«Um König zu werden, muss alles stimmen»

Passender könnte der Ort für unser Treffen nicht sein. Auf dem Grindelwald First, 2167 Meter über Meer, treffen wir Remo Käser. «Ich will im Schwingen noch hoch hinaus», sagt der «Eidgenosse» aus Alchenstorf in luftiger Höhe. Nichts spricht dagegen, dass der Mann, der als 19-Jähriger am Eidgenössischen in Estavayer den 3. Rang belegte, den Worten Taten folgen lässt.

Tissot, einer der Sponsoren, die auf Remo Käser (21) setzen, und die Jungfraubahnen haben geladen, und der junge Schwinger erledigt seinen Job im Stile eines Routiniers. Er schwingt, unterstützt von einem anderen «Eidgenossen», Patrick Schenk, mit den Gästen, erklärt, lacht, geht offen auf die Leute zu und lässt sich auch mal zur Freude der Anwesenden von einer Dame auf die Schulterblätter drücken. Die Frauen sind begeistert und versprechen, dass sie jedem erzählen werden, dass sie den Käser ins Sägemehl bugsiert haben. «Mein Ziel ist es, mich stets weiter zu verbessern, ich feile fleissig an meiner Technik, bezüglich Krafttraining muss ich keine grossen Änderungen vornehmen.» Rund 100 verschiedene Schwünge können in diesem Sport zum Erfolg führen, «wer sieben beherrscht, ist schon sehr gut», sagt Remo Käser. «Ich suche den Erfolg oft mit Kombinationen, mein bester und erfolgreichster Schwung ist wohl der ‹Kurz›.»

Die extremen Kräfte
Am Wochenende gibt Remo Käser nach einer verletzungsbedingten Pause am Südwestschweizerischen sein Comeback, danach folgt der Brünig und als Dessert das Kantonalbernische in Utzenstorf, für Remo Käser ein «Heimspiel». «Das ist der absolute Höhepunkt. Mein Schwingklub ist Trägerverein, es wird speziell sein, in meiner Heimat anzutreten und ich werde auf stimmkräftige Unterstützung zählen können.» Remo Käser ist mit zunehmender Erfahrung geduldiger geworden. Versuchte er früher nach einer Verletzung sofort wieder ins Sägemehl zu steigen, lässt er sich heute mehr Zeit. «Ich plane auf weite Sicht, mache einen sauberen Aufbau im Training, denn im Schwingen werden extreme Kräfte frei, die Beanspruchung der Gelenke ist sehr gross, wer in unserem Sport lange leben will, muss sich Zeit geben und Geduld haben. Ich habe diese Erfahrungen gemacht und weiss, dass ich jetzt pausieren muss, wenn ich verletzt bin.» Nach dem Kantonalbernischen ist das nächste ganz grosse Ziel selbstverständlich das Eidgenössische im kommenden Jahr in Zug. Hat sich Remo Käser schon mit dem Gedanken befasst, was wäre, wenn er sich zum König schwingen würde? «Ich gehe immer vom Besten aus und überlegte auch schon mal, was wäre, wenn ich den Titel holen würde. Aber für einen solchen Effort muss man topfit, gesund und konditionell auf der Höhe sein, gute Nerven haben und dazu auch noch das nötige Glück. Alles muss stimmen.» All diese Komponenten brachte Remos Käsers Vater Adrian 1989 in Stans unter einen Hut und schwang sich zum König. Ist es Segen oder Fluch, einen Schwingerkönig als Vater zu haben? «Es ist zweifellos ein Segen. Viele Leute, die uns beide haben schwingen sehen, finden gewisse Ähnlichkeiten. Heute gibt es zwar viele neue Erkenntnisse, aber einiges ist gleichgeblieben. Mein Vater ist mir eine grosse Stütze. Ich kann mich an ihn wenden, wenn ich eine Frage habe, er baut mich auf und glaubt an mich. Und was uns gemein ist: Beide zeichnet ein unglaublicher Ehrgeiz aus. Das zeigt sich beispielsweise, wenn wir auf eine Velofahrt gehen. Auch hier will jeder besser und schneller sein als der andere.»

Die ewigen Nörgler
Wie überall findet der erfolgreiche Sportler Nörgler und Neider, das ist auch bei Remo Käser nicht anders. Er hat zu viele Sponsorentermine, dreht sich mit Giulia Steingruber auf SRF im Dreiviertel-Takt, zeigt sich an der Alphorn-Challenge oder beim Oktoberfest, statt zu trainieren, hört man hier und dort. «Schade, dass diese Leute so denken, aber ihnen darf ich kein Gewicht beimessen», sagt Remo Käser, der sich an der Swiss Academy of Sports zum Fitnesstrainer ausbilden lässt. «Realität ist, dass ich alles dem Schwingsport unterordne und die Planung danach richte. Für mich und meine Partner ist der sportliche Erfolg das Wichtigste.» Pierre Benoi

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