Als Hanspeter Kienberger vor knapp zehn Jahren das Amt des Verwaltungsratspräsidenten übernahm, lagen schwierige Zeiten hinter YB. Nun spielt das Team bereits zum zweiten Mal in der Champions League.
Diverse Kurs-Korrekturen, unter anderem mit der Einsetzung von Christoph Spycher als Sportchef, dem Schaffen einer Sportkommission mit Spycher, Stéphane Chapuisat, Ernst Graf und Gérard Castella, leiteten eine Erfolgswelle ein, wie sie der Berner Traditionsclub seit den 1950er-Jahren nicht mehr erlebt hatte. Vier Meistertitel in Serie, ein Cupsieg und jetzt die zweite Champions-League-Teilnahme sind eng mit den Entscheiden des Verwaltungsrats verbunden. Ein Verwaltungsrat, der sich im Hintergrund hält, sich nicht in die sportlichen Geschicke einmischt und genau weiss, wo seine Aufgaben liegen.
Vor dem ersten Champions-League-Spiel vom Dienstag gegen den 20-fachen englischen Meister und zweifachen Champions-League-Sieger Manchester United gewährte Hanspeter Kienberger dem Bärnerbär eines seiner raren Interviews.
YB muss sportlichen Erfolg haben und wirtschaftlich auf gesunden Beinen stehen. Dieser Spagat ist nicht immer einfach. Wie schafft es YB, sportlich top zu sein und trotz hoher Corona-Einbussen auch fnanziell gut dazustehen?
Das ist in der Tat eine ständige und schwierige Herausforderung, der wir uns als Gesamtorganisation stellen müssen. Dass wir die Pandemie-Krise bisher gut meistern konnten, hat viele Gründe. Zuallererst sind die Leistungen der Mannschaft und der sportlichen Führung zu würdigen. Was wir in den letzten Jahren mit YB erleben durften, davon hätten wir vor fünf Jahren nicht einmal zu träumen gewagt. Was uns auch überwältigt hat, ist die riesige Solidarität und Unterstützung der gesamten YB-Familie. Es ist beeindruckend und hat uns den Alltag in der Krise extrem erleichtert, wie die Partner, Sponsoren und Fans hinter dem Klub stehen.
Als Sie vor beinahe zehn Jahren von den Gebrüdern Jöggi und Andy Rihs ins Amt des VR-Präsidenten gehievt wurden, sagten Sie selbst, Sie verstünden nicht viel von Fussball. Weshalb wurden denn ausgerechnet Sie berufen? Und wie steht es heute um Ihre Fachkenntnisse?
Meine Verantwortung ist es, dass neben dem sportlichen Erfolgshunger die unternehmerischen Ambitionen ebenfalls im Fokus stehen. Nur auf der Basis einer gesunden Unternehmung können wir auch in Zukunft den nachhaltigen sportlichen Erfolg suchen. Ich bin weiterhin kein Fussballfachmann, sondern sehe meine Rolle als Bindeglied zwischen den Aktionärsfamilien, dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung. Gemeinsam mit allen anderen Mitarbeitenden sind wir dafür besorgt, der Mannschaft die besten Rahmenbedingungen zu bieten, damit sie sich auf ihre tollen Leistungen konzentrieren kann.
Kommen wir zur Gegenwart. Zum zweiten Mal hat YB das Kunststück geschafft, sich für die Gruppenphase der Champions League zu qualifzieren. Haben Sie dies erwartet? Immerhin steht ein neuer Trainer am Spielfeldrand und fehlen mit Captain Fabian Lustenberger und Goalgetter Jean-Pierre Nsame zwei Schlüsselspieler.
Nein, das konnten wir auf keinen Fall erwarten. Aber es ist seit Jahren ein Gütezeichen von YB, wie mit schwierigen Umständen umgegangen wird. Es wird dann nicht gejammert, sondern sofort nach Lösungen gesucht und versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Unsere Mannschaft stieg höchst ambitioniert und gut vorbereitet in die Qualifkation der Champions League. Aber es war alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns gegen die Serienmeister aus der Slowakei, aus Rumänien und Ungarn durchgesetzt haben.
Was erhoffen Sie sich gegen Manchester United, Villarreal und Atalanta Bergamo ausser vielen Einnahmen und einem ausverkauften Wankdorf?
Die Teilnahme gibt uns fnanzielle Sicherheit. Aber das steht nicht im Zentrum. Sondern die Vorfreude auf drei riesige Fussballfeste in Bern. Unsere Teilnahme ist für die Stadt, die Region Bern und den gesamten Schweizer Fussball von grossem Nutzen. Als YB-Fan sollte man geniessen, was in den letzten Jahren passiert ist und was in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten zu erleben sein wird. Persönlich freue ich mich darauf, dass die YB-Fans ihre Mannschaft auch auswärts wieder unterstützen können. Ich weiss, dass viele YB-Fans gelitten haben, weil dies während langer Zeit nicht mehr möglich war.
Gestatten Sie zum Schluss noch eine persönliche Frage. Als Treuhänder und Finanzexperte sind Sie es gewohnt, diskret zu arbeiten. Aber Fussball ist ein Business, das sich in der Öffentlichkeit abspielt. Wie schaffen Sie es, so diskret im Hintergrund zu bleiben, während andere Präsidenten von Super-League-Klubs beinahe krankhaft den Weg in die Medien suchen?
Ich glaube, es ist eine Stärke von uns, dass sich niemand zu wichtig nimmt. Wir haben es uns intern auf die Fahne geschrieben, dass in der Öffentlichkeit vor allem jene kommunizieren sollen, die sich im Alltag mit den Themen beschäftigen: Das ist der Sportchef, der Trainer, das sind die Spieler, der CEO und der Kommunikationschef. Wir sind mit diesem Kurs sehr gut gefahren und wollen an ihm festhalten.
Pierre Benoit