Im Januar 2018 reiste Gerardo Seoane (40) mit dem FC Luzern erstmals als Trainer einer Profi-Mannschaft in ein Trainingslager. Zwölf Monate später war dies nun mit den Young Boys der Fall – nach vielen Emotionen und mit grossen Zielen.
Gerardo Seoane, das letzte Jahr haben Sie auf der Überholspur absolviert.
In den letzten zwölf Monaten ist tatsächlich viel passiert. Ich konnte Erfahrungen sammeln, es gab viele Emotionen, sowohl in Luzern als auch nach dem Wechsel nach Bern mit der Champions League und der Verantwortung als Trainer des Schweizer Meisters. Doch meine Aufgabe ist dieselbe. Die Spieler sind vielleicht auf dem Transfermarkt höher dotiert, aber in erster Linie Menschen.
Konnten Sie sich während der Feiertage auch mal hinsetzen und geniessen?
Mir haben die drei Wochen Pause gutgetan, um alles zu verarbeiten, sacken zu lassen und Energie zu tanken. Denn mit dem Wechsel im Sommer bin ich fast nicht zur Ruhe gekommen. Am Jahresende waren wir alle ziemlich ausgepowert. Ich konnte nun mit der Familie entspannen, die Sonne und die Berge geniessen.
Welche Vorsätze haben Sie sich fürs neue Jahr gemacht?
Ich bin nicht der Typ für Vorsätze an Silvester. Aber wir haben sportliche Ziele, die wir akribisch verfolgen. In der Meisterschaft wollen wir den eingeschlagenen Weg weitergehen und nicht nachlassen, die Saison mit einem Titel krönen, das ist klar. Ein Ziel war auch eine gute Vorbereitung, damit wir den Tritt wiederfinden. Aus der Vorrunde können wir das Vertrauen mitnehmen, dass wir stark sind, wenn wir in Form sind und gut zusammenspielen. Dennoch müssen wir wieder vorne anfangen, uns als Mannschaft wiederfinden.
«Eigenverantwortung ist für mich sehr wichtig, denn auf dem Platz geht es darum, Entscheidungen zu fällen.»
YB steht in der öffentlichen Wahrnehmung mit 19 Punkten Vorsprung als Meister fest. Ist es eine grosse Herausforderung, die Spannung hoch zu halten?
Wir befassen uns nicht ständig mit der Tabelle. Wir wollen uns weiterentwickeln und schauen gleichzeitig weiter als bis zum Saisonende. Es ist unsere Aufgabe im Staff, ständig neue Reize zu setzen, Leistung einzufordern. Wir haben gemeinsame Ziele, zudem haben die Spieler eigene, wollen mal in einer grösseren Liga spielen – und das lässt ein Nachlassen nicht zu.
Mussten Sie im Trainingscamp den Kitt im Team erneuern?
Das war in Luzern in der damals schwierigen Tabellen-Situation extrem wichtig. Bei YB habe ich im Sommer eine Mannschaft mit einem unglaublichen Spirit vorgefunden. Dieser Geist ist nach wie vor vorhanden. Wir müssen nicht künstlich etwas machen, ihn aber ständig pflegen und achtsam sein. Wir setzten den Fokus auf den spielerischen Bereich, einzeltaktisch und als Mannschaft.
Sie haben als Spieler Camps bestritten. Was ist der Unterschied Ihrer Aufgabe als Coach?
Der Spieler kommt ins Training und es wird ihm gesagt, was er machen muss. Die physische Belastung ist unglaublich hoch, man muss sich immer wieder gut erholen. Für uns Trainer sind Vorarbeit und Planung wichtig, damit wir die Spieler fordern, aber nicht überfordern und Verletzungen provozieren. Mit den modernen Mitteln kann man diese Belastungen sehr gut überwachen und den Plan bei Bedarf anpassen.
Ist die Disziplin der Spieler gross?
Sie ist sehr hoch, das war schon unter Adi Hütter so. Die Spieler haben eine andere Selbstdisziplin als noch vor 20 Jahren, gehen zum Beispiel vor dem Training für vorbeugende Übungen in den Kraftraum. Wir geben ihnen auch keine Zimmerruhe vor, denn sie wissen, was ihnen guttut oder was sie essen sollen, wenngleich wir sie natürlich begleiten. Diese Eigenverantwortung ist für mich sehr wichtig, denn auf dem Platz geht es darum, Entscheidungen zu fällen.
Wird YB die Rückrunde so dominieren wie die erste Saisonhälfte?
Wir haben ein hohes Niveau hingelegt, wissen aber, dass wir teilweise das Wettkampfglück auf unserer Seite hatten. Unser Ziel ist der Meistertitel, egal mit wie vielen Punkten Vorsprung. Und wir wollen uns weiterentwickeln.
Im Cup wartet im Viertelfinal der FC Luzern …
Luzern war der einzige Schweizer Klub, der uns in der Vorrunde bezwingen konnte. Der FCL hat den Stil unter René Weiler etwas verändert, die Mannschaft wird in der Rückrunde seine Ideen noch besser umsetzen. Das wird ein sehr schwieriger Match. Aber unsere Erwartung ist, dass wir weiterkommen.
Persönlich:
Gerardo Seoane 30. Oktober 1978. Doppelbürger Schweiz/SpanienStationen als Spieler: FC Rothenburg, FC Luzern, FC Sion, Deportivo La Coruña, AC Bellinzona, FC Aarau, Grasshopper Club, FC Luzern, 19 Spiele Schweiz U21
Stationen als Trainer:
Nachwuchs FC Luzern, FC Luzern (Januar – Mai 18), YB (ab Juni 18)
Andy Maschek