Seit dieser Saison steht Imke Wübbenhorst bei den YB-Frauen an der Seitenlinie.
Im Interview erklärt die 33-jährige Deutsche, was sie mit dem Team vorhat und wieso sie nun lieber wieder Frauen coacht.
Sie war erfolgreiche Spielerin, trainierte Männer und Frauen. Jetzt ist Imke Wübbenhorst wieder zu den Frauen zurückgekehrt, weil sie bei Viktoria Köln gemerkt hat, dass sie nicht für den Posten als Co-Trainerin geboren wurde. Sie will führen, Entscheidungen treffen und selbst Verantwortung tragen.
Der Vorname Imke steht für eifrig und fleissig. Trifft das auf Sie zu?
Ich denke schon. Ja, ich bin eifrig und fleissig und als Trainerin akribisch und detailversessen.
Was ist für Sie als Trainerin wichtig? Worauf legen Sie in der Zusammenarbeit mit Ihren Spielerinnen besonderen Wert?
Spass.
Ist das alles?
Selbstverständlich nicht. Aber es gibt keinen anderen Zugang zu den Spielerinnen als über Spass. Sie sind motiviert, wissbegierig, stellen hohe Ansprüche an sich selbst und wollen erfolgreich sein. Wir haben ein Kader mit 26 Spielerinnen, sie stehen alle unter Leistungsdruck, der Konkurrenzkampf ist gross, jede will möglichst oft spielen. Da muss zuerst einmal Spass sein.
Wie lebt es sich als Norddeutsche in Bern?
Ich musste mich umstellen. Meine direkte Art ein wenig zurücknehmen, auch im Umgang mit den Mädchen. Ich musste gelassener werden. Aber Bern ist wunderschön und Auto fahren so locker, ganz anders als im hektischen Deutschland.
Sprechen wir wieder von Fussball. Sie sind im Männerfussball und im Frauenfussball zuhause. In den letzten vier Jahren bei den Männern. Warum die Rückkehr in den Frauenfussball?
Ich habe in Köln gesehen, dass ich keine Co-Trainerin bin. Ich will selbst entscheiden können, mit den Spielerinnen Einzelgespräche führen. Ich will den Druck verantworten. Die Bedingungen, die ich bei YB vorfinde, sind optimal.
Sind Männer leichter zu coachen als Frauen?
Ich denke, die Frauen sind kritikfähiger, sonst sehe ich keinen Unterschied.
Die YB-Frauen waren letzte Saison nicht sehr erfolgreich. Jetzt war der Saisonstart erfolgversprechend.
Welche Ziele haben Sie sich und dem Team gesteckt?
Wir wollen im Cup überwintern und ich habe uns Rang 5 zum Ziel gesetzt. Die Mädchen haben noch höhere Ziele. Und wir wollen uns verbessern, individuell und als Team. Wird jede Einzelne besser, werden wir automatisch auch als Gruppe stärker. Wichtig ist mir auch die gute Zusammenarbeit mit unserer Nachwuchs-
abteilung, in der viele Talente nachrücken. Einige sind bereits im Kader des Fanionteams.
Vor zwei Jahren wurde Stefanie de Além da Eira Torschützenkönigin und zog weiter nach Spanien. Sie war der Leitwolf im Team. Gibt es eine Nachfolgerin?
Ja, Captain Stephanie Waeber. Sie geht immer voraus, lebt vor, was wir als Team erreichen wollen.
Bei YB haben Sie einen Vertrag für zwei Jahre. Der Trainerposten bei den YB-Männern ist auch eine Art Sprungbrett in die Bundesliga, wie die Beispiele von Adi Hütter und Gerardo Seoane zeigen. Haben Sie Ähnliches im Sinn?
Mein Ziel ist es nicht, das beste Team auf höchstem Level zu trainieren. Hier bin ich Profi, kann mich 24 Stunden am Tag zu hundert Prozent um meine Spielerinnen kümmern. Für mich müssen die Bedingungen passen und bei YB ist dies der Fall. Wir trainieren viermal wöchentlich, da will ich, dass die Spielerinnen voll mitmachen. Würden wir achtmal trainieren, wäre das nicht möglich, denn sie alle haben einen Beruf, studieren oder gehen zur Schule. Die Mädchen engagieren sich voll, wollen sich weiterentwickeln, Fortschritte erzielen. Ich habe die Möglichkeit, etwas in Gang zu setzen. Mein Antrieb ist es, mit guten Menschen zusammenarbeiten. Das ist hier so, im Team und im Umfeld, im ganzen Verein.
Die YB-Frauen wurden letztmals 2011 Meister. Die Männer mussten nach 1986 32 Jahre auf den nächsten Titelgewinn warten. Denken Sie, dass es nicht so lange dauert, bis die Frauen wieder einen Pokal in die Höhe stemmen können?
Ich hoffe und bin überzeugt, dass es bei den YB-Frauen nicht so lange dauern wird.
Wie hat Ihnen Martina Voss-Tecklenburg, die ehemalige Schweizer Nationaltrainerin, die Schweiz und die YB-Frauen schmackhaft gemacht?
Sie hat mir gesagt, dass die Spielerinnen sehr lernwillig und mit vollem Einsatz bei der Sache sind.
Was ist für unser Nationalteam in den nächsten Jahren möglich? Die Schlüsselspielerinnen Ana-Maria Crnogorcevic und Ramona Bachmann sind über 30, Captain Lia Wälti wird nächstes Jahr 30. Verfügt die Schweiz über genügend starke junge Spielerinnen, um das Niveau zu halten?
Ich denke, dass die Spielerinnen noch vermehrt lernen müssen, auf dem Platz auch «ecklig» zu sein. Die Qualität ist sicher vorhanden. Vielleicht tauchen schon bald ein paar YB-Spielerinnen im Kader auf.
Haben Sie als YB-Trainerin einen Wunsch?
Ich denke, unsere Spielerinnen hätten es verdient, dass mehr Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Spiele verfolgen. Sie sind eine starke Gruppe, die keine Lippenbekenntnisse macht, sondern den Fussball lebt. Sie sind auch, wann immer möglich, bei den Spielen der Männer dabei, als echte Fans. Es wäre schön, würden die Männer auch einmal eines unserer Spiele besuchen. Selbstverständlich sind auch alle YB-Fans willkommen. Schaut rein und unterstützt uns!
Pierre Benoit