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«Bern soll zum Glanz früherer Zeiten zurückfinden»

Im November will sich Claudio Righetti zum Stadtpräsidenten wählen lassen. Auf einem ausgedehnten Rundgang erklärt der Kandidat der BDP, was er als Stapi mit Bern vorhat. 

Aufgezeichnet: Yves Schott

Universitätsstadt Bern
«Die Kompetenz hat zwar der Kanton, doch die Stadt sollte hier eine aktivere Rolle anstreben. Denn die Uni prägt nicht nur das Stadtbild mit. Sie ist geradezu prädestiniert, Bern als Universitätsstadt besondere Ausstrahlung und Anziehungskraft zu verleihen. Ich würde für die Uni Bern eine höhere Priorität in der Standortentwicklung und Vermarktung anstreben, als dies heute der Fall ist. Ich würde mir wünschen, dass die Uni Bern in ihrer Attraktivität und Bekanntheit auf gleicher Augenhöhe steht mit Marken wie der ETH Zürich oder der HSG St. Gallen. In den Gebieten wie etwa der Erforschung des Klimawandels ist unsere Uni bereits heute eine der wichtigsten Forschungsinstitutionen der Welt. Dazu kommt die Wyss Academy mit ihrer Kernkompetenz der ökologischen Nachhaltigkeit, die man eventuell erweitern könnte auf die wirtschaftlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit. Mit einem jährlich verliehenen Preis – ähnlich des alternativen Nobelpreises – könnte Bern in diesem Feld seine Vorreiterstellung zusätzlich unterstreichen sowie seine internationale Vernetzung ausbauen.»

Generationenhaus
«Es ist nicht nur das Coronavirus, das uns daran erinnern sollte, zu den älteren Menschen in unserer Gesellschaft Sorge zu tragen. Grosseltern und Eltern sind nicht nur eine Quelle der Inspiration und des Wissens für die Jungen, sie sind zumeist auch ein ehrlicher, verlässlicher und uneigennütziger ‹Anker› für das eigene Leben. In Bern den Dialog und Zusammenhalt zwischen der jüngeren und älteren Generation zu fördern, sehe ich für mich als Herzensangelegenheit. Das hat persönliche Gründe: Mein Vater war in Bern mit Herz und Seele Sekundarlehrer. Seine Fähigkeit, sogenannte Spätzünder zu erkennen und diese gezielt zu fördern, brachte ihm den Übernamen ‹Der Wunderdoktor› ein. Seit einigen Jahren leidet mein Vater an einer langsam fortschreitenden, gnadenlosen Altersdemenz. Mein Vater wohnt mit mir und er hat Anteil an meinem Leben. Für mich steht fest, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen.»

Die Reithalle: Ideen stärken und nicht Ideologien
«Das ‹ideologische Modell› Reithalle ist heute ein Dinosaurier und wie diese einst im Aussterben begriffen. Ich bin jedoch nicht gegen die Reithalle, denn kulturelle Vielfalt und Freiheit, wie sie in der Reithalle ebenfalls zu finden sind, sind mir ebenfalls wichtig. Extreme Ideologien aber spalten, führen zu häufig zu Gewalt und – was ich am schlimmsten finde – zum Stillstand. Diese Situation sollten wir dringend überwinden. Mit Ideen und Massnahmen, welche einen starken Kontrapunkt dazu setzen können, um eine positive, neue Identifikation mit Bern zu ermöglichen. Bleiben wir beim aktuellen Diskurs, wird sich die Reithalle als Kronjuwel des Berner Stillstands weiter profilieren und etablieren, mit entsprechend lähmenden und zusätzlich stark imagebelastenden Effekten für die Hauptstadt der Schweiz. Denn die Krawalle um die Reithalle haben nichts mit Kultur zu tun.»

Helvetiaplatz: Die Kultur ist eine gewinnende Karte für Bern
«Kunst ist heutzutage ein gesellschaftliches Phänomen, das von London über Paris bis New York die Attraktivität und Anziehungskraft einer Stadt in besonderem Masse definiert. Dabei geht es nicht nur um Museen, Ausstellungen oder Konzerthäuser. Es geht vor allem um ein Gesamterlebnis. Städtische Sehenswürdigkeiten, Geschäfte, Restaurants, Bars sowie eine lebendige Nachtszene gehören also dazu. Die Attraktivität der Inhalte ist letztlich wegweisend für den Erfolg von wichtigen Zukunftsprojekten wie zum Beispiel das Museumsquartier am Helvetiaplatz. Einen Anschluss wiederzufinden an den Glanz der Berner Kulturszene früherer Zeiten, wäre für mich ein erwünschtes Ziel. Denn Bern hat, wie in der Vergangenheit bewiesen, in der Kultur eben doch viel zu bieten. Das Kunstmuseum und das Zentrum Paul Klee sind nur zwei gute Beispiele von Institutionen mit internationaler Leuchtkraft in Bern, deren effektives Potenzial bis heute nicht einmal ansatzweise ausgereizt worden sind.»

