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«Ich könnte in der Buchhaltung ein gutes Wort für dich einlegen»

Sitzen die beiden YB-Fabians, Captain Lustenberger und Youngster Rieder, im Interview nebeneinander, geht es lustig zu und her. Man spürt: Die beiden mögen und schätzen sich.

Der 20-Jährige anerbietet dem Routinier sogar, nach Abschluss der Karriere in der Abteilung Buchhaltung auf der YB-Geschäftsstelle ein gutes Wort für ihn einzulegen, «denn ich kenne dort einige Leute. Schliesslich habe ich bei YB meine KV-Lehre absolviert.»

Wie sehr schmerzt Sie beide die vergangene Saison noch?
Fabian Lustenberger: Ich habe das abgehakt. Wir haben einen neuen Staff, neue Spieler sind gekommen, es gibt einen Neuanfang. Jetzt geht es wieder los. Es bietet sich uns eine grosse Chance, etwas zu erreichen. Wir sind sehr hungrig.
Fabian Rieder: Für uns Junge war das etwas Neues. Wir kannten bisher praktisch nur den Erfolg. Aber diese Erfahrungen haben wir mitgenommen. Bei uns herrscht eine grossartige Stimmung und wir blicken der neuen Saison mit Zuversicht entgegen.

Fabian Lustenberger, für Sie war es nicht nur der verlorene Titel, sondern auch die Verletzungsserie, die schmerzte.
Im April 2021 riss meine Achillessehne, dann kam Corona, es folgten weitere Verletzungen, der Rhythmus fehlte und das war sicher nicht leistungsfördernd. Es war keine einfache Saison.

Fabian Rieder, bei Ihnen sieht es anders aus. Persönlich lief es gut und das Tor in der Champions League im Old Trafford gegen Manchester United ging rund um die Welt und brachte Ihnen viel Lob ein.
In erster Linie war ich enttäuscht, dass wir nicht Meister wurden. Aber persönlich hatte ich eine gute Saison und darauf kann ich aufbauen. Ich will mich weiterentwickeln, auf dem Platz noch mehr Verantwortung übernehmen, aber den Bodenkontakt verliere ich sicher nicht.

Umso motivierter geht es jetzt in die neue Spielzeit.
Lustenberger: Daran wird es uns mit Sicherheit nicht fehlen.
Rieder: Es ist klar, dass wir wieder dorthin zurückwollen, wo wir vor der letzten Saison standen.

Fabian Lustenberger, mit 34 hat man als Fussballer viel erlebt. Denken Sie schon daran, wie es weitergeht, wenn Sie dereinst nicht mehr Fussball spielen?
Selbstverständlich. Solche Gedanken macht man sich immer häufiger, vor allem in Zeiten, in denen man verletzt ist. Ich habe mit den YB-Verantwortlichen einen sehr guten Austausch und weiss, in welche Richtung es gehen könnte. Ich will im Trainerbusiness lernen. Aber derzeit fühle ich mich sehr gut. Ich bin fit und in allen Trainings und Spielen voll dabei. Da stellt sich im Moment die Frage nach dem Rücktritt nicht.

Fabian Rieder, Sie sind 20, haben noch die ganze Karriere vor sich. Wie geht es weiter? Manchester, Bayern, Barça oder PSG?
(Lacht) Ich bin ein Typ, der im Hier und Jetzt lebt. Für mich ist klar, dass ich die neue Saison bei YB beenden werde. Wir haben mit dem Team hohe Ziele. Diese will ich erreichen. Persönlich will ich einen weiteren Schritt nach vorne machen und mich weiterentwickeln und ich weiss, dass ich das Vertrauen der sportlichen Leitung, der Teamkol­legen und des ganzen Klubs geniesse.

Fabian Rieder, letzte Saison kamen bei YB sechs Goalies zum Einsatz. Wissen Sie, warum das eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre?
Entschuldigung, aber da bin ich wirklich überfragt.

Fabian Lustenberger, können Sie Ihrem jungen Kollegen weiterhelfen?
Ich weiss genau, worauf Sie ansprechen. Ich spielte 2010 gegen 1860 München auch im Tor, als Marko Sejna Rot bekommen hatte und Herthas Auswechselkontingent schon erschöpft war.

