
Sonntagmittag, 12 Uhr, der Tag nach dem entscheidenden Sieg gegen den FC Luzern und den anschliessenden Meisterfeierlichkeiten. Hervorragend gelaunt, strahlend, direkt vom Morgen-Jogging der Aare entlang, so erscheint YB-Trainer Adi Hütter. Von Titelfeier-Nachwehen keine Spur.
Auch in den Stunden des grossen Erfolgs bleibt der Österreicher so, wie man ihn seit seiner Ankunft in Bern wahrnimmt. Überlegt in seinen Äusserungen, sachlich und nicht euphorisch, aber doch irgendwie erleichtert und mit sich und der Welt zufrieden. Noch steht ein grosses Ziel bevor – der Cupsieg.
Bärnerbär: Adi Hütter, herzliche Gratulation. Was war ausschlaggebend für die grosse Überlegenheit Ihres Teams?
Das Vertrauen, die Kontinuität, die Entwicklung durch Veränderungen auch. Ein wesentlicher Punkt war die Ruhe, die während der ganzen Saison herrschte. Im Team-Bereich haben wir das Optimum herausgeholt. Und mit Fug und Recht darf man auch behaupten: Wir waren über die gesamte Saison gesehen die beste Mannschaft.
Im Juni vergangenen Jahres haben Sie im Bärnerbär gesagt «YB ist das Beste, das mir passieren konnte.» Was sagen Sie jetzt, elf Monate spä- ter, mit dem Titel im Sack?
Es ist noch besser geworden. Ich war damals schon hundertprozentig überzeugt, dass ich den richtigen Schritt gemacht hatte. Ich fühle mich in der Stadt und im Verein wohl. Es ist ein Privileg, YB-Trainer sein zu dürfen. Und wenn wir gewinnen, bin ich noch glücklicher.
Sie kommen aus dem grenznahen Vorarlberg. Liest man die «Vorarlberger Zeitung», findet man fast täglich eine Story über Sie. Verschiedentlich wurden Sie auch schon zum Trainer des Jahres gewählt. Ich denke, das Blatt hat dank Ihrer Erfolge die Auflage verdoppelt…
Ich bekomme das hier gar nicht so mit. Aber es ist selbstverständlich sehr erfreulich. Ich bin stolz, auch wenn es nicht um mich, sondern um das Team und den Verein geht.
In der «Vorarlberger Zeitung» war auch folgender beeindruckender Satz zu lesen: «Hütters Spielcode ist nicht zu dechiffrieren.»
Als Trainer versucht man immer, sich weiterzuentwickeln. Es gibt nicht nur eine Art, um zum Erfolg zu kommen. Mit welcher Taktik fühlt sich das Team wohl, was kann man während dem Spiel verändern? Solche Sachen arbeiten und üben wir täglich im Training, auch beim Studium von Videos und dann gilt es ebenso, dass das Team je nach Situation die Taktik anpasst oder umstellt. Auch der Druck im Training, der beispielsweise von den Spielern ausgeht, die nicht immer in der Startaufstellung stehen, ist
«Verlasse ich Bern und YB einmal, werde ich sicher sehr traurig sein.»
enorm wichtig. Diese Spieler haben sich übrigens in den letzten Wochen und Monaten grossartig verhalten, sich voll und ganz in den Dienst des Teams gestellt. Diese Siegermentalität ist möglicherweise noch wichtiger als die Taktik.
Der Hype hat ganz Österreich erfasst. Wer auf Google «Salzburger Nachrichten, Adi Hütter» eingibt, erhält 793 Meldungen, seit Samstagabend dürften noch einige dazu gekommen sein.
Dies ist ein Hinweis, dass der Schweizer Fussball und das Wirken eines Landsmanns in der Schweiz auch in Österreich wahrgenommen wird.
Fussballlegende Hans Krankl, der bei Austria Salzburg Ihr Trainer war, sagt, dass er schon damals fühlte, dass Sie Trainer werden. War das auch Ihr Ziel und Ihr Empfinden?
Ich wurde schon mit 26 Captain, war stolz, dieses Amt während vier Jahren auszuüben. Schon damals habe ich das Gefühl entwickelt, junge Spieler zu führen und ihnen zu helfen, mit Rat und Tat beizustehen.
«Es ist ein Privileg, YB-Trainer sein zu dürfen.»
Frankfurt ist in Deutschland die Stadt mit der höchsten Kriminalitätsrate, Wolfsburg hat praktisch nichts ausser den VW-Werken, Stuttgart ist auch nicht umwerfend, Hamburg zwar schön, aber wohl schon bald nicht mehr in der Bundesliga vertreten…
Ich weiss, worauf Sie hinauswollen. Ich habe mich noch nirgends so wohlgefühlt wie in Bern und bei YB. Ich habe hier viele tolle Menschen kennengelernt. Die Stadt ist schön, der Klub hervorragend geführt. Unser Meistertitel wird in die Geschichte eingehen. Ich bin im Besitz eines weiterlaufenden Vertrags. Eines ist sicher: Verlasse ich Bern und YB einmal, werde ich sicher sehr traurig sein. Doch im Augenblick verschwende ich keinen Gedanken daran. Der Fokus liegt auf dem Hier und Jetzt. Noch haben wir ein ganz grosses Ziel vor Augen.