Das Berner Formel-E-Kapitel ist Geschichte. Im Bärnerbär schaut CVP-Gemeinderat Reto Nause zurück mit lachendem und weinendem Auge.
Wie lautet Ihre persönliche Bilanz des Events vom vergangenen Samstag?
Ich bin stolz auf Bern. Stolz, dass wir Gastgeber eines solchen Events sein durften. Wir haben rund 120000 Besucherinnen und Besucher gezählt, die in Feststimmung waren. Ein technologiebegeistertes Publikum auch. Hinzu kommt, und das ist unbezahlbar, ein Millionenpublikum am Fernseher, das aus Bern fantastische Bilder gesehen hat. Mit allen Facetten eines spektakulären Rennens auf der Piste. Unter dem Strich: wahnsinnig und grandios.
Welches Feedback haben Sie von Zuschauerinnen und Zuschauern an der Rennstrecke erhalten?
Jene, die an der Strecke gewesen sind, sind als Umfragewert wohl nicht repräsentativ. Doch die Begeisterung war dort natürlich deutlich spürbar. Am meisten gefreut haben mich aber die vielen Kinderaugen, die die Technik bestaunten. Angefangen hat das Ganze auf dem Bundesplatz mit der E-Parade am Samstagvormittag, bei der über 70 E-Fahrzeuge zu sehen waren. Vom E-Bike über den Linienbus bis zum 20-Tonnen-Camion, wo man sehen konnte, wie breit die E-Mobility-Palette ist. Diese Fahrzeuge sind in Gebrauch und keine Spielzeuge von abgehobenen Reichen. Ich selbst war überrascht, was es alles schon elektrisch zu erwerben gibt, viele Hersteller haben konsequent auf E-Mobilität umgestellt. Im E-Village hatte wohl manch einer ein Aha-Erlebnis.
Hat Sie die negative Berichterstattung über den E-Prix, namentlich im «Bund», enttäuscht?
Ja, sogar masslos. Erstens weil es einer Art Vorverurteilung gleichkam, was ich journalistisch nicht korrekt finde. Zudem gab es negative Begleiterscheinungen bei der Demonstration vom Donnerstag, die dann wiederum keine Aufnahme in die Berichterstattung fand. Solche Sachbeschädigungen sind schlicht nicht tolerierbar. Genau diese Aktion war hingegen verantwortlich für die Verzögerungen beim Streckenaufbau und beim Ablauf.
Ihnen ist eine konsequente Haltung wichtig.
Wir alle wollen saubere und intakte Strassen nur bloss nicht die Baustelle vor dem eigenen Haus. Das geht für mich, auch bezogen auf diesen Fall, nicht auf.
Was würden Sie als Gemeinderat im Nachhinein anders machen?
Vieles. Das beginnt bei der Streckenführung, die sicherlich diskutabel ist. Man kann sich etwa fragen, ob dieser Perimeter der beste war? Andererseits hätten wir die grandiosen Bilder aus Bern nicht geniessen können. Die Auflagen, die Vorbereitung, die Bankauflagen … all das wurde von Seite Gemeinderat professionell begleitet. Viele Dinge waren von uns aber so nicht vorgesehen und sicherlich auch nicht gewollt. Man wollte etwa den Anwohnerinnen und Anwohnern des Obstberg-Quartiers Badges aushändigen, um sie vor dem Rummel und dem Ansturm der Fans zu schützen. Nur wurden diese Badges aus Protest häufig schlicht nicht bezogen. Deshalb war eine vernünftige Personenkontrolle während des Rennens unglaublich schwierig.
Dass die Formel E einmal nach Bern zurückkehrt, scheint aus jetziger Sicht unwahrscheinlich. Auch, weil sich die Veranstalter teilweise nicht willkommen fühlten. Wie beurteilen Sie diese Situation?
Im Unterschied zu Zürich sind hier zwei, drei Dinge anders: In Bern war das Rennen schon Wochen zuvor ein Thema. In Zürich wusste man zunächst gar nicht so richtig, was ein E-Prix ist. Für mich ist ebenso klar, dass ein solcher Event nicht jährlich veranstaltet werden muss. Was häufig vergessen geht: Bei der Euro08 gab es zunächst ebenfalls grossen politischen Widerstand, schlussendlich rannte dann aber halb Bern im orangen Trikot rum. Ja, die Formel E passt zur Schweiz, auch, weil viele Hersteller hier ansässig sind – aber auch, weil unser Strom zu einem grossen Teil nachhaltig produziert wird.
Yves Schott