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Wie aus dem Olympia-Helden ein Schreinerstift wurde

Zusammen mit seinem Partner Patrick Heuscher hat Stefan Kobel fast alles gewonnen, was im Beach-Volleyball zu erreichen ist. Edelmetall an Olympischen Spielen, drei EM-Medaillen, fünf SchweizerMeistertitel, Wahl zum Team des Jahres – Sportlerherz, was willst du mehr?

Ja, Stefan Kobel wollte mehr. 2006, im Alter von nur 32 Jahren, drehte er dem Sand den Rücken zu und entschied sich, das aufwendige Training und die ewige Reiserei sein zu lassen, um mehr Zeit für seine Familie zur Verfügung zu haben. «Ich war müde vom Reisen und vom unregelmässigen Leben. Zehn Jahre lang mit dem gleichen Partner unterwegs; ich sah, dass es langsam, aber sicher an der Zeit war, sich mit der Familienplanung zu befassen und sesshaft zu werden», blickt Stefan Kobel auf diesen einschneidenden Entscheid zurück.

Zuerst Fussballer
Begonnen hatte der polysportive Knabe mit Begabungen in verschiedenen Sportarten als Fussballer. Daneben spielte er auch Handball, war im Turnverein dabei und schloss sich an freien Nachmittagen seinen Schulkollegen an, die sich dem Volleyball verschrieben hatten – ein entscheidender Schritt, der ihn schliesslich während zehn Jahren an die Weltspitze führen sollte.
Klar, dass bei Stefan Kobels Blick zurück zuerst einmal die Erinnerungen an die Olympischen Sommerspiele 2004 aufkommen. «Die Bronzemedaille in Athen war sicher der Höhepunkt, aber es gab auch viele andere Erfolge, die für immer bleiben. Gefreut haben wir uns in jedem Jahr besonders auf Gstaad.» Ein Anlass, den Stefan Kobel zusammen mit seinem Partner auch gewinnen konnte.
Als Diplomtrainer von Swiss Olympic war der ehemalige Weltklasse-Volleyballer nach Abschluss seiner Aktivkarriere massgeblich am Aufbau des Beachcenters im Weissenbühl beteiligt, betreute das Duo Sascha Heyer/ Sébastien Chevalier und betätigte sich an der Technischen Fachschule Bern als Sportlehrer. Ein Amt, das den ehemaligen Spitzensportler nicht zu befriedigen vermochte, «weil nur ein Drittel der Schüler sportbegeistert, ein Drittel aber untalentiert war und das restliche Drittel unter keinen Umständen schwitzen wollte. Diese Aufgabe wäre zwar durchaus familienkompatibel gewesen, doch Freude hatte ich an der Tätigkeit nicht, so dass ich mich nach anderen Möglichkeiten und einer neuen Herausforderung umsah.»

Der Schritt zurück zum Stift
Weil ein angenehmes Leben und Zufriedenheit im privaten und beruflichen Bereich in der Familie weit oben stehen, war Stefan Kobel bereit, etwas zu ändern. Seine Frau machte ihm Mut, das Leben umzukrempeln. Sie stockte ihr Arbeitspensum als Kindergärtnerin auf und so wurde nach eingehenden Gesprächen aus dem Turn- und Sportlehrer ein Schreiner-Lehrling. Die vierjährige Lehre schloss Stefan Kobel nach drei Jahren ab und ist heute glücklich, diesen Schritt gewagt zu haben. «Als ich am ersten Tag in der Berufsschule das Zimmer betrat, meinten zwar die meisten Mitschüler, ich sei der Lehrer, doch die Zweifel legten sich schnell, schon am zweiten Tag war Normalität eingekehrt.»
Gleichzeitig mit der Änderung im Beruf schritt in der Familie Kobel auch die Familienplanung voran. 2007 erblickte die Tochter das Licht der Welt, zwei Jahre später folgten Zwillinge – die beiden Buben spielen heute im U12-Team in der Nachwuchsabteilung der Young Boys. «Welche Sportart sie betreiben, ist nicht wichtig, Hauptsache, die Kinder sind aktiv», sagt Stefan Kobel, dessen Sportlerkarriere bekanntlich auch auf dem grünen Rasen ihren Anfang nahm und der nicht «nur» Volleyball-Experte, sondern auch Fussball-Trainer ist.

Die grosse Zufriedenheit
Der Weg zum Schreiner war für Stefan Kobel auch so etwas wie ein Schritt zurück zu den Wurzeln. «Ich wuchs in einem grossen Einfamilienhaus auf, da gab es stets zu tun und ich legte immer Hand an, wenn etwas defekt oder zu erneuern war. Es war damals nicht viel anders als heute. Sieht man am Abend vor sich, was man tagsüber getan hat, ist man zufrieden», sagt der schreinernde Familienvater, der sich in seinem Leben nochmals vollständig neu orientiert hat.
Stefan Kobel strahlt grosse Zufriedenheit aus. Ob in den eigenen vier Wänden oder am Arbeitsplatz – die Welt ist bei Kobels in Ordnung. «Auch jetzt, in diesen schwierigen Corona-Zeiten, gilt es, positiv zu bleiben, den anderen Leuten Mut zu machen. Denn ändern können wir selbst an der Situation ohnehin nichts.»

Pierre Benoit

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