YB-Captain Steve von Bergen (35) weiss genau, worum es in einem Trainingslager geht, schliesslich hat er in seiner Karriere schon über 30 solcher Camps erlebt. Für den Routinier ist es keine lästige Pflicht, sondern trotz harter Arbeit Spass.

In den Tagen in Belek hat das Wetter nicht immer mitgespielt. Spaziergänge am Strand oder eine Pause unter dem Sonnenschirm am Pool des Hotels Regnum Carya, wo 2015 der G20-Gipfel stattfand? Bei teilweise sintflutartigem Regen und kühlen Temperaturen war daran kaum zu denken. Dennoch war Steve von Bergen von der Zeit in der Türkei begeistert: «Das Hotel und der Trainingsplatz waren super, nur das zählt. Zudem hatten wir die Möglichkeit für Fitness und Erholung. Ich habe viele Hotels in meiner Karriere gesehen, aber das hier ist wirklich top.»

Als Team stärker werden
Mit 17 Jahren bestritt Steve von Bergen sein erstes Trainingscamp, seither sind viele dazugekommen. Im Zentrum steht die Arbeit, gleichzeitig ist es eine willkommene Gelegenheit, als Gruppe Spass zu haben und neue Spieler zu integrieren. Auch im fortgeschrittenen Alter nerven diese Tage den Neuenburger nicht, wie er sagt. Jeder sei sich bewusst, dass es um Arbeit gehe. «Man weiss, dass man hier ist, um zu leiden und dann im Spiel besser zu sein. Denn im Spiel gibt es auch Momente, in denen man leiden muss. Wenn man sich daran nicht gewöhnt ist, wird es schwierig. Es ist ein bisschen Masochismus, aber es braucht ihn. Wenn man sieht, dass jeder alles gibt, wird man als Team stärker. So entwickelt man eine gute Dynamik und Mentalität.»

«Ali war um zehn Uhr allein am Strand
und wusste nicht, was passiert.»

Wie Guillaume Hoarau genoss Steve von Bergen in Belek das Privileg eines Einzelzimmers. «Ich bin am Abend müde und ein jüngerer Spieler würde wohl fragen: Geht der alte Mann jetzt schon ins Bett?», sagt er lachend. Lagerkoller komme bei ihm keiner auf, das sei eher in seinen Jahren in Italien der Fall gewesen, als ein Camp auch mal 22 Tage dauerte und nach einer Pause von drei Tagen weitere zwölf Tage Trainingslager folgten. «Bei einer solchen Dauer ist man mental fast am Ende, auf dem Platz wie ein Roboter.» Zu Beginn seiner Karriere ging es in den Camps vor allem ums Laufen und die Kondition, heute ist alles fussballspezifisch und geplant. «Wir wollen jedes Training so gut wie möglich nützen und so hart wie möglich arbeiten, denn über diese Müdigkeit wird man besser», so von Bergen.

Missverständnis mit Folgen
Natürlich kommt auch der Spass nicht zu kurz. Die gute Laune ist jederzeit sichtbar, beispielsweise auf dem Heimflug, wenn Loris Benito Goalie Dario Marzino spitzbübisch das Smartphone versteckt oder die Sitzpartner David von Ballmoos und Gregory Wüthrich ein wenig rumblödeln. Lachend erzählt Steve von Bergen eine Anekdote von Verteidiger Mohamed Ali Camara: «Der Reha-Trainer sagte ihm auf Deutsch, dass er um 10 Uhr auf dem Platz sein müsse. Er hat das nicht verstanden, also übersetzte es ihm der Physiotherapeut.» Verhängnisvoll war, dass Camara «beach» (Strand) statt «pitch» (Fussballfeld) verstand. «Ali war um zehn Uhr allein am Strand und wusste nicht, was passiert. Er hatte Angst vor einer Strafe, nachdem er in der Vergangenheit die eine oder andere erhalten hatte und legte trotz seiner Verletzung einen Sprint vom Strand zum Feld hin, war um 10.02 Uhr da und entschuldigte sich mehrfach. Er fragt nun immer zweimal nach und wird im Deutschkurs sicher noch intensiver arbeiten», so von Bergen.

Im Gespräch mit dem Routinier merkt man schnell, dass in ihm nach wie vor das Feuer lodert. Er ist heiss auf die Titelverteidigung und will nach zwei Finalniederlagen seinen ersten Cup-Triumph. «Wir hatten ein unglaubliches Jahr 2018, das wir nun bestätigen wollen. Wir wollen uns als Mannschaft und Spieler verbessern. Und Titel gewinnen. Der Cup wäre für den Verein und die Fans nach so langer Zeit sehr schön. Die Niederlage im letzten Jahr schmerzt nach wie vor, aber es war nach dem Meistertitel mental nicht einfach. Wir haben daraus gelernt und wollen es nun besser machen», sagt der Verteidiger, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. «Ich werde dann 36 Jahre, dagegen kann ich nichts machen. Ich habe nach wie vor sehr viel Spass und Lust am Fussball und geniesse diese Zeit. Ich habe da keinen Stress. Ich hoffe aber, dass es für mich nicht das letzte Trainingslager ist und dass ich nochmals leiden kann.»

Persönlich

Steve von Bergen. Geboren in Neuenburg am 10.  Juni 1983. YB-Verteidiger und -Captain. 182 cm Gross und 79 kg schwer.

Bisherige Vereien: BSC Young Boys, US Palermo, FC Genua, AC Cesena,
Hertha BSC Berlin, FC Zürich, Neuchâtel Xamax

Andy Maschek