YB-Ikone Marco Wölfli hat das Temperament von seiner Mama

In Biel gibt es die Roger-Federer-Allee unweit des Sitzes von Swiss Tennis, zur PostFinance-Arena führt der Kiener-Tosio-Weg. Wer Stadtpräsident Alec von Graffenried nach dem Spiel gegen Luzern an der ersten YB-Meisterfeier in der Champions Lounge umherhüpfen sah, weiss, dass ein Gedanke in Stapis Kopf umherschwirren muss.

«Nicht ob, sondern wo er den Marco-Wölfli-Platz oder die Marco-Wölfli-Gasse demnächst einweihen wird, lautet die Frage. Denn seit dem 28. April 2018 geniesst der YB-Goalie in Bern Heldenstatus. Es ging zwar «nur» um Fussball, doch Luzerns Penaltyschütze Valeriano Gvilia dürfte sich in der 76. Minute ähnlich gefühlt haben wie Napoleon 1815 in Waterloo nach der Niederlage gegen General Wellington. Einer, der auch im Stadion war, hatte Marco Wölfli schon Tage vor dem Spiel dieses Szenario prophezeit. Marc Pfister, einst hochtalentierter YB-Nachwuchsgoalie, spielte später in der 1. Liga und ist einer der besten Freunde des YB-Torhüters. Wölfli: «Marc sagte todernst zu mir, das Schönste wäre, es gäbe Penalty gegen YB und du wehrst ab.» Pfister verdient sein Geld nicht mit der Wahrsagerei, doch mit dieser Berufsgattung ist Wölfli auch schon in Kontakt gekommen. «Es mag vor etwa 15 Jahren gewesen sein, als einige meiner Kollegen zu einer Wahrsagerin gingen und mich überredeten, mir auch die Zukunft voraussagen zu lassen. Die Frau sprach zwar nicht von einem Penalty, meinte aber, dass eine Manuela in meinem Leben wichtig sein werde. Zu diesem Zeitpunkt war ich ledig – heute bin ich verheiratet, meine Frau heisst Manuela», sagt der Meisterheld mit einem breiten Lachen.

«Ich bin nur Wölfli»
Auch von einem Denkmal oder einem Wölfli-Platz will der in Bern schon längst heimisch gewordene Grenchner nichts wissen. «Unser Titel ist nicht der Erfolg eines Einzelnen, sondern des ganzen Teams und der gesamten Führung.» Und Wölfli weiss auch, wann er zum ersten Mal an den Titel geglaubt hat. «Adi Hütter hat es zwar nie nach aussen getragen, doch intern

«Marc Pfister sagte todernst zu mir, das Schönste wäre, es gäbe Penalty gegen YB und du wehrst ab.»

hat er bereits zu Saisonbeginn klar kommuniziert, dass ihm und uns zweite Plätze nicht mehr genügen dürfen, dass wir Erster werden wollen. Und ich persönlich habe immer daran geglaubt, dass wir es schaffen können, nicht erst, als unser Vorsprung angewachsen ist. Es war ein langer Entwicklungsprozess, so etwas passiert nicht über Nacht.»

Die Ruhe und der Kitt
Was seit dem entscheidenden Spiel gegen Luzern schon oft erwähnt wurde, bestätigt auch der Torhüter. «Von oben bis unten stimmte einfach alles. Es herrschte Ruhe, wir spielten stabil, das Fundament war breit und solid und der Teamspirit grossartig, das bewies auch unser spontaner zweitägiger Ausflug nach Barcelona, wo wir Spieler ganz allein unter uns waren.»
Einmal mehr zum Ausdruck kam gleich nach der wundersamen Penalty-Abwehr auch Wölflis Temperament. Nachdem er dem Ball mit der rechten Hand den Eintritt ins Netz verwehrt und ihn via Latte endgültig unter Kontrolle gebracht hatte, schien es dem Schlussmann schwer zu fallen, seinen Emotionen nicht sofort freien Lauf zu lassen. «Da ist das Temperament meiner Mutter, eine 154 Zentimeter kleine Sizilianerin, zum Vorschein gekommen. Sie sollten sehen, wieviel ‘Pfupf’ sie immer noch hat.»

Kein happy end
Viel Energie ist trotz seiner bald 36 Jahre auch bei Marco Wölfli immer noch vorhanden, und so ist der Meistertitel auch keineswegs ein happy end, sondern nur eine Zwischenstation. «Ich schaue immer von Spiel zu Spiel und habe auch noch den Cupfinal als grosses Ziel vor mir. Was weiter passiert, darüber mache ich mir keine Gedanken. Wir sind innerhalb einer grossartigen Mannschaft auch ein hervorragendes Goalieteam, in dem jeder dem anderen den Erfolg von Herzen gönnt.»

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