Slider Bb Wanja Greuel 2

«Dank YB hat Bern mehr Selbstvertrauen»

YB macht Freude. Sportlich – aber auch neben dem Platz. CEO Wanja Greuel über gelb-schwarze Visionen, die Symbiose mit der Stadt und kläglich verschossene Penaltys.

Wanja Greuel, Sie dürften bei YB derzeit ein ziemlich stressfreies Leben als CEO führen. Sportlich läuft es mehr als rund.
Richtig, wobei Erfolg hart erarbeitet werden muss, in allen Bereichen. Stressfrei tönt nach ruhig, das ist es selten. Und ruhig mag ich sowieso nicht.

Wie kam es eigentlich, dass YB die Liga seit 2018 – die letzte Saison einmal ausgenommen – derart dominiert?
Es ist ein Puzzle aus verschiedenen Komponenten. Die wichtigste davon war der Managementwechsel im September 2016, eng verbunden mit der Personalie Christoph Spycher. Daneben leisten auch andere Schlüsselpersonen wie Steve von Bergen oder Stéphane Chapuisat tolle Arbeit. Dann hatten wir mit Adi Hütter, Gerry Seoane oder jetzt Raphael Wicky grossartige Trainer. Im sportlichen Bereich machen alle einen super Job, doch es fängt noch weiter oben an: Unser Aktionariat bewahrt Ruhe, schenkt der Geschäftsführung enorm viel Vertrauen, Hanspeter Kienberger ist ein bedachter und gleichzeitig visionärer Verwaltungsratspräsident …

Also heisst das Zauberwort Kontinuität?
Ja, bloss: Kontinuität ist nur dann ein Erfolgsfaktor, wenn die Schlüsselpositionen durch fähige Manager besetzt sind. Es benötigt Kompetenz auf allen Stufen.

YB baute im Februar trotz mehrerer Unentschieden den Vorsprung an der Tabellenspitze aus.
Das nehmen wir gerne zur Kenntnis (schmunzelt). Aber selbstverständlich verspüren wir keine Schadenfreude. Wir brauchen in der Schweiz mehr als eine starke Mannschaft. Wenn der FC Basel international erfolgreich spielt, hilft das dem gesamten hiesigen Fussball. International fant man für alle Schweizer Vereine, national sieht das logischerweise anders aus.

Sie sind seit 2015 bei YB, seit 2016 CEO. Was hält Sie als Deutscher in Bern? Sie hätten Ihre Zelte definitiv abbrechen und an einem anderen Ort aufschlagen können.
Eine gute Frage, die eine lange Antwort erfordert (lacht). In erster Linie hält mich meine Familie hier: Meine Frau, unsere Kinder, unser Hund und ich sind nun zu fünft. Ich fühle mich extrem wohl hier, habe mit den Menschen bei YB ein super Verhältnis. Übrigens: Den Schweizer Pass besitze ich als Doppelbürger ebenfalls seit Geburt. Meine Mutter ist Schweizerin und sagt immer: «Wenn sie wieder schreiben, du seist Deutscher, dann entgegne, dass du auch Schweizer bist.» (lacht) Zurück zu Ihrer Frage: Kürzlich war ich mit der ECA, der European Club Association, der ich angehöre, in Budapest. Da werde ich von Kollegen aus der Bundesliga schon hie und da gefragt, ob ich denn jetzt nicht mal in die Bundesliga wechseln wolle.

Ihre Antwort lautet Nein?
Was wir hier vorfinden, ist einzigartig und macht enorm Spass. Und wir haben Visionen: Wir träumen bei YB noch immer von einem Naturrasen und einer Lösung hinsichtlich der Trainingsmöglichkeiten. Es gibt Pläne, das Stadion zu vergrössern. Nicht betreffend Zuschauer, aber flächenmässig im Bau gegen aussen. Wir könnten unseren Fanshop anders gestalten, neue Hospitalitywelten schaffen, das YB-Museum ausbauen, wir denken über ein YB-Hotel nach – nicht zuletzt liegen mir die YB-Frauen sehr am Herzen, die direkt bei mir angegliedert sind.

Sie belegen in der Tabelle aktuell Rang 4.
Das ist besser als in den letzten Jahren, allerdings für uns mittelfristig nicht genug. Wir wollen mehr.

Zurück zu den Männern: Sollten die YB-Fans die Zeit geniessen, jetzt, da ihr Team so gut spielt? Wie man am Beispiel des FC Basel sieht, kann es schnell in die andere Richtung gehen. Müssen sie Angst haben?
Angst ist ein schlechter Ratgeber, man sollte eher Respekt vor der Gesamtsituation haben. Ja, Basel erlebte schon einfachere Zeiten – aber das kann bald wieder ändern. Unsere Aufgabe ist es, uns genau das stets vor Augen zu führen. Trotz aller Erfolge möchten wir, anstatt zu viel zu riskieren, eine gute Balance halten, was nicht immer einfach ist. Doch das sind wir diesem wunderbaren Klub schuldig und daran wird sich bis auf Weiteres mit dieser Führung nichts ändern.

