Als Leonardo Bertone am gleichen Tag wie YB, nur 96 Jahre später, am 14. März 1994 in Bern das Licht der Welt erblickte, hatten seine Eltern bei der Wahl des Vornamens eine weise Voraussicht.
Leonardo – Löwe – steht für hart, stark, hungrig, fest und entschlossen. Durchwegs Eigenschaften, welche der YB-Mittelfeldspieler, gepaart mit einer gesunden Portion Ehrgeiz, auf dem Spielfeld verkörpert. Wie immer, wenn man ihn trifft, strahlt Leonardo Bertone – schlechte Laune kennt er nicht, es sei denn, YB habe unnötig ein Spiel verloren und er sei mit seiner Leistung unzufrieden. Doch das kommt zum Glück in letzter Zeit sehr selten vor. Mittlerweile ist YB in der Super League so solid und siegreich unterwegs, dass eine YB-Niederlage beim Fan bald den gleichen Seltenheitswert geniesst wie die «Blaue Mauritius» beim Philatelisten. Den YB-Rekord von 13 Siegen in Serie haben die Berner am Samstag mit einer so unnötigen Niederlage leider verpasst.
Aus Grossvaters Erzählungen
Leonardo Bertones Grossvater ist dafür verantwortlich, dass er auch über die «Goldenen YB-Jahre», von denen ältere YB-Semester noch heute schwärmen, im Bild und für ihn auch der dreifache Meisterspieler Hansruedi Fuhrer (s. Artikel auf Seite 13) kein Unbekannter ist. Gerne erinnert sich Leonardo Bertone an die Zeiten, als er zusammen mit Schulkollegen die YB-Heimspiele besuchte. «Noch heute sind diese immer bei den Partien im Stade de Suisse dabei und beim traditionellen Treffen am Donnerstag teilen sie mir dann mit, was wir und ich hätten anders, besser machen müssen.» Die letzten eineinhalb Jahre mit dem Meistertitel hat der Mann mit der Nummer 6 «sehr intensiv erlebt. Wir entwickelten eine Siegermentalität, verloren plötzlich nicht mehr knapp oder spielten unentschieden, sondern gewannen auch die engen Spiele. Dass es jetzt in der Meisterschaft wieder gut läuft, gibt uns zusätzliches Selbstvertrauen und die Bestätigung, dass wir in der Schweiz jedes Spiel gewinnen und jeden Gegner schlagen, aber wie der letzte Samstag zeigte, auch immer noch verlieren können.»
Er ist noch da – zum Glück
Die Tatsache, dass Leonardo Bertone wegen der starken Konkurrenz trotz seiner unbestrittenen Klasse in den letzten Monaten auch immer wieder länger als ihm lieb ist die Ersatzbank drücken musste, verleitete hier und dort ewige Besserwisser dazu, ihm Abgangsgelüste nachzusagen. «Ich bin froh, noch hier und Teil des ganzen Erfolgs-Puzzles zu sein», sagt der Mann mit dem harten und präzisen Schuss aus der zweiten Reihe. Glücklich, dass der Mittelfeld-Motor noch da ist, wähnt sich mit Sicherheit auch Trainer Gerardo Seoane, der trotz der vielen Anzahl Spiele und den notwendigen Wechseln immer häufiger auf seinen «Bärner Giu» setzt. Von der U15 bis in die U21 der Schweiz in allen Nachwuchs-Nationalteams ein fester Wert, sollte Leonardo Bertone dank seiner konstant guten Leistungen auch bald einmal zum Thema in der A-Nationalmannschaft werden. Auch dort ist der Kampf um Stammplätze wie bei YB aufgrund der grossen Konkurrenz hart, doch hat Bertone zweifellos die Qualitäten – und den Charakter – um auch im Nationalteam einen wichtigen Part übernehmen zu können. Grosse Gedanken dazu macht er sich noch nicht. «Klar ist es der Traum von jedem Spieler, in der Nationalmannschaft auflaufen zu können, doch vorderhand steht YB im Vordergrund.» Und genau so wie er ist, hält er sich an die Redewendung, die sich mittlerweile bei Fussballern eingebürgert hat. «Wir schauen nur von Spiel zu Spiel.»
Pierre Benoit