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Nach 27 132 Kilometern Umweg in die schöne Steiermark

Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. So auch Gregory Wüthrich, der Mann aus dem Tscharnergut und ehemalige YB-Verteidiger.

Gelandet ist der 192 Zentimeter grosse Abwehrturm schliesslich auf Umwegen in Graz, der Hauptstadt der Steiermark. Die Universitätsmetropole an der Mur zählt zu den schönsten Städten Europas. Hier zu leben, ist zweifellos ein Privileg. Die Altstadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe, die Wahrzeichen, Uhrturm und Schlossberg, geniessen weltweite Bekanntheit. Und wer über Graz spricht, darf auch Andreas Gabalier, den erfolgreichen VolksRock-’n’-Roller aus der Region, nicht vergessen.

YB, GC und Australien

Grazer Vorzeige-Verein war bis in die Neunzigerjahre der 1902 gegründete Grazer AK, Cupsieger 1981. Seither hat Stadtrivale SK Puntigamer Sturm Graz dem GAK den Rang abgelaufen. Drei Meistertitel und fünf Cupsiege finden sich im Palmarès der Schwarz-Weissen, die auch in dieser Saison an der Tabellenspitze mitmischen – und dies erstmals mit einem waschechten Berner, Gregory Wüthrich, der leider in den letzten Partien verletzungshalber fehlte. Die Distanz von Bern nach Graz beträgt 842 Kilometer, doch weil bekanntlich nicht nur nach Rom, sondern auch in die Hauptstadt der Steiermark viele Wege führen, macht Gregory Wüthrich einen Umweg von sage und schreibe 27 132 Kilometern. Nach dem zweiten Titel mit YB und einem Zwischenjahr bei GC spielte er ein Jahr lang für den australischen Spitzenklub Perth Glory. «Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, die mich in meiner Entwicklung weiterbrachte, wie auch das Jahr bei GC», so der Neu-Steirer. Rückblickend auf seine Schweizer Jahre hält der Innenverteidiger der Sturm-Abwehr nicht mit Superlativen zurück. «Meine Jugend im Westen Berns war grossartig, sportlich war der erste Titel, den YB nach 32 Jahren holte, mit den unglaublichen Festivitäten der Höhepunkt.»

«Meine beste Entscheidung»

Im Steigerhubel aufgewachsen, kickte er nach Schulschluss mit Kameraden auf dem dortigen Sportplatz, schon bald auch für den SC Holligen 94, danach bis zum 12. Lebensjahr für den SC Bümpliz 78 – bis er den YB-Talentspähern auffiel. Dann ging es schnell nach oben in der Fussballerkarriere des schweizerisch-ghanaischen Doppelbürgers. Er durchlief sämtliche Juniorenstufen der Gelb-Schwarzen, tauchte bis zur U21 in allen Nationalteams des Schweizerischen Fussballverbands auf, debütierte mit 19 im YB-Fanionteam, wurde zweimal Meister und hielt in der Champions League gegen Juventus Cristiano Ronaldo in Schach. «Gegen Ronaldo zu spielen, war ein grossartiges Erlebnis.» Nach seinem Jahr in Perth zögerte der Bümplizer nicht, als ihm das Angebot des österreichischen Spitzenklubs ins Haus flatterte. Gregory Wüthrich: «Ich habe eine gute Wahl getroffen, die ich noch keine Sekunde bereute. Im Klub und im Team herrscht Harmonie, sportlich sind wir in der Meistergruppe – die obere Tabellenhälfte spielt um den Titel – auf Kurs und in dieser Stadt lässt sich wirklich gut leben, alles ist wunderschön und die Leute sind von einer aussergewöhnlichen Freundlichkeit.» Im Augenblick liegen die Grazer auf Rang 3, hinter Red Bull Salzburg und Rapid Wien mit Aussichten auf den Titel eines Vizemeisters.

Spielt er bald für Ghanas Nati?

«Das Niveau in Österreichs Liga ist nicht schlechter als in der Schweiz, wie ich dies bei meinem Wechsel nach Graz zu wissen glaubte. In der Breite ist unsere Liga stärker, in Österreich gibt es fünf bis sechs Vereine, die ganz vorne mitmischen können. Das ist in der Schweiz ganz anders. Da gibt es Meister YB und sonst nichts – mein Ex-Verein ist national ohne Konkurrenz.» Gregory Wüthrich besitzt beim Aushängeschild des steirischen Fussballs noch einen Vertrag bis Ende Saison 2021/22 – gut möglich, dass er länger in der Steiermark bleibt, grosse Gedanken macht er sich derzeit noch nicht. Doch eine Idee hat der Bümplizer noch im Hinterkopf. Ein Aufgebot für das Nationalteam Ghanas – derzeit auf Rang 49 der FIFA-Weltrangliste – könnte aufgrund der Leistungen bei Sturm schon bald ein Thema werden. «Ich warte ab, aber sollte ein Aufgebot erfolgen, würde ich mir das gut überlegen. Ich könnte mir vorstellen, für das Heimatland meines Vaters aufzulaufen», sagt Gregory Wüthrich.

Pierre Benoit

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