An den Europameisterschaften im Vorjahr in Berlin wurde aus dem Glückspilz innert weniger Tage ein Pechvogel. Rang 4 in der Paradedisziplin 100 Meter, Rang 4 über 200 Meter und ebenso Platz 4 mit der 4-mal 100-Meter-Staffel.
Die schnellste Schweizerin, welche die Schweizer Rekorde über 100 m und 60 m Indoor ihr Eigen nennt, hat in diesem Sommer zwei grosse Ziele vor Augen: die Weltmeisterschaft in Doha Ende September und eine optimale Vorbereitung im Hinblick auf die Olympischen Sommerspiele 2020 in Tokio.
Mujinga Kambundji, sehen Sie sich selbst eher als Glückspilz oder als Pechvogel?
Ich weiss, worauf Sie mich ansprechen. In Berlin fühlte ich mich nach den drei vierten Plätzen wirklich ein wenig als Pechvogel und war sehr enttäuscht; auch weil ich das Gefühl hatte, ich hätte besser abschneiden und hier und dort auf dem Podest stehen können. Doch insgesamt kann ich mich wahrlich nicht beklagen. Ich jammere hier auf sehr hohem Niveau. Im Leben bin ich ein Glückspilz, bin sportlich in Kontakt mit der europäischen Spitze. So gesehen sind die vierten Plätze von Berlin im Rückblick eher zusätzliche Motivation für die Zukunft.
In den letzten Jahren sorgten Sie nicht allein mit glänzenden Leistungen auf der Bahn, sondern auch mit den ständigen Wechseln auf der Position des Trainers für Schlagzeilen. Von Valerij Bauer über Rana Reider zu Steve Fudge. Ist diese Irrfahrt jetzt endlich beendet und kehrt auf der Trainerposition tatsächlich Kontinuität ein?
Ich denke, es könnte ein weiterer Schritt in die richtige Richtung sein. Im Hinblick auf Tokio 2020 suchte ich eine längerfristige Lösung.
Anfang August stehen Sie beim Citius-Meeting in Bern vor heimischem Publikum im Einsatz. Für Sie etwas Besonderes?
Diese Frage kann ich ganz klar mit Ja beantworten. Es ist etwas Spezielles, vor heimischem Publikum anzutreten. In Bern macht alles viel mehr Spass, alle Berner stehen hinter mir und auch meine Familie und Freunde werden im Stadion sein, um mich zu unterstützen.
Rekorde lassen sich bekanntlich nicht planen. Aber wie wäre es, wenn Sie im Leichtathletikstadion Wankdorf Ihren 100-Meter-Rekord, der bei 10,95 Sekunden steht, unterbieten würden?
Dann würden der Spass und die Freude noch grösser. Aber warten wir einmal ab.
Ihr Vater stammt aus dem Kongo, Ihre Mutter ist Bernerin. Ich denke, dass diese Mischung für Sie als Sportlerin ein grosser Vorteil ist. Zu den normalerweise trägen Bernern ein bisschen kongolesisches Blut kann der Geschwindigkeit nicht schaden.
Solche Überlegungen habe ich bisher noch nie angestellt. Aber es ist durchaus möglich, dass sich dies auf meine sportlichen Leistungen positiv auswirkt.
Seit Ihrem letzten Trainerwechsel trainieren sie oft allein in Bern und im Liebefeld und dann wieder in Blöcken in London. Wirkt sich die Reiserei nicht negativ aus und haben Sie keine Probleme, allein diszipliniert genug an der Arbeit zu sein?
Bisher hatte ich damit keine Probleme. Zuhause kann mir auch mein Jugendtrainer Jacques Cordey Ratschläge erteilen. Ich bin sicher, dass mein Weg noch weitergehen wird.
Was passiert, wenn Sie nächstes Jahr an den Olympischen Spielen in Tokio im Final stehen und eine Medaille gewinnen?
Ich weiss nicht, was noch alles möglich sein wird, deshalb liegt mein Fokus auf der optimalen Vorbereitung und verschwende ich noch keine Gedanken, was wäre, wenn. Vorderhand steht die WM in Doha im Vordergrund.
Pierre Benoit