Dass bei den besten Junioren im Welttennis mit harten Band-agen um jeden Punkt gefightet wird, ist eine Tatsache. Doch bei den Erwachsenen, auf der ATP-Tour, ist das Leben und der Kampf ums Überleben noch einmal anders – brutal.
Der Berner Dominic Stricker, der mit seinem Triumph im Einzel und Dop-pel im Oktober vergangenen Jahres am Junioren-Grand-Slam-Turnier von Roland Garros bewiesen hat, dass er die Voraussetzungen mitbringt, ein ganz Grosser im Tennis-Zirkus zu werden, feierte im August seinen 18. Geburtstag und muss deshalb in Zukunft bei den Erwachsenen mittun. Dominic Stricker trainiert weiterhin bei Swiss Tennis in Biel unter seinem Coach Sven Swinnen (einst die Nummer 451 der Welt) während rund 20 Stunden pro Woche, dazu Kraft und Kondition und absolviert parallel eine KV-Lehre.
Ein Versprechen, aber keine Garantie
Dominic Strickers Erfolge als Junior mit den Siegen in Paris liessen die Erwartungen in der ganzen Schweiz rasant in die Höhe schnellen. Ein Grand-Slam-Triumph auf Juniorenstufe ist zwar ein Erfolg, der auf Grosstaten bei den Erwachsenen hoffen lässt, jedoch noch lange keine Garantie, dass dem auch so sein wird. Vor Stri-cker gewannen erst fünf Schweizer einen solchen Anlass. Vier der fünf sorgten auch auf der ATP-Tour für Schlagzeilen. Heinz Günthardt, Sieger in Paris und Wimbledon 1976, stieg bis zur Nummer 22 der Welt auf, Roger Federer, Champion in Wimbledon 1998, wurde zum besten Spieler aller Zeiten, Stan Wawrinka, Triumphator in Paris 2003, gewann drei Grand-Slam-Turniere, doch Roman Valent, Gewinner 2001 in Wimbledon, kam nie über ATP-Rang 300 hinaus.
Dominic Stricker belegt derzeit noch Platz 1171 und weiss, dass ein langer und steiniger Weg vor ihm liegt. Selbst um den bisher stärksten Berner – Mi-chel Kratochvil mit Rang 35 – zu übertreffen, wird mancher Schweisstropfen über seine Stirne fliessen. «Ich hatte zusammen mit Sven Swinnen beabsichtigt, im Februar bei Future-Turnieren in Bratislava zu starten, doch diese wurden wegen Covid-19 abgesagt. Derzeit ist es sehr schwierig, eine Planung zu erstellen, doch hoffe ich selbstverständlich, dass wir bald zur Normalität zurückkehren und ich voll angreifen kann», sagt Dominic Stricker, dessen Planung vorsieht, an 15000er-Turnieren und mit 25000 Dollar dotierten Challengers den beschwerlichen Weg auf der Profi-Tour zu beginnen. Zu hoffen ist, dass die Organisatoren der grossen Schweizer Turniere Gstaad und Genf (ATP 250) sowie Basel (ATP 500) den talentiertesten Schweizer zumindest mit Wild-Cards für die Qualifikation unterstützen werden.
Wieder mit Federer trainiert
Zuletzt weilte der Berner während drei Wochen in Dubai, wo er zusammen mit Roger Federer fleissig trainierte. Der «Maestro» scheint die Trainings mit Stricker zu schät-zen, lud er ihn doch wie im Vorjahr erneut in die Emirate ein, um sich auf die kommende Saison vorzubereiten. Dominic Stricker: «Es war genial, wieder mit Roger zu trainieren, für mich gibt es nichts Besseres.» In Biel absolviert Stricker jetzt seine Übungsstunden wieder unter Sven Swinnen, der auch in Dubai dabei war, zudem bestreitet er Trainingsmatches gegen Leandro Riedi und Jakub Paul, die ebenfalls in Biel trainieren. Nicht zu vergessen: Der Weg eines jungen Tennis-Profis ist eine grosse finanzielle Belastung. So unterstützen neben Swiss Tennis und der Sporthilfe auch Zaugg Storenbau Herbligen/Burgdorf und der Unternehmer Reinhard Fromm den Paris-Sieger.
Golf, Fischen und Tischtennis
Wegen Corona ist Dominic Stricker am Wochenende meist statt irgend-wo auf der Welt im elterlichen Haus anzutreffen, wo ihn Mutter Sabine mit seinen Leibspeisen verwöhnt. Mit Vater Stephan absolviert er hin und wieder eine Runde Golf und ver-sucht, sein Handicap von 18 weiter zu verbessern, oder geht im Thunersee fischen. Wenn das Wetter die beiden Freizeit-Aktivitäten nicht zulässt, wird zuhause Tischtennis gespielt. Und hier muss sich Dominic immer wieder geschlagen geben. «Klar ärgert es mich, dass ich gegen meinen Vater stets verliere. Ich will endlich gewinnen, um mir nach Niederlagen seine genüsslichen Kommentare nicht mehr anhören zu müssen.» Für Uneingeweihte sei erwähnt, dass Stephan Stricker einst ein Schweizer Spitzenspieler war und auch Mutter Sabine den Zelluloid-Ball auf höchstem Niveau übers Netz schmetterte.
Pierre Benoit