Und Sie blieben ohne Gegentor, sind damit der einzige Goalie in der Bundesliga-Geschichte ohne Gegentor.
Vielleicht ist diese Statistik der sportlichen YB-Führung nicht bewusst gewesen, deshalb hat man andere Goalies geholt … (lacht)

Fabian Lustenberger, Ihre ehemaligen Kumpels und Captains von YB sind heute in Chefpositionen aktiv. Auch für Sie eine denkbare Variante, wenn Sie einmal die Fussballschuhe an den Nagel hängen?
(Fabian Rieder meldet sich zu Wort) Ich habe bei YB auf der Geschäftsstelle die Lehre abgeschlossen, war auf fast allen Abteilungen tätig und habe beispielsweise auch beste Beziehungen in die Buchhaltung. Dort könnte ich ein gutes Wort für dich einlegen. Ich weiss, du kannst alles, du kämst auch dort zurecht …
Lustenberger: Das wäre eine mögliche Variante, schliesslich habe ich meine KV-Lehre auch abgeschlossen …

Fabian Rieder wird überall gelobt und ist von vielen Klubs umworben. Sie, Fabian Lustenberger, spielten auch lange in der Bundesliga. Welche Tipps können Sie ihrem jungen Kollegen für die Zukunft mitgeben?
Ich kann ihm nicht sagen, er soll hier bleiben. Ich ging damals auch bei der ersten Gelegenheit ins Ausland. Trainer Lucien Favre kannte mich und wollte mich unbedingt bei der Hertha. Das ist eine andere Ausgangslage, als wenn irgendein Scout dir einen Wechsel schmackhaft machen will. Heute läuft das etwas anders. Beobachter kennen alle Spieler in- und auswendig. Wichtig ist, dass sich Fabian dann bei einem Transfer einen Verein aussucht, bei dem er eine Perspektive sieht und in dessen Kader nicht schon fünf erfahrene zentrale Mittelfeldspieler stehen.
Rieder: Ich denke, dass Fabian das alles sehr gut zusammengefasst hat. Ich werde versuchen, den richtigen Zeitpunkt für den nächsten Schritt zu wählen. Vorerst zählt aber nur YB.

Gibt es Präferenzen? Klubs, Land?
Die Bundesliga liegt am nächsten, die verfolge ich schon seit langem. Dort gäbe es auch keine Sprachprobleme.

Fabian Lustenberger, in der YB-Kaderliste stehen mit Aurèle Amenda, Mohamed Ali Camara, Cédric Zesiger, Sandro Lauper und Ihnen nicht weniger als fünf zentrale Verteidiger. Auch Jordan Lefort und Loris Benito können zentral spielen. Keine Angst vor der Konkurrenz?
Nein, Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir haben bis November rund 30 Spiele, da müssen wir eine dichte Breite im Kader haben. Es gibt so weniger Schwankungen und es besteht für den Trainer die Möglichkeit, frische Kräfte einzuwechseln.

Fabian Rieder, bei Ihnen sieht die Lage ähnlich aus. Mit Ihnen, Miguel Chaiwa, Alexandre Jankewitz, Sandro Lauper, Cheikh Niasse, Esteban Petignat und Vincent Sierro sind sieben zentrale Mittelfeldspieler dabei. Da kommt es zu einem Gedränge.
Es ist, wie mein Captain sagt: Wir müssen ein ausgeglichenes, breites Kader haben. So muss jeder in jedem Training und jedem Spiel Vollgas geben und seine Leistung erbringen. Das lässt dem Coach viele Möglichkeiten offen, auch während des Spiels zu reagieren, wenn es der Spielverlauf erfordert. Das war in den letzten Jahren auch ein Teil unserer Stärke, dass die Coaches je nach Spielstand reagieren konnten.

Wie sieht es mit Ihren Kenntnissen über die Stadt Bern aus? Sind Sie schon in der Aare geschwommen?
Lustenberger: Ich zügle in zwei Wochen mit der Familie nach Bern, in die Nähe des Wankdorfs. Dies auch, weil ich dank der Zukunftslösung mit YB die Perspektive habe, länger in Bern zu bleiben. Die Kinder müssen nur die Strasse überqueren, dann sind sie in der Schule. Und ich habe mehr Erholungszeit und kann mir die langen Autofahrten in die Innerschweiz ersparen. Dann wird es wohl auch etwas mit meinem ersten Schwumm in der Aare.
Rieder: Ich bin ein Aare-Routinier und werde Fabian in die Geheimnisse einführen. Ich werde ihn sicher auch zum Aare-Böötle einladen – mit einer Fahrt von Thun bis ins Marzili.

Pierre Benoit

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