Von Freitag bis Sonntag weht in der Mobiliar Arena in Gümligen ein Hauch von Weltklasse. Am «Berne World Cup» kreuzen die weltbesten Fechter die Klingen. Auch dabei und mittendrin: Der 21-jährige Berner Jonathan Fuhrimann, mit der Mannschaft frischgebackener Bronzemedaillengewinner an den U23-Europameisterschaften in Budapest und Bronzemedaillengewinner im Einzel an den Schweizermeisterschaften.
Wie für alle anderen Teilnehmer ist der Anlass, früher Grand Prix von Bern, auch für die Berner Hoffnung noch wichtiger als in früheren Jahren. Denn für die Fechter geht es darum, mit einer guten Klassierung Punkte im Hinblick auf eine Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris zu sammeln.
Weil es für eine Mannschaft einfacher ist, eine Teilnahmeberechtigung zu erkämpfen als für einen Einzelfechter, sind die Schweizer zwar Kollegen und lässt der Teamgeist nicht zu wünschen übrig, aber ebenso Rivalen: Nur deren drei (plus ein Ersatzfechter) können sich nämlich für die Nationalmannschaft qualifizieren. Ein Konkurrenzkampf besteht auch zwischen den älteren, arrivierten Fechtern und den nachdrängenden Jungen, die sich nach vorne zu kämpfen versuchen. Während die einen ihren Platz behalten wollen, sind die Jungen hungrig, die ältere Generation zu überholen und sie zu verdrängen.
Die Giger/Kauter-Zeiten
Ältere Sportkenner erinnern sich an die Zeiten, als Daniel Giger und Christian Kauter mit der Mannschaft an den Olympischen Spielen 1972 in München Silber und vier Jahre später in Montreal Bronze holten. Auch Kauters Söhne Michael und Fabian verkörperten Anfang der 2000er-Jahre Fechtsport auf Weltklasseniveau. Wird nun Jonathan Fuhrimann der nächste in der Reihe der Fechter, die im Fechtclub Bern im Training mit Maître Gabriel Nielaba und Silvio Fernandez laufend Fortschritte erzielen?
An den Schweizermeisterschaften holte sich Jonathan Fuhrimann im Einzel und mit dem Team des Fechtclubs Bern mit Aurel Favre, Hadrien Favre, und Leonard Müller die Bronzemedaille – auch sie sind einerseits Kollegen, andererseits aber auch Konkurrenten, wenn es darum geht, sich einen der begehrten Plätze im Nationalteam zu erfechten.
«Der Weltcup in Bern hat in diesem Jahr eine noch höhere Bedeutung als sonst. Am Freitag gilt es, sich für die letzten 64 zu qualifizieren, die am Samstag und Sonntag um den Sieg und die Spitzenplätze fechten. Eine schwierige, aber lösbare Aufgabe», sagt Jonathan Fuhrimann, der (noch) nicht zu den 16 gesetzten Akteuren zählt, die aufgrund ihres Rankings für die finalen Kämpfe direkt qualifiziert sind. Was wäre denn für den Mann, der im Fernstudium an der ETH Zürich Bauingenieur studiert und als Ausgleich hobbymässig Touch Rugby im Rugby Club Bern spielt, ein gutes Ergebnis? «Ich möchte am Wochenende unter den letzten 64 Fechtern dabei sein, wird es mehr, wäre dies sicher sehr positiv, denn die Konkurrenz ist enorm stark.»
Vom Parkett auf die Planche
Ehe er definitiv auf die Planche wechselte, war Jonathan Fuhrimann in noch jüngeren Jahren auch auf dem Tanzparkett aktiv. Zusammen mit seiner Partnerin Cinzia Dalla Vecchia wurde er als Nachwuchs-Schweizermeister in den Standardtänzen vom Sportamt der Stadt Bern als «Bärn Champion» ausgezeichnet. Möglich, dass er mit seiner Leichtfüssigkeit auf der Planche und seinem schnellen Händchen auch heute noch ein wenig von seinem Tanztalent profitiert…
Um sich die Chancen auf ein Olympiaticket offen zu halten, hat Jonathan Fuhrimann derzeit sein Pensum an der ETH Zürich leicht reduziert. «Für die Prüfungen muss ich selbstverständlich nach Zürich reisen und vor Ort sein, sonst kann ich alles von zuhause aus erledigen, so dass ich die Belastung nach dem Trainingsaufwand richten kann.» Dieses Training ist allerdings nicht ohne. Viermal in der Woche steht er für zwei bis drei Lektionen zweimal täglich im Fechtkeller und trainiert mit Maître Silvio Fernandez, dreimal steht Ausdauer und Krafttraining auf dem Programm und zusätzlich trainiert Fuhrimann auch noch im Klub die acht- bis 14-Jährigen, die sich von ihm in die Geheimnisse des Fecht-
sports einweihen lassen.
Der französische Stil
Jonathan Fuhrimann pflegt den französischen Feschstil – genau wie sein Maître, der in Caracas geborene Silvio Fernandez. Der 44-jährige Venezolaner war selbst früher ein Fechter auf Weltklasseniveau. «Grosser Wert wird auf die Distanz und die Beinarbeit gelegt, aussergewöhnlich ist bei mir, dass ich den Pistolengriff verwende», so Fuhrimann. Und, was der Zuschauer nicht erahnen kann, unter der Maske findet oft auch ein «Trash Talking» im Stile des ehemaligen SCB-Stürmers Thomas Rüfenacht statt, auch das beherrscht die Berner Fecht-Hoffnung, die am «Berne World Cup» glänzen und wichtige Selektionspunkte sammeln will. «Die Zuschauer sehen ja nicht, wenn man den Mund bewegt…»
Pierre Benoit