Hotel Schweizerhof
«Mit dem Schweizerhof verbinde ich einige meiner schönsten Erinnerungen. Vor allem an die Zeit, in der in Bern noch ein besonderer Spirit lebendig war, den wir heute als ‹Goldene Tage von Bern› bezeichnen. In dieser Zeit spielte die Musik in Bern und nicht etwa in Zürich. Die Wiedereröffnung des Schweizerhofs 2011 war für mich der Anstoss für die zwei Galas de Berne, die 2012 und 2013 diverse Stargäste nach Bern lockten und ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt erreicht haben. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie genial sich Bern als Schauplatz für Anlässe mit Leuchtkraft anbietet, die sich ebenfalls sehr positiv in der Erinnerung der Gäste einprägen sowie auf das Image der Hauptstadt auswirken. Wir sollten diese Stärken gezielter und selbstbewusster einsetzen. Die Gastronomie und Geschäfte der Innenstadt würden als erste davon profitieren.»

Bern, die Hauptstadt – das verkannte Potenzial
«Als Hauptstadt ist Bern die Stadtmarke mit dem grössten Mehrwert in der Schweiz. Wir sollten endlich damit beginnen, dieses Potenzial für uns richtig zu nutzen! Das beginnt damit, dass wir Projekte und Massnahmen in einem grösseren Kontext andenken, Synergien zwischen Wirtschaft, Tourismus, Kultur, Bildung und Sport gezielter realisieren. Dafür braucht es als Erstes eine Dachvision. Damit könnten wir uns nicht nur spartenübergreifend effizienter aufstellen und organisieren, daraus würden zudem ein qualitativer und wirtschaftlich wesentlicher Mehrwert für Bern entstehen. Wenn Bern im Bewusstsein der Nation nicht bloss einen Rahmen der Bundespolitik darstellt, sondern eben auch Hauptstadt mit einem gelebten Bewusstsein, dann werden wir nicht nur die Wertschätzung erhalten, die wir verdienen. Wir werden aus einer Position der Stärke verhandeln können.»

Flughafen Bern
«flyBAIR finde ich bewundernswert und eine Top-Initiative, die anschaulich macht, auf wie viel privaten Goodwill der Flughafen Bern zählen kann. Ich denke aber auch, dass sich die Politik hier klarer bekennen dürfte. Persönlich bin ich der Meinung, dass der Flughafen Bern mit seiner Lage vor allem als Business-Airport ein interessantes Entwicklungspotenzial bietet. Hier hat der Flughafen in Belp gegenüber grossen Hubs wie Zürich wirklich spürbare Vorteile. Bereits mit Skywork bin ich einige Male nach Berlin und Rom geflogen. Das war jedes Mal ein Gefühl wie im Privatjet. Die Vorzüge sind beachtlich, ganz geschweige von der Zeitersparnis. Der Flughafen Bern ist übrigens ein zentraler Landeplatz für die besonders gut betuchten Gäste von Gstaad. Ich plädiere schon länger dafür, dass Bern und Gstaad sich strategisch annähern.»

 

Musikhauptstadt Bern
«Mein Grossvater war Konzertmeister beim Berner Symphonieorchester. Ich verbrachte als Bub ganze Nachmittage hinter den Kulissen des Theaters. Nicht die Musik stand damals im Vordergrund, sondern das Abenteuer in den verwinkelten Gängen und die unbeschreiblich kreative Atmosphäre im Theater. Viele Jahre später organisierte ich hier die Verleihung des ‹Prince of Venice Award› an Clown Dimitri und seiner Theaterschule. Die berühmte Opernsängerin Grace Bumbry aus Washington war einer von zahlreichen Top-Acts, die an diesem Abend auf der Bühne standen. Das Spektrum reichte von Klassik bis zum Punkrock-Leadsänger von The Stranglers Hugh Cornwell («Always the Sun»). Keine andere Stadt und kein anderer Kanton kann für sich in Anspruch nehmen, so viele berühmte Pop- und Rockmusiker hervorgebracht zu haben. Polo Hofer, Züri West, Patent Ochsner oder Luca Hänni sind nur einige herausragende Beispiele. Und trotzdem: Der wichtigste Schweizer Musikpreis, der Swiss Music Award, wird in Luzern verliehen. Das ist im Grunde so, als wenn die Oscars anstatt in Hollywood in Miami verliehen würden.»

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