Vergangene Woche standen die Beach-Volleyballerinnen Anouk Vergé-Dépré und Joana Mäder noch in Paris beim Beach Pro Tour Elite 16-Turnier im Einsatz und schnupperten in Hinblick auf die Olympischen Spiele 2024 bereits Olympia-Luft. Ab Freitag steht der Saisonhöhepunkt bevor. An der WM in Mexiko will das Duo an vergangene Erfolge anknüpfen.
Die Erwartungshaltung gegenüber dem Duo aus Bern (Vergé-Dépré) und Kloten (Mäder) ist hoch. Olympia-Bronze 2021 in Tokio, Europameister 2020 und 4. Platz an der WM 2022 in Rom – verständlich, dass vom Powerduo weitere Glanzleistungen erwartet werden. Doch da ist dieser verflixte 19. Juni 2022, als in Rom der Traum von WM-Bronze platzte, weil sich Joana Mäder eine schwere Schulterverletzung zuzog. Nach monatelanger gemeinsamer Turnierpause, Reha und Aufbautraining für Joana und konsequentem Weiterarbeiten für Anouk haben sich die beiden seit April wieder an ihre Bestform herangekämpft und sind zu neuen Grosstaten bereit. Vor dem Abflug nach Mexiko unterhielt sich der Bärnerbär mit den beiden Spitzenspielerinnen.
Wie sind Sie mit dem bisherigen Verlauf der Saison zufrieden?
Anouk Vergé-Dépré: Es gab gute und auch weniger gute Phasen. Wir spürten, dass uns nach der langen Pause die Spielpraxis fehlt. Wir haben sicher noch Steigerungspotential.
Joana Mäder: Wir hatten einen guten Start in die Comeback-Saison, danach aber ein paar schwierige Monate. Deswegen sind wir nicht komplett zufrieden.
Wo sehen Sie noch Verbesserungsmöglichkeiten?
AVD: In der Konstanz und in der Abstimmung. Gewisse neue Abläufe sind noch nicht ganz automatisiert.
JM: Wir können noch stabiler werden. Ich muss mich im Block verbessern, da ich diesen lange nicht trainieren konnte. Eine Steigerung ist vorhanden und ich spüre auch meine Hand immer besser. Zudem muss ich mich beim Service steigern.
Wie steht es um die Gesundheit von Joana?
JM: Die Schulter hält. Es geht mir gut. Aber ich werde für meine Schulter immer mehr tun müssen als vor der Verletzung. Doch in den letzten Wochen habe ich nochmals grosse Fortschritte gemacht. Jeder Tag, jede Woche, jeder Monat hilft mir und meiner Schulter. Sie wird nicht mehr so schnell müde und dadurch wird die Qualität der Schläge und Bewegungsabläufe immer besser. Ich bin sehr glücklich mit dem aktuellen Zustand.
AVD: Machen wir ein einstündiges Training, geht es Joana hervorragend und die Verletzung hat keine Auswirkungen. Das Einzige, das vielleicht noch nicht ist wie vorher: In einer intensiven Trainings- oder Turnierwoche mit wenig Erholung zwischen den Spielen wird für Joana die Ansteuerung schwieriger.
Wirkt sich Ihre Verletzung noch auf Ihr Spiel aus? Sie mussten Ihr Spiel aufgrund der Verletzung bekanntlich total umstellen.
JM: Die Verletzung hat nicht mehr einen gros-sen Einfluss. Der Coach meint, dass ich gleich viel Kraft habe und einsetzen kann wie vorher. Die Spielart mit den platzierten Bällen und Schlägen werde ich weiterhin fleissig trainieren.
Welchen Einfluss hat Ihr neuer Trainer, der Grieche Spiros Karachalios, auf Ihr Spiel?
AVD: Er hat uns nochmals viel beigebracht. Betreffend Umgang mit dem Wind oder neuen Pässen und Kombinationen. Da brauchen wir noch Zeit, um dies zu festigen. Konkret: Hat man mehr Optionen, muss man sich auch entscheiden, welches die beste Wahl ist. Die volle Automatisierung ist noch nicht vorhanden. Doch es ist sehr cool, dass er uns herausfordert und noch besser macht. Kann man sich mit über 30 Jahren nochmals so weiterentwickeln, ist das sehr wertvoll.
JM: Er hat uns viele neue Tools mit auf den Weg gegeben. Diese Arbeit hat vor der Verletzung langsam begonnen Früchte zu tragen. Dann folgte die verletzungsbedingte Pause. Er ging mit der Situation und mit mir extrem gut um. Wir trainierten, was möglich war, suchten neue Wege. Er gibt uns so viele neue Inputs, dass uns das manchmal fast überfordert. Er hat sehr hohe Ansprüche und das Training ist streng. Doch genauso mögen wir es.
Am Freitag beginnen in Mexiko die Weltmeisterschaften. Mit welchen Zielen reisen Sie nach Nordamerika?
AVD: Auch wenn wir letztes Jahr vor der WM konstantere Resultate vorweisen konnten, lebt unser Traum von einer Medaille. Es wäre ein Exploit, aber es ist dennoch unser grosses Ziel. Wir freuen uns sehr auf die WM. Auch, weil in Mexiko das Publikum immer sehr begeisterungsfähig ist.
JM: Unser ursprüngliches Ziel war es, uns nach der Verletzung überhaupt zu qualifizieren. Diesen Schritt haben wir geschafft. Wir haben noch immer den Traum von einer Medaille. Wir gehen nach Mexiko, um diesen zu verwirklichen.
Könnte die WM auch ein Schritt Richtung Olympische Spiele im nächsten Jahr in Paris sein?
AVD: Die WM gibt für die Olympia-Qualifikation sehr viele Punkte, daher ist das Abschneiden wichtig. Mit einem guten Resultat können wir auf dem Weg nach Paris Vertrauen gewinnen.
JM: Ein Grossanlass ist immer sehr wichtig. Doch wir müssen Schritt für Schritt gehen. Können wir unser Potential in den nächsten Turnieren abrufen, werden wir uns auch die Olympiaqualifikation erspielen.
Pierre Benoit
PERSÖNLICH
Joana Mäder wurde am 2. Oktober 1991 in Zürich geboren. Noch unter ihrem Ledignamen Heidrich wurde sie zusammen mit Nadine Zumkehr Olympia-Fünfte 2016. Ihre grössten Erfolge feierte sie jedoch alle zusammen mit Partnerin Anouk Vergé-Dépré. Joana Mäder ist mit dem Eishockey-Profi Stefan Mäder verheiratet.
Anouk Vergé-Dépré wurde am 11. Februar 1992 in Bern geboren. Sie spielte für Volley Köniz und Sm’Aesch Pfeffingen. Seit 2009 ist sie Beach-Volleyballerin. Zusammen mit Joana Heidrich wurde sie Europameisterin, Olympia-Bronzemedaillengewinnerin und Team des Jahres. Ihre jüngere Schwester Zoé spielt ebenfalls Beachvolleyball und ist an der WM dabei.