32 425 Läuferinnen und Läufer hatten sich im Vorjahr zur 38. Austragung des Grand Prix von Bern eingeschrieben, 28 820 erreichten das Ziel. Ähnliche Zahlen erwartete das Organisationskomitee für die 39. Ausgabe, doch daraus wird nichts.
Über 100000 Zuschauer aus der ganzen Schweiz hätten den Läuferinnen und Läufern beim Bärengraben, auf der Nydeggbrücke, beim Zytglogge, beim Rathaus, an der Aare, im Dählhölzliwald, beim Bundeshaus und beim Münster und in der ganzen Berner Altstadt zugejubelt, sie unterstützt und gespannt verfolgt, ob Vorjahressieger Geoffrey Kamworor aus Kenia wieder über die Pflastersteine fliegen und den Streckenrekord pulverisieren würde. Die Enttäuschung bei allen ist gross, bei den Läuferinnen und Läufern, bei den Zuschauern, den freiwilligen Helfern, bei Rennleiter Mike Schild und nicht zuletzt auch beim sportlichen Präsidenten des Organisationskomitees, Nationalrat Matthias Aebischer.
Was machen Sie am nächsten Samstag?
Ich stecke wegen des Coronavirus in der ausserordentlichen Session des Nationalrats. Wir arbeiten mehr oder weniger rund um die Uhr. Am Samstag werde ich mich wohl einmal der Familie widmen.
Eigentlich stand ein anderes Ereignis in Ihrem Terminkalender.
Ja, natürlich. Der Grand Prix von Bern hätte am Samstag stattgefunden. Wir haben vor sechs Wochen entschieden, ihn abzusagen. Ich laufe ihn aber trotzdem. Unser Partner runningCOACH hat eine App entwickelt, mit der man den GP auch anderswo laufen kann.
Und in Realität, wären Sie selbst auch mitgelaufen?
Seit ich Präsident bin, also seit neun Jahren, laufe ich nicht mehr mit. Als Präsident gehöre ich zum Krisenstab. Wir müssen rasch entscheiden können, wenn es stürmt, brennt oder sonst etwas passiert. Insgesamt bin ich ihn aber schon 18 Mal gelaufen.
Sie erhalten hier die Gelegenheit, einen Werbespot in Hinblick auf die nächste Austragung am 22. Mai 2021 zu platzieren. Worin liegt für Sie die Faszination des GP?
Die Faszination liegt bei den Läuferinnen und Läufern selbst. Sie sind jedes Jahr ein Aufsteller. Sie verbreiten eine Super-Stimmung und sind sehr dankbar. Ich hoffe, dass alle, welche in diesem Jahr kommen wollten, auch im nächsten Jahr dabei sind.
Wie gross ist die Enttäuschung bei Ihren OK-Mitgliedern, die sich zum Teil das ganze Jahr über mit dem GP beschäftigen?
Klar sind wir enttäuscht. Doch Diskussionen gab es nicht. Angesichts der jetzigen Situation war allen klar, dass der GP 2020 nicht stattfinden kann.
Erhielten Sie auch Reaktionen aus Läuferkreisen?
Nur positive. Viele schrieben, sie würden das Startgeld dem Grand Prix spenden und motivierten uns, bereits den Grand Prix 2021 in Angriff zu nehmen.
Was bedeutet die Absage in finanzieller Hinsicht für den GP?
Der Bund hat für Events wie den Grand Prix 50 Millionen Franken bereitgestellt. Doch wir haben den Ehrgeiz, keine Bundesgelder zu beanspruchen. Wir werden für Signalisation und Polizeieinsatz jedes Jahr von der Stadt und dem Kanton unterstützt. Dank unserer Sponsoren, die voll zu uns stehen, dank der Läuferinnen und Läufer, die uns das Startgeld schenkten, und dank unserer Rückstellungen werden wir es wohl schaffen.
Die Sponsoren bezahlen auch, wenn kein Rennen stattfindet?
Ja, das ist so. Wir arbeiten seit Jahrzehnten mit denselben Sponsoren. Nur ein Beispiel: Am Tag nach der Absage hat mich der Migros-Chef höchstpersönlich angerufen und gesagt, wenn es Probleme gebe, seien sie da. Das nenne ich Partnerschaft.
Die Spitzenleistungen sind eindrücklich, aber der GP hat sich seit vielen Jahren auch immer mehr zu einem Breitensportanlass und einem Volksfest entwickelt, mit dem Bären GP über 1,6 km für die Kleinen und der Kategorie Mutter/Kind, Vater/Kind. Sie sind als Stadtberner und Vater auch nahe bei der Jugend. Wie reagieren Kinder auf die Absage?
Meine Kinder haben den Grand Prix immer erst kurzfristig auf dem Radar. Sie werden kaum realisieren, dass er nicht stattgefunden hat. In einem Jahr sind aber alle wieder am Start, das ist klar.
Man weiss, dass Sie auch bekennender YB-Fan sind. Geben Sie bitte einen Tipp ab. Holt YB – mit oder ohne Zuschauer – das Triple?
Für mich ist klar: Geht die Meisterschaft weiter, wird YB erneut Meister. Das Kader ist sehr breit und dürfte nach der Zwangspause noch breiter sein.
Pierre Benoit