Obschon niemand unersetzlich ist.
Absolut. Eines meiner obersten Credos lautet deshalb, so zu funktionieren, dass auch jemand anders meinen Job erledigen könnte. Klar lassen sich Kompetenzen einzelner Personen nicht einfach so austauschen, unser System sollte allerdings personenunabhängig funktionieren. Nehmen Sie Guillaume Hoarau: Er war in gewisser Weise einzigartig – trotzdem ist es uns gelungen, ihn sportlich adäquat zu ersetzen. So müsste das im Management ebenfalls möglich sein.

Wie würden Sie den wirtschaftlichen Wert YBs für Bern einstufen?
Das Wort «Wirtschaft» möchte ich eigentlich lieber vermeiden. Ich denke, die Stadt hat dank YB an Selbstvertrauen gewonnen – Bern und die Young Boys sind eine tolle Symbiose. Man sieht das an der allgemeinen Freude, den Zuschauerzahlen … Mich würde es kaum überraschen, wenn ab jetzt sämtliche unserer Heimspiele bis Saisonende ausverkauft wären. Das alles bedeutet für die Stadt einen hohen Identifikationswert. Der wirtschaftlichen Bedeutung schenken wir etwas weniger Beachtung – uns ist wichtig, selbst wirtschaftlich gesund zu sein.

Politikerinnen und Politiker feiern gerne bei Ihnen in der Loge, politisch entscheiden sie hingegen oft gegen YB. Stichwort: die von Ihnen erwähnten Trainingsplätze. Fühlen Sie sich von Berns Politik genügend unterstützt?
Es ist manchmal etwas frustrierend, das darf man glaube ich schon sagen. Andererseits erweist sich das politische System in der Schweiz tatsächlich als relativ komplex. Wir könnten jetzt über fehlende Trainingsplätze jammern – Zürich wiederum versucht seit zwanzig Jahren, ein Stadion zu bauen, in Aarau ist es glaube ich noch länger. Das ist ein Desaster. Im Vergleich dazu haben wir ein Luxusproblem. Trotzdem würde ich einen Naturrasen im Wankdorf inklusive Länderspiele logischerweise gerne miterleben (lächelt).

Eine Hoffnung dafür ist die Frauenfussball-EM 2025: Wenn die Schweiz den Zuschlag erhält, wäre Bern als Austragungsort mit dabei. Die Voraussetzung wäre indes ein Naturrasen.
Die Entscheidung fällt am Dienstag. Ich erinnere mich gut an den Moment zurück, als die Schweiz sich für die EM beworben hatte. Mir schrieben diverse Politiker, wie fantastisch das wäre. Ich antwortete nur: «Gerne, nur geht das mit Kunstrasen nicht.»

Hat die Frauen-EM 2022 in England wirklich einen Boom ausgelöst?
Insbesondere international, das Interesse steigt, es kommen mehr Leute an die Partien als zuvor. Das mag an jenem Turnier liegen oder auch daran, dass mehr investiert wird. Bei YB wünschen wir uns, dass das Frauenteam organisch wächst: Wir könnten für nächste Saison nun einfach einen Kader zusammenkaufen, der garantiert Meister wird. Das ist allerdings nicht unser Weg, wir wollen uns nachhaltig entwickeln und selbsttragend werden. Doch auch hier ist unser Kernproblem die Infrastruktur. Klar, wir haben das Glück, auf Kunstrasen trainieren zu können. Wenn hingegen die erste Mannschaft und die U19 gemeinsam auf einem Platz trainieren, wird es mit mehr als 40 Spielerinnen unglaublich eng.

Zum Schluss: Hat man im Fussball eigentlich Freunde? Ist Jürgen Klopp ein Kollege von Ihnen?
Jürgen Klopp ist ein Trainer, ich kenne ihn nicht. Ich kenne Leute auf Ebene Vorstand, zum Beispiel die ehemaligen Spieler Oliver Kahn oder Edwin van der Saar. Sie als Freunde zu bezeichnen, ist übertrieben. Aber mit van der Saar hielt ich in den letzten fünf Jahren wahrscheinlich über zwanzig Meetings ab. Man isst gemeinsam Znacht – und verschiesst, wie ich gegen van der Saar bei einem internen ECA-Turnier, schon mal kläglich einen Penalty (lacht).

Yves Schott

Wanja Greuel, geboren am 28. September 1977, wächst in Kaiserslautern auf. 2005 zieht er in die Schweiz und arbeitet zunächst als Verkaufsleiter für den SC Bern. Danach wird er Sportrechtevermarkter bei Infront Ringier, bevor er 2015 zu YB wechselt – zuerst als Leiter Marketing und Verkauf, seit 2016 als CEO. Greuel ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge