Wasser

«Bern ist in einer beneidenswert glücklichen Lage»

Bern erlebt schon die zweite Trockenheitsperiode ­des Jahres. Einige Gewässer sind gar ausgetrocknet! Wie lange kann das noch gutgehen? Bernhard Gyger, Chef des regionalen Wasserverbunds, erklärt, wieso sich niemand Sorgen machen muss.

Wenn es um die Umwelt geht, hängt alles mit allem zusammen. So stellt sich angesichts der kurz aufeinanderfolgenden Trockenperioden – erst gerade im März und April und nun im Juni – auch die Frage, wie sicher die Wasserversorgung der Region Bern ist. Wer zudem mit Fotos einer ausgetrockneten Emme konfrontiert wird, ist geneigt, sich Sorgen zu machen.­ Zu Recht? Im Gespräch mit Bernhard Gyger, Geschäftsführer der Wasserversorgung Region Bern (WVRB), erhalten wir beruhigende Informationen, wobei in Zusammenhang mit der Wasserwirtschaft doch nicht ganz alles im grünen Bereich ist.

Wie stark gefährdet die Trockenheit die Wasserversorgung?
Die Region Bern hat keine Versorgungsprobleme. Wir liefern im Moment mit 80 000 Kubikmetern täglich eine sehr grosse Menge, im Durchschnitt sind es um die 50 000. Der sommerliche Mehrbedarf wird hitze-
bedingt durchs vermehrte Bewässern in den Gärten verursacht. Doch wir haben in den letzten Jahren vorgesorgt. Wohlverstanden, wir reden vom Grund- beziehungsweise Trinkwasser. Was Sie an der Oberfläche sehen – Bäche, Flüsse, Seen – hat bei uns damit wenig zu tun. Um das zu veranschaulichen: Die Emme hat aktuell gegen die 25 Grad, die Aare um die 20, das Grundwasser jedoch etwa 10 Grad. Das eine tangiert das andere allenfalls mit einer Verzögerung von Wochen.

Was müsste geschehen, damit die Trockenheit einen Einfluss aufs Grundwasser hätte?
Die Trockenheit beeinflusst die Oberflächengewässer und Quellen stark. Auf die Trinkwasserreserven wäre allenfalls eine längere intensive landwirtschaftliche Übernutzung aus den Grundwasserreserven problematisch. Doch davon sind wir im Aaretal noch weit entfernt.

Trotzdem: Wie lange müsste es trocken sein, bis es beim Trinkwasser zum Notstand käme?
Die Region Bern ist in der beneidenswert glücklichen Lage, aus zwei Grundwassergebieten Wasser zu beziehen – aus dem Emmental und aus dem Aaretal. Zudem haben wir aus Gründen der Versorgungssicherheit immer ein Pumpwerk im «Stand-by». Deshalb konnten wir jetzt den Bezug aus dem Emmental zurückfahren. Bis vor etwa zehn Jahren gab es theoretische Versorgungsengpässe. Seitdem haben wir die Vernetzung unserer Wasserversorgung extrem vorangetrieben und in den vergangenen Jahren dafür 160 Millionen Franken investiert. In den nächsten fünf Jahren kommen weitere 100 Millionen Franken für drei grosse Projekte hinzu. So für den Ausbau eines neuen Reservoirs Mannenberg – mit einem Fassungsvolumen von 30 000 Kubikmetern wird es das grösste im Kanton sein. Ferner
bauen wir einen neuen Grundwasserbrunnen in Uttigen, weil in Kiesen aus Schutzzonenkonflikten wegen Renaturierungen mehr Raum für die Aare geschaffen und dort zukünftig weniger Wasser geschöpft werden kann. Und schliesslich für die rund acht Kilometer lange «Aaretalleitung 3» zwischen Kiesen und Belp.

Stichwort Renaturierung: Hat sie Einfluss auf die Wasserwirtschaft?
Ja, Renaturierungsprojekte sind grundsätzlich positiv für die Umwelt und die Natur. Aber wenn Flüsse und Bäche verbreitert werden, erwärmen sie sich rascher, verdunsten und versickern schneller, sie trocknen eher aus. Auf das Trinkwasser hat das weniger Einfluss, anders als etwa auf Kaltwasserfische wie die Forelle. In diesem Zusammenhang: Wir haben die Wasserentnahme im Emmental aktuell stark gedrosselt und pumpen aus einem unserer dortigen acht Brunnen kaltes Grundwasser in die Emme.

Muss die Bevölkerung eventuell bald den Verbrauch drosseln?
Diese Gefahr besteht derzeit nicht, wir sind vorbereitet. Aber verschwenden soll man nicht! In Zeiten hohen Wasserverbrauchs kann Verschwendung auch finanziell ins Gewicht fallen, denn wir verrechnen das Wasser an unsere Aktionäre gemäss ihrem Spitzenverbrauch.

Zwei Fragen zum Schluss: Wie entsteht Trinkwasser, und kann man Aarewasser trinken?
Trinkwasser, also das, was in die Haushalte kommt, muss bakteriologisch rein sein, frei von Kolibakterien, Salmonellen etc., Verunreinigungen, die sich durch tierische Ausscheidungen bilden. Das Trinkwasser entsteht auf einer natürlichen biologischen Filterstrecke im Boden. Deshalb hat jede Fassung eine zusätzliche klar definierte Schutzzone, wo jeder einzelne Wassertropfen mindestens 10 Tage durch Kies und Boden fliessen muss, bevor Trinkwasserqualität erreicht wird. Und was die Aare betrifft: Sie hat nicht die Reinheit des Trinkwassers, doch wer sich bei einem Aareschwumm mal verschluckt, setzt sich keiner Gefahr aus.

Lahor Jakrlin

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