Dsc 7896

Kohlenhydrate und Gemüse statt Fondue und Bärner Platte

Als die Schweizer Nationalmannschaft im August 1996 zum WM-Qualifikationsspiel nach Aserbaidschan fliegt, reist erstmals ein Koch mit dem Team von Trainer Rolf Fringer mit.

Die Schweizer haben dort zwar gut gespiesen, die Blamage (die Nati verlor 0:1) vermochte aber auch die Schweizer Kost nicht zu verhindern. Seither ist beim Nationalteam trotzdem immer ein Koch dabei, wenn dieses auf Reisen geht. Anders bei Schweizermeister YB. Die Berner halten bei ihren Auslandtrips die Delegation möglichst klein, vertrauen den Künsten der Köche des Gastgeberlands, nicht ohne ein grosses Augenmerk darauf zu legen, was wann und in welcher Menge auf den Tisch kommt. Einer der Teamärzte ist immer dabei und sorgt dafür, dass nicht Fondue, Raclette, Saucisson oder Bärner-Platte verzehrt werden, sondern Mahlzeiten, die für einen Spitzensportler nahrhaft, bekömmlich und doch gesund sind und im Idealfall das Leistungsvermögen steigern.

Arzt statt Goalgetter

Jan Montagne, einer der vier Teamärzte des Leaders, wäre als ehemaliger Torjäger des FC Grosshöchstetten lieber als Mittelstürmer bei YB aufgelaufen, doch weil er dieses Ziel nicht erreichte, ist er jetzt als Doktor auf Umwegen doch noch ins Fanionteam gerutscht. «Bei YB legen wir grossen Wert auf die Ernährung der Spieler, die immer, aber vor allem seit dem Re-Start Ende letzter Saison mit den englischen Wochen, enorm wichtig war und ist.» «Dank der Hilfe der Ernährungsberaterin BSc Karin Frey, die in einer eindrücklichen Präsentation (s. nebenstehenden Kasten) der ersten Mannschaft im letzten Sommer aufzeigte, welches im Meisterschaftsund Cup-Endspurt die ideale Ernährung ist, wissen unsere Spieler, was und wann sie essen und trinken sollen, um auf dem Platz die optimale Leistung zu erbringen.» Im Gegensatz zu früheren Zeiten, als der Ernährung, dem Alkohol- und Tabakgenuss noch wenig Gewicht beigemessen wurde, ist dies heute ganz anders, auch weil die Belastung der Aktiven mit der hohen Anzahl an Spielen bedeutend höher ist. Vorbei die Zeiten, als der Speaker im Wankdorf mit dem Werbespruch «Marlboro – die Zigarette des Sportlers» zum Rauchen ermunterte. «Eine ausgewogene Ernährung ist das A und O», sagt Jan Montagne. Bei sommerlichen Temperaturen kann ein Spieler vier Liter Flüssigkeit verlieren, die unter anderem mit leicht isotonischen Getränken kompensiert werden können. Für Jan Montagne ist auch klar, «dass in entscheidenden, hoch belasteten Phasen nichts Neues ausprobiert werden soll. Die Spieler haben klare Richtlinien, pflegen einen regelmässigen Mahlzeiten-Rhythmus und nehmen Süssigkeiten nur zur richtigen Zeit zu sich.»

Der Zeitpunkt ist wichtig

Wichtig ist für Fussballer der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme. «Für eine Fussball-Mannschaft heisst dies beispielsweise Morgenessen acht Stunden vor dem Spiel, vier Stunden vorher eine normale Portion reich an Kohlehydraten und vor allem viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Nach dem Match, beim Auslaufen oder Ausfahren auf dem Home-Trainer werden sofort sogenannte Recovery-Drinks eingenommen, ehe es zum Nachtessen geht», so Jan Montagne. Dieses Nachtessen hat für die Spieler während Corona einen anderen Ablauf als normalerweise. Geht es sonst im Wankdorf zum Essen in die Gstaad-Lounge, wo die Sponsoren zu Gast sind, findet dieses derzeit in der Valiant-Lounge statt, ohne andere Besucher. Jeder Spieler sitzt an seinem eigenen Tisch. Gemütlichkeit sieht anders aus. Bei Auswärtsspielen verpflegen sich die YB-Cracks statt in der Garderobe rund um den Mannschaftsbus, denn so werden die BAG-Vorschriften strikt eingehalten. «Heute haben die Spieler eine so verantwortungsvolle Einstellung, dass auch sie wissen, wie sie ihre Leistungsfähigkeit durch richtige Ernährung optimieren können. Sie verfügen zum Teil sogar über eigene Berater in Sachen Ernährung», sagt Jan Montagne und ergänzt: «Die YB-Spieler sind sich genau bewusst, dass richtiges Essen nicht nur zu besseren Leistungen führt, sondern auch die Erholungszeit verkürzt, Verletzungen vorbeugt, im Fall von Blessuren die Regenerationszeit verkürzt und ganz allgemein die Konzentrationsfähigkeit erhöht.» Ein Blick auf die Erfolgsliste der letzten Jahre und die aktuelle Tabellenlage sind Beweis, dass die Young Boys offensichtlich nicht nur, aber auch dank bewusster Ernährung dem vierten Titelgewinn in Serie in Siebenmeilenstiefeln entgegensteuern.

Pierre Benoit

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