Heute Abend geht es für YB im wahrsten Sinne des Wortes «um die Wurst». Wurde früher bei Volksfesten um das Schnappen von Würsten gespielt, ist der Gewinn, der für YB bei einem Sieg gegen Roter Stern Belgrad in die YB-Kasse fliesst, um einiges lukrativer. Statt Cevapcici hält die UEFA für den Klub, der die Gruppenphase in der Champions League auf Platz drei beendet, einen Haufen Geld bereit.
Sich mit einem Sieg Platz drei zu sichern und sich für die Europa League zu qualifizieren, ist denn auch das erklärte Ziel der Mannschaft von Trainer Raphael Wicky. «Gelingt es uns, die beste Leistung auf den Platz zu bringen, können wir es schaffen», sagt Cedric Itten, der wegen einer langwierigen Verletzung leider zum Zuschauen verurteilt ist. Der Stürmer warnt davor, nach dem Unentschieden in der serbischen Hauptstadt davon auszugehen, YB könne im eigenen Stadion auf Kunstrasen die Sache im Vorbeigehen erledigen. «Roter Stern hat eine ausgezeichnete Mannschaft mit hervorragenden Einzelspielern, das Team ist mit uns auf Augenhöhe.» Im Rajko-Mitic-Hexenkessel, wegen der herrschenden Stimmung im Volksmund in Anlehnung an das einst 200 000 Zuschauer fassende Stadion in Rio de Janeiro auch «Maracana» genannt, stand YB bis kurz vor Schluss nahe an einem Sieg. «Wir zeigten einen sehr guten Match und haben das Unentschieden sicher verdient, mit etwas Glück wäre gar ein Sieg möglich gewesen», blickt Cedric Itten auf den Match in Belgrad zurück. Für Itten, der bereits vor sechs Jahren mit dem FC Basel im Spiel gegen ZSKA Moskau während sechs Minuten Champions League-Luft schnuppern durfte, war der Penaltytreffer sein erstes Tor in der Königsklasse. Unter den gellenden Pfiffen der meisten der 45 000 Zuschauer behielt er einmal mehr seine Nerven unter Kontrolle und liess Roter-Stern-Goalie Omri Glazer keine Abwehrchance. Im Gegensatz zu Zeiten, als bei YB das Schiessen von Elfmetern eine Angelegenheit für Guillaume Hoarau war, kommen derzeit vom Elfmeterpunkt verschiedene Spieler zum Handkuss. Fünfmal zeigten die Schiedsrichter bisher auf den Punkt – sämtliche Elfmeter wurden verwertet, von drei verschiedenen Schützen.
«Es gibt eine von Trainer Raphael Wicky verfasste Liste, wer die Penaltys tritt – dort stehen die Namen von Jean-Pierre Nsame und mir ganz oben, doch je nach Situation müssen wir auf dem Feld spontan reagieren. Und weil Jean-Pierre und ich in dieser Saison bisher nur selten gemeinsam auf dem Feld standen, ist die Sache relativ einfach.» Zuletzt gegen Luzern überliess Jean-Pierre Nsame die Ausführung seinem Sturmkollegen Silvere Ganvoula, weil dieser schon lange kein Tor mehr erzielt hatte und so Selbstvertrauen tanken konnte – Cedric Itten stand wegen einer Verletzung nicht im Aufgebot. Diese Geste zeigt einmal mehr, wie gut das Verhältnis unter den YB-Angreifern ist.
Das Tor für den Jahresrückblick
Zwei Tore erzielten die Young Boys in dieser Saison bisher, die wahrscheinlich im Dezember in jedem Fussball-Rückblick zu sehen sein werden. Da ist einmal Meschack Elias genialer Lupfer gegen Manchester City, nicht weniger schön und aussergewöhnlich war der Siegestreffer, den Cedric Itten im Auswärtsspiel gegen GC erzielte. Eine Hereingabe von «Flankengott» Ulisses Garcia nahm der Mittelstürmer 14 Meter vor dem Tor direkt aus der Luft ab und schoss den Ball mit dem Aussenrist in die weitere Torecke, ins «petit filet», wie man in der Westschweiz zu sagen pflegt. «Ich habe keine Ahnung, wie ich das gemacht habe, es war reine Intuition», sagt der Schütze des Wundertors bescheiden.
Vertrag bis 2027 verlängert
Bereits im Oktober ist es der sportlichen YB-Leitung gelungen, den Vertrag mit Cedric Itten um ein weiteres Jahr, bis Sommer 2027, zu verlängern. «Bei YB passt einfach alles, ich bin extrem zufrieden und deshalb gab es für mich auch keinen Grund, das Angebot, das mir Christoph Spycher und Steve von Bergen unterbreiteten, nicht anzunehmen. Ich kann mir momentan nicht vorstellen, an einem anderen Ort zu spielen. Die Stimmung im Team und im Staff ist hervorragend, die Fans sind grossartig – was will ich mehr?» Und wenn wieder ein Angebot aus einer der grossen europäischen Ligen ins Haus flattert? «Dann schauen wir das gemeinsam an. Falls alles stimmt, werden mir die Verantwortlichen keine Steine in den Weg legen, das haben sie zuletzt auch bei Fabian Rieder und Christian Fassnacht bewiesen. Doch im Moment gilt mein Fokus nur YB», sagt Cedric Itten und begibt sich, um zwischendurch abzuschalten, auf den nächsten Spaziergang mit seinem Malteser Pudelmischling. Ernstkämpfe sind verletzungshalber im Moment kein Thema, ein paar Schritte mit dem Hund dagegen helfen, für einige Momente die Verletzung zu vergessen.
Pierre Benoit