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Zuerst Mozart, dann Debussy und dazwischen boxt er

Angelo Rafael Peña schliesst die Türe der Boxing Kings im Liebefeld gleich selbst auf. Alain Chervet, der Inhaber, hat heute Nachmittag Kinderhütedienst. Leander Strupler, der Manager, kommt erst eine Viertelstunde später.
«Wissen Sie», sagt Angelo Peña, «ich bin fast den ganzen Tag hier und habe auch schon im Boxkeller geschlafen, weil ich bis spät in der Nacht trainierte.» Im Gespräch mit dem 27-jährigen, viel jünger wirkenden Mann, der mit acht Jahren aus der Dominikanischen Republik nach Ostermundigen zu seiner Mutter zog, wird klar, dass er sich hohe sportliche Ziele gesteckt hat und bereit ist, alles, aber auch wirklich alles dafür zu tun, diese zu erreichen. Letzte Woche ist er von Ostermundigen nach Olten gezügelt, «weil meine Verlobte in Luzern arbeitet und wir uns so irgendwo in der Mitte treffen.» Wie sehr er den Erfolg sucht, zeigt sein extrem strukturierter Tagesablauf. «Tagwache ist bei mir um 3.30 Uhr, um 4 Uhr beginne ich das Jogging, von 6 bis 11 Uhr arbeite ich in Bern im Starbucks am Hirschengraben, von 11.30 Uhr bis 13 Uhr bin ich im Boxkeller im Training, dann geht es nach Hause, ich esse, schlafe und gehe wieder nach Bern, wo ab 18 bis mindestens 21 Uhr erneut trainiert wird.» Kraft, Schnelligkeit, Explosivität, Schlagschule, das alles beinhalten die Trainingseinheiten, die Angelo Peña mit Trainer Alain Chervet und Jonathan, dem ältesten seiner vier Brüder, plant und bespricht. Boxen, boxen und noch einmal boxen, so gestaltete sich bereits die Jugend von Angelo Peña. Das war und ist der Lebensinhalt der ganzen Familie. «Mein Vater, der Onkel, meine Brüder und Cousins, wir standen, seit ich mich erinnern und laufen kann, immer im Ring, kämpften mit- und gegeneinander, etwas anderes gab es nicht.» Als Angelo achtjährig war, seine Mutter längst in Bern lebte und sein Vater plötzlich von einem Tag auf den anderen wie vom Erdboden verschluckt war, kam auch Klein-Angelo in die Schweiz. «Ich reiste mutterseelenallein von Santo Domingo über Madrid nach Zürich, wo ich von meiner Mutter abgeholt wurde.»

«Ich bin der beste aller Boxer»
Hier soll jetzt nach 41 Kämpfen als Amateur (34 Siege) das höchste aller Ziele, die es im Leben eines Boxers gibt, erreicht werden: Weltmeister. «Ich bin überzeugt, dass ich dieses Ziel erreiche. Ich will die Nummer eins werden, jeden Gegner bezwingen und bin bereit, dem alles andere unterzuordnen.» Deshalb freut er sich auch auf den 15. April, auf seinen zweiten Kampf als Profi gegen den erfahreneren und acht Jahre älteren Israeli Igor Lazarev, der bisher von zehn Fights deren acht siegreich gestaltet hat. «Ich werde gewinnen und hoffe, dass möglichst viele Leute ins Stadttheater kommen, denn je mehr Zuschauer da sind, umso stärker werde ich.» Druck, Nervosität, Lampenfieber oder gar Zweifel sind für Angelo Peña Fremdwörter. Angelo Peña sagt von sich, dass ihm noch nie ein Training «gestunken» hat, er sich immer freut, wenn er die Treppe zum Boxkeller hinuntersteigt. «Ich bin der beste aller Boxer und das werde ich allen Leuten beweisen. Ich will meinen Lebensunterhalt mit Boxen bestreiten und werde dies mit meinem Willen, meinem Ehrgeiz und meiner seriösen Einstellung auch erreichen. Ich trinke nur Wasser, esse Reis, Poulet oder helles Fleisch, am liebsten mag ich gekochte Bananen und Avocado, typisch dominikanisch halt», sprudelt es aus Angelo Peña heraus. Sein Manager Leander Strupler ist von Angelo Peñas Einstellung, seiner Seriosität und seinem Selbstvertrauen beeindruckt. «Er ist wirklich ein Boxer mit einem unvergleichbaren Ehrgeiz, sein Wille ist einzigartig, man darf ohne Übertreibung behaupten, bei ihm kommt ‹liefere vor lafere›.»

T-Shirts und Jeans statt Louis Vuitton
An «gewöhnlichen» Tagen pflegen Damen in Abendroben von Valentino und Handtaschen der Edelmarke Louis Vuitton, Herren in Anzügen von Ermenegildo Zegna und Schuhen aus dem Hause Biagotti im Stadttheater ein- und auszugehen, um Giuseppe Verdis oder Giaccomo Puccinis Opern zu geniessen. Am kommenden 15. April wird das Outfit der Besucherinnen und Besucher anders sein. Je nach Temperatur wird T-Shirt oder Pullover über den ausgewaschenen Jeans die bevorzugte Kleidung der Gäste sein, weil kein Schauspiel und keine Oper, sondern Boxen auf dem Programm steht. Doch das Outfit der Gäste ist für Angelo Peña nicht mehr als ein Nebenkriegsschauplatz. Er will auf seinem Weg nach ganz oben in der Box-Hierarchie schlicht und einfach den nächsten Gegner bezwingen. Das wird auch nötig sein, denn dass ein Boxer aus der Schweiz, ein Ostermundiger, von zuoberst auf dem Boxthron grüsst, ist genauso wahrscheinlich, wie dass ein Mann aus der Dominikanischen Republik den Abfahrts-Weltcup gewinnt. Doch wer sich mit Angelo Peña unterhält, erfährt auf höchst sympathische Weise, dass auch dies kein Ding der Unmöglichkeit ist.

Pierre Benoit

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