Nach einer verletzungsbedingten Pause von rund zehn Monaten melden sich die Olympia-Bronzemedaillengewinnerinnen Anouk Vergé-Dépré und Joana Mäder-Heidrich zurück.
Die beiden fällten keinen zufälligen Entscheid, als sie den Ort für die Bekanntgabe ihres Comebacks aussuchten. Wer an der Medienorientierung aus erster Hand informiert sein wollte, musste den beschwerlichen Weg auf die Münsterplattform auf sich nehmen. 272 Tritte, kein Pappenstiel, doch nichts im Vergleich zu dem, was Joana Mäder nach ihrer Schulterverletzung auf dem Weg zurück leisten musste und was auf der «Road to Paris» den beiden Schweizer Hoffnungen noch alles wartet. «Wir haben diese Lokalität sehr bewusst ausgewählt, um zu zeigen, dass wir viele Hindernisse bewältigen müssen, um bei Olympia erfolgreich dabei zu sein», sagt Anouk Vergé-Dépré auf der Münsterplattform mit Sicht auf Matte, Aare und Marzilibad. Es ist offensichtlich: Die Bernerin und die Zürcherin wollen hoch hinaus.
Normalerweise benötigt man von Bern nach Paris mit dem TGV 4 Stunden und 27 Minuten. Für Vergé-Dépré und Joana Mäder dauert die Reise um einiges länger, ist beschwerlicher, dornenvoller und beinhaltet diverse Umwege. Brasilien, Kanada, Mexiko, Indien, Vereinigte Arabische Emirate, Thailand, Australien, Philippinen und Katar sind nebst sieben europäischen Turnieren die Spielorte, an denen das Duo die Form aufbauen und die notwendigen Ranking-Punkte holen will, um in Paris dabei zu sein.
Die Spielweise umstellen
Die schwere Schulterverletzung, die Joana Mäders Karriere-Fortsetzung in Frage stellte, hat beim Duo auch nach der langen Rehabilitationszeit Folgen. Anouk Vergé-Dépré: «Lange Zeit war es unklar, ob wir überhaupt weiterspielen können. Jetzt sind wir seit Dezember wieder am Ball und darüber glücklich. Aber auf dem Feld müssen wir uns umstellen. Joana war bekannt für ihre harten Smashes, jetzt gilt es für sie, mit weniger Kraft aber mehr Köpfchen zu spielen, die Gegnerinnen mit List und präzisen Bällen zu überlisten.»
Zuhause auf dem Sofa
Aus den Worten Joana Mäders geht hervor, wie sehr sie um ihr Comeback bangte. Sie, die Powerfrau, die monatelang zum Nichtstun verurteilt war und deshalb (zu) viel Zeit hatte, sich über das «wie weiter?» Gedanken zu machen, sagt: «Die grosse Frage war, ob alles gut kommt, es herrschte eine grosse Ungewissheit. Ich sass zuhause auf dem Sofa, wusste nicht wie weiter. Aber an ein Aufgeben verschwendete ich nie einen Gedanken. Ich bin glücklich, wieder dabei zu sein und denke, dass ich jetzt die Sachen etwas gelassener anschaue als vor der Verletzung.»
Beurteilt Anouk Vergé-Dépré ihre Mitspielerin vor und nach dem Zwischenfall, sagt sie: «Joana ist eine Kämpferin und ich sehe jeden Tag grosse Fortschritte.» Die Zuversicht, dass alles gut kommt und man nach der Münsterplattform im Sommer 2024 auch den Eiffelturm besteigen kann, ist gross.
Mit neuem Trainer
Im Umfeld der Schweizer Olympiahoffnungen hat sich einiges verändert. Anouk Vergé-Dépré, die an der Uni Freiburg Kommunikationswissenschaft und Medienforschung studiert, hat das Management des Teams persönlich übernommen. In die neue Saison starten die Europameisterinnen auch mit einem neuen Trainer: Der Grieche Spiros Karachalios betreut neu das Duo, er war bereits in Athen dabei, bei der Vorbereitung auf die Saison und beim ersten Anlass, die Beach Pro Tour 16 in Uberlândia (Brasilien), die den Auftakt in die Saison bildete. Der neue Coach des Duos hat früher das polnische Nationalteam betreut und freut sich auf seine neue Aufgabe. «Er hat neue Ideen und wird uns sicher nochmals einen Schritt nach vorne bringen», lobt Anouk Vergé-Dépré den Mann, der sie zu neuen Höhenflügen führen soll. Nicht auf die Münsterplattform, sondern bei der Medaillenübergabe in Paris auf das Treppchen, wenn möglich in die Mitte, auf die höchste Stufe.
Erfolgreiche Rückkehr
Die beiden ersten Anlässe, an denen das Duo teilnahm, verliefen durchaus vielversprechend. In Uberlândia und in Ostrau qualifizierte sich das Schweizer Duo jeweils für die Viertelfinals, ein höchst erfreuliches Ergebnis nach der langen Pause. «Wir sind stolz, bereits wieder auf diesem Level zu spielen», sagt Anouk Vergé-Dépré.
Pierre Benoit
PERSÖNLICH
Anouk Vergé-Dépré wurde am 11. Februar 1992 in Bern geboren. Sie spielte für Volley Köniz und Sm’Aesch Pfeffingen. Seit 2009 ist sie Beach-Volleyballerin. Zusammen mit Joana Heidrich wurde sie Europameisterin, Olympia-Bronzemedaillengewinnerin und Team des Jahres. Ihre jüngere Schwester Zoé spielt ebenfalls Beachvolleyball.
Joana Mäder-Heidrich wurde am 2. Oktober 1991 in Zürich geboren. Ihre grössten Erfolge feierte sie alle zusammen mit Partnerin Anouk Vergé-Dépré. Sie ist seit kurzem mit dem Eishockey-Profi Stefan Mäder verheiratet.