Mit 17 war er Schweizermeister, schlug am Junior- Tennisturnier Orange Bowl die spätere Nummer 1 und dreifachen Grand-Slam-Sieger in Roland Garros Gustavo Kuerten. Der Weg zu einer vielversprechenden Karriere war offen, doch der Berner entschied sich anders.
Seit 2005 führt er als Captain das Schweizer Davis-Cup-Team und seit 2007 ist er höchst erfolgreicher Coach des weltbesten Tennisspielers aller Zeiten, Roger Federer.
Ist es einfacher, erfolgreicher Coach zu sein als erfolgreicher Spieler?
Ich denke, dass man in beiden Bereichen einen guten Job machen muss, um erfolgreich zu sein. Auch der beste Coach benötigt einen Spieler, der Qualitäten besitzt und aus dessen Talent sich etwas formen lässt. Der Trainer gibt vor, wie man etwas machen muss, doch umsetzen muss es der Spieler. Es gibt nicht ein einziges Erfolgsrezept, das sich bei jedem Spieler anwenden lässt. Ein guter Trainer ist derjenige, der aus einem Spieler das Maximum herauszuholen versteht, auf welchem Niveau auch immer.
Ihre Bilanz als Coach ist fantastisch, Sie sind der erfolgreichste aller Zeiten und haben neben elf Grand- Slam-Titeln mit Federer 2014 Ihr Team in Lille auch zum Sieg im Davis Cup geführt. Was machen Sie besser als andere Coaches?
Ich weiss nicht, ob ich etwas besser mache als andere. Es ist ein Privileg, diesen Beruf ausüben zu dürfen, denn ich habe nie das Gefühl, ich ginge arbeiten. Als Coach muss man flexibel, ehrgeizig und lernwillig sein. Es braucht auch Leidenschaft. Ich bin sicher heute ein anderer Coach als noch vor zehn Jahren, auch ich habe mich weiterentwickelt. Es braucht Gespür für die Situation, die Gabe, im richtigen Moment das Richtige zu sagen und die Bereitschaft, dem Erfolg alles unterzuordnen.
Welches war für Sie in emotionaler Hinsicht der wichtigste oder schönste Erfolg?
Eine schwierig zu beantwortende Frage. Da sind all die Grand-Slam-Siege von Roger, aber emotional war wohl doch der Sieg im Davis Cup in Lille das Nachhaltigste, denn ich bin ein Teamplayer. Wir haben uns im Team jahrelang über diese Möglichkeit unterhalten – dieser Sieg als Mannschaft hat eine lange Vorgeschichte.
Das Australian Open und das Jahr 2020 stehen vor der Tür. Was erwarten Sie vom Maestro?
Wir haben in Dubai gut trainiert, alles lief optimal. Roger ist bereit und hungrig wie immer. Wir freuen uns, dass es wieder losgeht.
Sagen Sie uns, was den Nice Guy auf dem Court so locker und neben dem Platz allen Leuten gegenüber derart freundlich macht.
Das ist wirklich unglaublich und beeindruckend. Trotz all der Erfolge hat er nie die Bodenhaftung verloren. Er hat immer noch grossen Spass, Freude, arbeitet hart. Er ist auf dem Court locker und trotzdem äusserst konzentriert, kann sich den Situationen anpassen und zwischendurch auch einmal abschalten. Und ausserhalb des Courts nimmt er sich immer Zeit für ein Selfie oder ein kurzes Gespräch.
Als Davis-Cup-Captain liegt Ihr Fokus nicht «nur» auf Roger Federer. Um im März in Peru ohne Federer und Stan Wawrinka der Favoritenrolle gerecht zu werden, brauchen Sie Spieler. Sie müssen Henri Laaksonen und Sandro Ehrat im Auge behalten und die wilden Jungen, Jérôme Kym, Dominic Stricker, Leandro Riedi und Jeffrey van der Schulenburg.
Klare Priorität hat Federer. Die jungen Spieler haben in Australien ihre eigenen Coaches dabei, die ich immer unterstütze, soweit dies mein Zeitplan ermöglicht.
Was trauen Sie diesen Jungen zu? Können Sie dereinst die Top 100 knacken?
Der Weg dorthin ist sehr lang und steinig. Aber es ist positiv, dass wir mit vier Junioren dabei sind, doch Prognosen wage ich nicht abzugeben und Vergleiche mit Federer und Stan Wawrinka wären fehl am Platz. Alle vier müssen jetzt den nächsten Schritt machen.
Was bedeutet Ihnen die Wahl zum «Schweizer Trainer des Jahres 2017»?
Es ist für mich Anerkennung und Wertschätzung meiner Arbeit. Aber ich denke dabei auch an die Trainer, welche die kleinsten Kinder unterrichten und deren Freude am Spiel fördern. Sie werden nie ausgezeichnet und leisten trotzdem eine sehr wichtige Arbeit.
Ein Wort noch zu Ihrem Lieblingsklub, dem SCB. Wie wäre es, wenn Sie in der schwierigen Phase dem Trainerteam mit Rat beistehen würden?
Ich bin kein Eishockey-Experte. Sicher gibt es Parallelen zwischen einem Tennis- und einem Eis- hockey-Coach. Ein Austausch ist interessant, aber beraten kann ich nicht.
Pierre Benoit