Nadine Pietschmann war eine der besten Ringerinnen des Landes. Nach der Karriere baute sie mit Erfolg die Wrestling Academy Bern auf. Ein neues Lokal soll den Klub nun auf den nächsten Level hieven.
Die Passion zu ihrer Sportart ist bei einigen Athletinnen und Athleten grenzenlos und reicht weit über das Ende der Aktivkarriere hinaus. Diese im positiven Sinn verrückten Sportlerinnen und Sportler bleiben oftmals ihr ganzes Leben lang verbandelt mit ihrer geliebten Disziplin und geben ihr Wissen und ihren Erfahrungsschatz als Coach oder Funktionär an die kommenden Generationen weiter.
Die Spitzenringerin
Nadine Pietschmann gehört zu diesen positiv Verrückten. Sie betrieb mehr als 15 Jahre lang, damals noch unter ihrem Ledignamen Nadine Tokar, Spitzensport und erarbeitete sich als eine der besten Ringerinnen des Landes auch über die Grenzen hinaus Respekt. Satte acht helvetische Meistertitel heimste die drahtige Bernerin in ihrer Gewichtsklasse (bis 55 kg) ein. Überdies vertrat sie die Schweiz zwölfmal an der WM und siebzehnmal an der EM. Probleme mit ihrem Knie zwangen Pietschmann 2015 dazu, kürzer zu treten und die Karriere im Leistungssport zu beenden. Dennoch gewann sie ein Jahr später dank ihrer Klasse nochmals die Silbermedaille an der Schweizer Meisterschaft. Schon zuvor hatte die heute 36-jährige Bernerin während ihrer Laufbahn in der Ringerstaffel Sense den Nachwuchs in die Geheimnisse des Ringens eingeweiht. «Ich engagierte mich schon immer gerne für Kids und hatte Freude, mit ihnen zu arbeiten», sagt Pietschmann, die 2017 einen Sohn zur Welt brachte und im selben Jahr in Magglingen auch erfolgreich die Ausbildung zur Berufstrainerin unter Dach und Fach brachte.
Flyer im Quartier verteilt
Auch inspiriert von Ehemann Robin, der dank seiner Gattin zu einem Fan der Sportart avancierte, entwickelte die ehemalige Spitzenathletin die Idee, in Bern ihren eigenen Ringerklub aus der Taufe zu heben. Das Projekt nahm Fahrt auf, nachdem Pietschmann den Kampfsportkollegen von Wudan Principles Switzerland (WDP) in deren Lokal im Nordquartier einige Trainingsstunden gegeben hatte. Bald bot sich die Möglichkeit, sich im selben Lokal einzumieten. Die Wrestling Academy Bern (WAB) war geboren, nun galt es, interessierte Jugendliche zu akquirieren. «Wir verteilten im Quartier Flyer und hofften, dass wir das Interesse wecken können», beschreibt Pietschmann schmunzelnd die Anfänge im Herbst 2018. Tatsächlich fanden sich im ersten Training fünf Jugendliche im Alter zwischen 5 und 15 Jahren im Areal der ehemaligen Maschinenfabrik Wifag ein. Es war der Beginn einer veritablen Erfolgsstory. «Das Interesse wuchs und bald hatten wir genügend Kids, die zweimal pro Woche trainieren wollten», erzählt die zweifache Mutter. Auch erwachsene Ringerinnen und Ringer schlossen sich der Akademie an. Inzwischen nutzen über alle Altersklassen hinweg bis zu 30 Athletinnen und Athleten die Trainings, wobei «bis zu 80 Prozent auch schon an Wettkämpfen teilnehmen», wie Pietschmann ausführt.
Neues Lokal in Gümligen
Mittlerweile ist die Nachfrage so gross, dass ein Umzug in ein grösseres Lokal Sinn ergibt. «Nachdem wir vier Jahre am selben Ort waren, wollen wir auf den nächsten Level kommen. Mit einem Lokal, das wir sieben Tage die Woche während 24 Stunden nutzen können, damit wir ein grösseres Angebot schaffen und besser auf die individuellen Bedürfnisse eingehen können», erklärt Pietschmann. Die passenden Räumlichkeiten haben die Pietschmanns in Gümligen gefunden. Sie bewarben sich für ein Lokal im Gebäude der Credit Suisse – und erhielten prompt den Zuschlag. Nun geht es um die Finanzierung. «Wir brauchen finanzielle Unterstützung für den Innenausbau und haben deshalb ein Crowdfunding gestartet.» Noch bis Ende Monat dauert die Aktion, die sehr gut angelaufen sei. «Aber», gibt Pietschmann zu bedenken, «es wird kein Selbstläufer.»
Ringen als Lebensschule
Für Pietschmann ist Ringen letztlich auch eine Lebensschule: «Es fördert das Selbstvertrauen, die Disziplin, die Fairness und den Respekt vor dem Gegner. Und man lernt, sich auch mal durchzubeissen.» Umso toller wäre es, gelänge es dem sympathischen, umtriebigen Ehepaar, das fehlende Geld für das neue Lokal zu generieren. Damit das grosse Wissen und die Leidenschaft für den Ringsport auch in Zukunft derart professionell weitervermittelt werden können.
Adrian Lüpold