Feusi Bildungszentrum. So konnte ich zwischendurch abschalten. Hätte ich das alles nicht getan, wäre ich möglicherweise ein besserer Eishockeyspieler geworden, wäre aber heute mit Sicherheit nicht SCB-CEO.
Wie geht es weiter, was ist die nächste Station?
Ich bin am richtigen Ort und fühle mich sehr wohl in der Organisation. Ich habe für zwei Jahre unterschrieben, hätte mich aber auch länger verpflichtet. Ich gehe nirgendwo hin.
Vielerorts wird gemunkelt, Sie könnten der Nach-Nachfolger von IIHF-Präsident René Fasel werden.
Auch das ist für mich kein Thema. Den Schritt ins Council habe ich nicht für mich, sondern für das Schweizer Eishockey gemacht. Ein künftiger Präsident muss aus einem Verband und nicht aus einem Klub kommen.
Der «Blick» sah Sie sogar schon als General Manager der San Jose Sharks in der NHL.
Darüber kann ich nur schmunzeln. Wer sich überlegt, was es alles braucht, um General Manager einer NHL-Organisation zu werden, weiss, wie weit weg solche Spekulationen von der Realität entfernt sind. Die Wahrheit ist, es gab noch nie eine Anfrage aus der NHL.
Kehren wir zum SCB zurück und zu Ihrer neuen Funktion. Bisher haben Sie sich ausschliesslich um sportliche Belange gekümmert. Neu zeichnen Sie für alles, was im und um den SCB passiert, verantwortlich. Wie gehen Sie all dies an? Sponsorenkontakte, Restaurationen, Mitarbeitende. Die Aufgaben sind vielfältig.
Wir haben eine erfahrene Geschäftsleitung, kompetente Abteilungsleiter. Ihnen vertraue ich. Wir kommen aus einer Krise heraus, die wir nur dank Marc Lüthi und der Geschäftsleitung überstanden haben. Gegen vorne müssen wir jetzt Gas geben.
Es sollen auch wieder schwarze Zahlen geschrieben werden.
Es gilt, einen Weg zu finden, wieder mehr Geld zu verdienen. Bisher haben wir 11 500 Dauerkarten verkauft, im Vergleich mit den Werten vor der Pandemie fehlt uns ein sechsstelliger Betrag. Wir wissen, dass wir vor einer schwierigen Saison stehen und haben auf einer unsicheren Grundlage ins Team investiert. Doch dieses Risiko mussten wir eingehen, wir wollen wieder angreifen und kompetitiv sein.
Kommen wir zurück zum Sport. Was trauen Sie dem Team zu? Die Ergebnisse aus den Vorbereitungsspielen sollen nicht überbewertet werden, aber sie lassen die Erwartungen doch in die Höhe schnellen.
Für uns galt es zuerst einmal, den Kern der Führungsspieler zu erweitern, zu verjüngen und hoffentlich weniger verletzungsanfällig zu machen. Das sportliche Resultat wird immer stark von der Anzahl der Verletzungen beeinflusst. Das Team muss jetzt zuerst zusammenwachsen, manchmal braucht es auch ein Geknorze, denn erst wenn Widerstände auftreten, sieht man, wie gut eine Mannschaft funktioniert. Ich freue mich auf diesen Prozess mit der neuen Mannschaft.
Andrew Ebbett hat mit den Zuzügen ein scheinbar glückliches Händchen gehabt. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? In der U20-Elit von Mario Kogler stehen viele Spieler mit Potenzial. Wie gross sind ihre Chancen, ins Fanionteam aufzusteigen?
Weil neu sechs Ausländer spielen dürfen, hat sich der Druck auf alle Schweizer erhöht. Die jungen Spieler sollen nicht nur jung, sondern auch gut sein. Damit sie sich bestmöglich entwickeln, haben wir zum Beispiel André Rötheli soeben als Prospect Coach unter Vertrag genommen. Er ist mitverantwortlich, dass die Zusammenarbeit mit dem EHC Basel und dem SC Langenthal funktioniert und unsere in der Swiss League platzierten Spieler ihren Weg machen. Zusammen mit Mark Streit wird André Rötheli zudem einmal wöchentlich bei den Spezialtrainings auf dem Eis stehen.
Zum Abschluss eine private Frage: Wie lebt es sich als Engadiner in Bern?
Perfekt. Ich liebe die Berge und bin schnell im Oberland. Ein- bis zweimal im Monat leiste ich mir den Luxus und unternehme eine Bergtour oder eine ausgiebige Wanderung.
Pierre Benoit