20200408 Scb Newsmeldung Florence Schelling Opt

«Ich komme unbelastet und mit offenen Augen zum SCB»

Die Überraschung ist perfekt, als der SCB kurz vor Ostern bekanntgibt, wie er den Posten des Sportchefs neu besetzen wird. Florence Schelling ist die Auserwählte – erstmals steht eine Frau an der sportlichen Spitze eines Schweizer Klubs der obersten Spielklasse in einer der wichtigsten Sportarten.

Der bisherige Amtsinhaber Alex Chatelain, der in fünf Jahren drei Meistertitel holte, übernimmt den zuletzt vakanten und zuvor von Lars Leuenberger besetzten Posten der sportlichen Strategieentwicklung und wird zudem den Bereich Analytics aufbauen. Lars Leuenberger seinerseits bleibt wie am Ende der letzten Saison Assistenztrainer.

Beginnen wir mit der derzeit obligaten Frage: Wie geht es Ihnen?
Trotz Corona gut.

Den Skiunfall haben Sie verarbeitet?
Die Welt dreht sich weniger schnell als noch vor kurzer Zeit. Das hat mir vielleicht sogar geholfen, rasch Fortschritte zu machen.

Die Frage sei erlaubt: Waren Sie die bessere Eishockey-Torhüterin als Skifahrerin?
Das kann ich so nicht bestätigen. Ich denke, ich bin eine gute Skifahrerin, aber bei meinem Unfall hatte ich wirklich Glück im Unglück.

Wann hatten Sie die ersten Kontakte mit dem SCB?
Das war vor gut zwei Wochen, als ich einen Anruf von Marc Lüthi erhielt.

Und wann war klar, dass Sie das Amt antreten werden?
Ende der ersten Woche im April.

Als SRF-Expertin haben Sie die letzte Saison intensiv verfolgt. Wo sehen Sie rückblickend die Probleme, die zum Absturz des SCB und dem Verpassen der Playoffs führten?
Der Weggang von Leonardo Genoni führte zu einem grossen Umbruch. Der Goalie hat eine sehr wichtige Position. Als Torhüter ist es äusserst schwierig , über lange Zeit eine perfekte Leistung zu erbringen; Genoni konnte das. Das Team wirkte verunsichert und in der eigenen Zone, wo der SCB immer besonders stark war, gab es zu viele Fehler.

Sie waren selbst Torhüterin, jetzt sprechen Sie vom Goalie als Schlüsselfigur. Der SCB war auf dieser Position schon vor Genoni immer gut besetzt und hatte auch spezielle Typen im Tor. Das begann mit René Kiener, der noch ohne Maske spielte, ging mit Jürg Jäggi und Renato Tosio weiter, alle waren auf ihre Art verrückt. Auch Sie waren Goalie. Haben Sie ebenfalls besondere Macken?
Nein, ich denke nicht, ich würde mich als ganz normal bezeichnen. Aber das Bild, das sich andere Leute machen, kann möglicherweise anders sein.

Sie werden mit Spielern zu tun haben, die älter als Sie sind und über viel Erfahrung verfügen und werden jetzt noch einen Cheftrainer sowie zwei Ausländer suchen müssen. Wie gedenken Sie diese nicht leichten Aufgaben anzugehen?
Heute geht es los. Priorität hat jetzt sicher die Suche nach dem Cheftrainer, da werde ich mich einbringen und mitarbeiten. Der SCB hat diesbezüglich die Fühler selbstverständlich bereits ausgestreckt. Aber es gilt abzuwarten. Es werden wohl kaum Entscheide getroffen, bevor man weiss, wie es bezüglich der Corona-Situation weitergeht.

Wie steht es um Ihre internationalen Beziehungen in die wichtigen Eishockeyländer Kanada, USA oder in den Norden, nach Finnland und Schweden?
Dank meiner Auslanderfahrung als Spielerin auch in Kanada und Schweden und der Intensivierung der Kontakte in den letzten Jahren, vor allem auch nach Kanada, verfüge ich über ein grosses Beziehungsnetz.

Das neue Team steht weitgehend. Zehn Abgängen stehen neun Zuzüge gegenüber. Sind Sie zufrieden oder hätten Sie gerne mehr Einfluss genommen?
Das Team steht. Ich will nicht hypothetisch werden und mich um das kümmern, was ich beeinflussen kann.

Wie gedenken Sie generell, Ihre Aufgabe anzugehen. Was hilft Ihnen dabei mehr? Ihre Erfahrung im Eishockey oder Ihr abgeschlossenes BWL-Studium?
Ich denke, dass beides wichtig ist und mir hilft. Sowohl die Erfahrung im Eishockey als auch das BWL-Studium sind in der neuen Position, die ich übernehme, von Vorteil.

Sie hatten bisher wenig oder keinen Bezug zur Stadt Bern und zum SCB und betreten in der «Fremde» Neuland. Könnte dies ein Problem sein?
Im Gegenteil. Ich sehe dies als bedeutenden Vorteil. Ich komme unbelastet, unvoreingenommen und mit offenen Augen zum SCB.

Pierre Benoit

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