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«Wir befanden uns dauernd auf der Achterbahn»

Die SCB-Saison ist auf brutale Art und Weise zu Ende gegangen. 1,5 Sekunden fehlten im sechsten Play-off-Viertelfinal gegen Biel zur Verlängerung – und wer weiss, wie es dann weitergegangen wäre, wenn…

Der Bärnerbär unterhielt sich mit Raeto Raffainer, seit sieben Monaten oberster Chef im Club, über Negatives, aber auch Positives der vergangenen Saison.

Vor genau einem Jahr, am 30. März 2022, gab Marc Lüthi als SCB-CEO seinen Rücktritt bekannt und Sie wurden als neuer CEO vorgestellt. Seit dem 1. September stehen Sie als Chef des gesamten Unternehmens in der Verantwortung. Blicken Sie für unsere Leserinnen und Leser auf dieses erste halbe Jahr zurück.
Als ich starten durfte, verspürte ich viel Energie. Positiv war, wie viele Leute ich persönlich kennenlernen durfte. Dann gab es das Spiel gegen die Nashville Predators und die Heimspiele gegen Zug, Biel oder die ZSC Lions. Diese Partien brachten viel Energie ins Haus, die Leute waren begeistert. Aber es gab auch Negatives. Dass wir keine Konstanz in den Leistungen fanden, in Doppelrunden nie zweimal hintereinander überzeugten. Es war ein strenges halbes Jahr, vor allem als das Team im Januar in ein Loch fiel. Wir befanden uns dauernd auf einer Achterbahn. Und wenn der Sport nicht funktioniert, wird es auch in anderen Bereichen des Unternehmens schwierig.

Nach Ihrer Inthronisierung fragte die NZZ «Kann er das»? Wie antworten Sie heute?
Ich bin nach wie vor überzeugt, dass ich das kann. Auch ich habe Fehler gemacht und in der Analyse werde ich mit mir hart ins Gericht gehen und einige Sachen anpassen.

Haben Sie nach dem Playoff-Out 1,5 Sekunden vor Schluss gut geschlafen?
Während vielleicht drei Stunden, aber sehr schlecht. Ich hatte ein Gefühl, als wäre ich von einem Lastwagen überfahren worden.

Denken Sie rückblickend, dass sich der Trainerwechsel gelohnt hat?
Wir hatten Angst, die Playoff-Qualifikation zu verpassen, deshalb zogen wir die Notbremse. Aber wir wissen nicht, wo wir gelandet wären, hätten wir den Wechsel nicht vollzogen.

Auffallend war vor allem die Inkonstanz im Team. Ein hervorragender Dezember, zwischenzeitlich Phasen, in denen gar nichts zusammenpasste.
Die Gründe dafür herauszufinden, wird ein wichtiger Teil unserer Analyse sein. Es ist ein Fakt, dass wir gegen die vier erstklassierten Teams mehr Punkte holten als gegen die letzten vier. Das muss man erklären können, wobei ich denke, dass es nicht eine Frage der Einstellung, sondern der Spielweise war.

Keine Konstanz herrscht auch in der Geschäftsleitung. Nach 24 Jahren Lüthi haben Sie als CEO übernommen, im Verwaltungsrat gab es einen Umbruch und in der Person von Pascal Signer taucht jetzt ein neuer COO auf, der in Bern unbekannt ist und die speziellen Gegebenheiten im SCB auch zuerst kennenlernen muss.
Wir haben die Vermarktungssituation durchleuchtet und mit unserer Agentur, der IMS Marketing AG, eine gute Lösung gefunden. Der SCB hat Ressourcen freigestellt, um das Verkaufspotential zu optimieren. Rolf Bachmann, der diese Aufgabe übernimmt, ist die Idealbesetzung. Ich bin überzeugt, dass es dafür keinen Besseren als ihn gibt. Die Leute wollen wieder mehr mit dem SCB direkt zu tun haben.

Wie ausschlaggebend waren die Verletzungen von Schlüsselspielern wie Kahun, Loeffel, Gélinas, Moser oder Lehmann?
Verletzungen gehören zu unserer Sportart, damit müssen alle Teams leben. Die Frage ist, wer ausfällt und da hatten wir mit einigen Schlüsselspielern besonderes Pech, exakt wie im Vorjahr. Aber im Endeffekt interessiert das niemanden.

Das Thema DiDomenico, dessen Vertragsauflösung ein Journalist als das Ende der Ära Raffainer bezeichnete, muss nochmals angesprochen werden. Wie glücklich sind Sie, dass Sie, Sportchef Andrew Ebbett und die Spieler einen Schlussstrich unter dieses leidige Thema machen können?
DiDomenico hat bei uns nachgefragt, ob wir den Vertrag auflösen können. In ein paar Stunden war alles erledigt.

Mit seinen Undiszipliniertheiten brachte er einige Unruhe ins Team.
Das wussten wir und wir sind dieses Risiko bewusst eingegangen. Bis Weihnachten hat er uns sehr geholfen, wichtige Tore geschossen. Gleichzeitig hat er durch sein Verhalten auch Negatives bewirkt.

Eben wurde bekannt, dass der SCB in der Person von Julius Honka für zwei Jahre einen Offensiv-Verteidiger mit einem hervorragenden Palmarès verpflichtet. NHL-Draft in Runde 1 und nominiert als wertvollster Spieler der diesjährigen Champions Hockey League. Ist dies ein Fingerzeig für eine neue Aufbruchstimmung?
Sportchef Andrew Ebbett hat reagiert, denn wir haben gesehen, dass wir bei einem Ausfall von Ramon Untersander oder Romain Loeffel an Konstanz verlieren und einen Ausfall nicht kompensieren können.

Pierre Benoit

Raeto Raffainer wurde am 1. Januar 1982 in Wolhusen geboren. Er spielte für den HC Davos, die ZSC Lions und GCK Lions, den SCB, die Rapperswil-Jona Lakers und den HC Ambrì-Piotta. Von 2015 bis 19 war er Direktor Nationalmannschaften bei Swiss Ice Hockey, danach zwei Jahre Sportchef beim HC Davos. Ab 2021 beim SCB als Chief Sport Officer und seit dem 1. September 2022 als CEO.

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