Christine Wyss beantwortet die wichtigsten Fragen zum Buskers 2022. Etwa, wie man neu auch ohne Münz Hutgeld geben kann und was passiert, wenn sich jemand kulturell «unwohl» fühlt.
Christine Wyss, in ein paar Tagen fällt der Startschuss zum Buskers Bern. Können Sie überhaupt noch ruhig schlafen?
Klar schiesst der Adrenalinspiegel in die Höhe. Ab und zu wache ich mitten in der Nacht auf und habe einen Blitzgedanken, den ich mir irgendwo notiere. Die Zeichen kommen mir bekannt vor. (lacht)
Läuft bei den Vorbereitungen alles nach Plan?
Nach zwei Jahren Unterbruch fühlt es sich schon an wie eine Art Kaltstart. Die Routine fehlt ein wenig. Manchmal schauen wir uns an und fragen uns: «Weisst du noch, wie Festival geht?» Dazu kämpfen wir mit fehlendem Personal im Gastrobereich.
Wenn Sie ein Buch über die letzten zweieinhalb Jahre schreiben müssten – wie würde der Titel lauten?
«Blindflug – im Wechselbad der Gefühle.»
Wie steht es um die Buskers-Finanzen?
Gut. Dank Ausfallentschädigungen und Kurzarbeit sowie der grosszügigen Unterstützung von Stadt und Kanton Bern, der Regionalkonferenz Bern-Mittelland und der Burgergemeinde. Doch auch wir spüren die Teuerung. Rohstoffe kosten mehr, gewisse Anbieter müssten für das Essen mehr verlangen, das Drucken der Flyer wurde wegen der steigenden Papierpreise ebenfalls nicht günstiger.
Im Sommer 2020 lancierten Sie ein Crowdfunding. Wie viel Geld kam da zusammen?
Rund 40 000 Franken. Das Ziel wurde um 20 Prozent übertroffen, das Geld haben wir ausschliesslich den Künstlerinnen und Künstlern, die nicht auftreten durften, überwiesen.
Was ist dieses Jahr neu am Buskers?
Das Gelände wurde erweitert und reicht neu bis zur Nydeggkirche. Die Spielorte sind weniger geworden, weil wir das Gelände im Zuge von Corona entflechten und lockerer gestalten wollten. Dazu steigen wir teilweise auf Cashless um, man kann seine Konsumationen also mit Karte oder via Twint bezahlen. Den Artists legten wir ans Herz, für ihr Hutgeld einen QR-Code zu generieren, damit die Leute so spenden können. Trotzdem sollen die Menschen unbedingt Bargeld mitnehmen. Neu sind auch die Kompotois, Kompost-Toiletten aus Holz. Intern kochen wir nur noch vegan; das macht einiges einfacher, da sich die meisten sowieso nur pflanzlich ernähren. Und wir haben mit dem Langnouerli im Keller der Zunft zu Webern eine offene Bühne. Dort spielt dreimal am Tag eine fixe Formation Handörgeli, später wird die Bühne für andere Interessierte freigegeben.
Weniger Spielorte gleich weniger Künstler?
Im Gegenteil: Es sind sogar mehr als sonst! Es treten 39 Gruppen und 149 Artists aus 23 Nationen auf. Die eine Hälfte macht Musik, die anderen zeigen Theater, Tanz, Akrobatik und Comedy. Deshalb nennen wir uns übrigens explizit nicht mehr «Strassenmusikfestival».
Sind wegen der höheren Preise auch die Festivalbändeli teurer geworden?
Ein reguläres Bändeli, ein 3-Tagespass also, kostet 20 Franken, das Gönnerbändchen 30 Franken. Damit kann man übrigens jeden Abend ins Buskers House im Kornhausforum. Daneben bieten wir ein reduziertes Bändeli für Studierende, IV-Bezüger oder die, die nur kurz vorbeischauen, an. Dieses kostet zehn Franken. Bis 2019 gab es nur Bändeli für 10 und 20 Franken.
Die Quote jener, die ein Bändeli trugen, lag bis jetzt bei knapp 50 Prozent.
Ja, diese Zahl möchten wir diesmal deutlich erhöhen. Ans Buskers zu kommen, ohne ein Bändeli zu kaufen respektive Eintritt zu zahlen, ist eigentlich ein No-Go!
Noch eine Quote: Der Frauenanteil an Ihrem Festival beträgt zirka 30 Prozent. Manche würden wohl sagen: Das ist zu wenig.
Für uns steht ganz klar die Qualität im Vordergrund. Unsere Frauenquote lag stets in etwa diesem Bereich, sie ergibt sich oft einfach so. Ich meine: Gewisse Festivals rechnen jede Backgroundsängerin mit – reine Frauenbands gibt es jedoch nur wenige. Bei uns treten sieben reine Frauengruppen auf.
Manchmal ist es doch auch einfach schwierig, Künstlerinnen zu finden und zu buchen?
Absolut. Jüngere Bands aus Grossbritannien sind oft männlich. Trotzdem ist es für uns mit unserem breiteren Musikstil wohl einfacher, Frauen zu finden, als das bei einem Hard-
rockfestival der Fall ist. Sehen Sie: Ich halte nicht explizit Ausschau nach weiblichen Bands. Doch wenn uns eine ins Auge sticht, die gut ist und die wir cool finden – unbedingt.
Welche Künstlerinnen oder Bands fallen dieses Jahr besonders auf?
Les P’tits Bras aus Frankreich zelebrieren eine riesige Trapezshow. Jelena Popržan aus Wien, gebürtige Serbin, spielt experimentellen Vocal Nu Sound und tritt dabei ganz alleine auf. Dann natürlich Christine Lauterburg, die mit Die Rote Zora auftritt. Bergruf und Naturjodel, komplett akustisch.
Was passiert, wenn sich jemand wegen «kultureller Aneignung» unwohl fühlen sollte?
Nur so viel: Bei uns wird kein Konzert abgebrochen. Dazu gibt es keinen Grund.
In den Jahren vor der Pandemie besuchten rund 60 000 Personen das Buskers.
Das ist eine für dieses Jahr erneut realistische Zahl. Wir rechnen sogar noch mit etwas mehr Publikum.
Stellen Sie bei heissen Temperaturen zusätzliche Wasserspender auf?
Man findet alle paar Meter einen Brunnen mit Trinkwasserqualität.
Wie muss der Event laufen, damit Sie am Sonntag danach sagen: Das war richtig gut!
Wenn die Stimmung toll ist, ich zufriedene Gesichter antreffe, die Artists wiederkommen wollen, keine Zwischenfälle passieren und alle ihr kaltes Bier erhalten haben. (lacht)
Yves Schott