Ende Juni hat die Stadt Bern das grösste Veloverleihsystem der Schweiz lanciert. Jetzt, genau einen Monat später, zieht Publibike-Chef Bruno Rohner eine erste Zwischenbilanz. Und die liest sich richtig gut.
«Daumen nach oben, wir sind sehr zufrieden.» Bruno Rohner hat derzeit tatsächlich kaum Grund, sich zu beklagen. Der Post-Tochter Publibike, deren Chef er ist, läuft es seit der Einführung Ende Juni in Bern ausgesprochen gut. «Jedes Velo wird im Schnitt rund eineinhalb Mal benutzt.» An einem Wochenende sind die Zweiräder bis zu 800 Mal unterwegs, auch die 1000er-Marke wurde schon geknackt. Natürlich, Verbesserungspotenzial gibt es immer. So werden die Quartiere Fischermätteli und Weissenbühl, die zusammen mit dem Osten der Stadt bis dato nur spärlich erschlossen sind, schon bald mit zwanzig neuen Velostationen aufgerüstet. Einwohner hatten den Bau solcher Anlagen mit Einsprachen verzögert. Es folgen zusätzlich zwei weitere Ausbauschritte, im Herbst und im Frühling, gerechnet wird dann mit fast 2000 Velos an insgesamt 160 Stationen.
Rush Hour in vier Wellen
Zu den am häufigsten genutzten Standorten zählen nicht ganz überraschend die Hotspots im Zentrum. «Die höchsten Frequenzen verzeichnen wir am Waisenhausplatz, bei der Heiliggeistkirche und in der Wallgasse. Neuralgische Punkte halt», erklärt Rohner, der selber fünf Velos im Keller stehen hat. Die Rush Hour passiert in vier Wellen: zwischen 6 und 8, von 11 bis 13, nachmittags von 16 bis 18 und abends von 20 bis 22 Uhr. «Obwohl die Velos natürlich keinen Betriebsschluss kennen.» Es existieren auch noch andere Zahlen: Rund 20 bis 25 Minuten ist ein Velo im Durchschnitt unterwegs. Die meistbefahrenen Strecken zeichnet Publibike nicht auf – «aus Datenschutzgründen», wie Rohner sagt. Registriert werden nur die Anzahl Ausleihen und Rückgaben pro Standort, um den Betrieb zu optimieren. Extra dicke Reifen Rund 700 Fahrräder stehen aktuell im Einsatz, die Hälfte davon elektrische. Diverse Mitarbeiter versuchen, möglichen Störungen oder Pannen zuvorz u k o m m e n : Sie laden leere E-Bikes mit Strom auf und greifen ein, sollte sich an einem Standort ein Velomangel abzeichnen. Dass das Angebot momentan so gut ankommt, dürfte auch mit dem Wetter zusammenhängen: An schönen und heissen Sommertagen lockt ein Ausflug an die Aare oder in den Rosengarten. Im Winter dann, so Rohner, wird die Flotte möglicherweise reduziert. Obwohl: Die Kälte sei nicht das Problem, eher der Niederschlag. «Wenn es richtig schneit, dürfte der eine oder andere tatsächlich auf den Bus oder das Tram umsteigen.» Immerhin haben die Velopneus 55 Millimeter dicke Reifen. Verdikt: extra breit. «Die Traktionskontrolle ist damit viel besser.» Der Fahrer gerät weniger schnell ins Rutschen – ganz grundsätzlich gerät man zudem nicht in Gefahr, sich in Schienen zu verkeilen.
Schweizweit vertreten
Bruno Rohner selbst gönnt sich ein Flatrate-Abo für 400 Franken pro Jahr. Als der Bärnerbär ihn am Telefon erreicht, ist der Freiburger gerade unterwegs nach Lugano. Auch dort bietet Publibike seine Dienste an, genauso wie in Zürich, Freiburg, im Wallis und in der Genferseeregion. Stau kennt der Mann jedenfalls bis auf Weiteres nicht.
Yves Schott