Trotz Corona-Krise: Zahlreiche Garagisten lassen den Kopf nicht hängen, sagt Olivia Solari vom Rechtsdienst des AGVS (Auto Gewerbe Verband Schweiz). Bloss: Was nach dem Lockdown kommt, weiss niemand.
Macht Ihnen die aktuelle Situation Sorgen?
Grundsätzlich sind meine Tage ziemlich lang, es gibt mehr als genug zu tun. Zum Glück kann ich gut schlafen. Mich beschäftigen allerdings die Probleme, mit denen derzeit viele Garagen kämpfen: Die Inhaber sind verunsichert, traurig oder haben Sorgen genereller Natur. Das geht einem nahe.
Konkret: Wie verzweifelt sind Ihre Mitglieder?
Mein Eindruck ist, dass die meisten aus ihrer anfänglichen Schockstarre erwacht sind. Ich erlebe die Garagisten als sehr innovativ. In den Werkstätten beispielsweise, die ja geöffnet sein dürfen, hat man Arbeitsplätze räumlich voneinander getrennt, damit eine geregelte Arbeit möglich wurde. Veränderungen erlebte auch der Verkauf.
Inwiefern?
Logischerweise kann ein teures Produkt wie ein Auto nicht einfach via Onlineklick bestellt und danach gekauft werden. (schmunzelt) Wir erhielten vom Staatssekretariat für Wirtschaft Seco glücklicherweise die Zusicherung, Probefahrten weiterhin durchführen zu dürfen. Bloss muss dieses Prozedere zwingend ohne direkten Kontakt erfolgen. Das heisst, der Garagist deponiert das Auto bei einer entsprechenden Anfrage entweder beim Kunden zuhause oder direkt vor Ort. Der Schlüssel und auch das Fahrzeug werden vor und nach jeder Probefahrt desinfiziert.
Dieses Modell funktioniert?
Jein. Ein Autokauf ist auf diesem Weg zwar möglich, wird aber in dieser finanziell schwierigen Phase nur zögerlich in Anspruch genommen.
Wie ging es der Branche denn vor der Corona-Krise?
Die Klimadiskussion war Ihrem Sektor, vorsichtig formuliert, bedingt zuträglich. Wir verzeichneten ein überraschend erfreuliches 2019 und schlossen im Vergleich zum Vorjahr mit einem Plus von knapp vier Prozent ab. Was uns seit Längerem Sorgen macht, sind die extrem kleinen Margen – im Verkauf lässt sich kaum mehr Geld verdienen.
Wurde der Grossraum Bern von der Krise stärker getroffen als andere Regionen der Schweiz?
Nein, es geht in etwa allen gleich. Was ich weiss, ist, dass die Polizei – Stichwort: Waschanlagen – äusserst präsent ist. Hier zeigen sich Unterschiede innerhalb der Kantone, die die geltenden Regeln unterschiedlich auslegen und vollziehen.
Haben Sie Kenntnis von Garagisten, denen ein Konkurs droht?
Erfreulicherweise nicht. Wobei ich festhalten muss, dass der AGVS rund 4000 Mitglieder zählt und ich nur für diese Betriebe Auskunft geben kann.
Fühlen Sie sich vom Bundesrat eigentlich gut unterstützt?
Unsere Botschaften finden Gehör, davon bin ich überzeugt, ja. Wie viele Betriebe die zinslosen Kredite beantragt haben, weiss ich nicht konkret. Nicht zufriedenstellend ist für uns nach wie vor, dass etliche unserer Mitglieder, welche Einzelunternehmen sind, bis jetzt keine finanzielle Unterstützung erhalten. Deswegen haben wir unter anderen Wirtschaftsminister Guy Parmelin einen Brief mit unserem Anliegen geschickt.
Wenn Sie ein ökonomisches Best-case-Szenario skizzieren müssten, das die Gesundheit der Bevölkerung miteinbezieht: Wie würde es aussehen?
In unseren grosszügigen Verkaufsräumen lassen sich die Vorgaben des Social Distancing problemlos einhalten. Wir haben der Regierung Anfang der vergangenen Woche zusammen mit dem Schweizerischen Gewerbeverband sgv deshalb ein Konzept verschickt, in dem wir minutiös auflisten, wie die Massnahmen aussehen müssen, um die Covid-19-Standards auch beim Verkauf von Fahrzeugen einhalten zu können. Idealerweise würden vor Ende April Lockerungen vollzogen, etwa in Bezug auf die Waschanlagen oder eben den Verkauf. Wir haben alles getan, um dem Bundesrat zu demonstrieren: Wir sind für diese Aufgabe parat und nehmen sie ernst.
Haben Sie bereits ausgerechnet, wie stark der «Corona-Impact» dem Autogewerbe schaden wird?
Nein. Erstens setzen unsere Mitglieder aktuell schlicht andere Prioritäten. Zweitens liegen uns hinsichtlich der Kurzarbeit noch gar keine genauen Informationen vor.
Wie wird die Zeit nach dem Lockdown Ihrer Meinung nach aussehen: Verhalten sich die Leute zurückhaltend oder verspüren sie ein immenses Nachholbedürfnis?
Schwierige Frage. Im Bereich der Werkstätten dürfte sich der Traffic bald normalisieren: Räder müssen gewechselt, Autos repariert und geprüft werden. Je mehr diese wieder benutzt werden, desto häufiger. Andererseits wollen sich jene, die das nötige Kleingeld besitzen, vielleicht so oder so ein Auto leisten; das ist verständlich. Neue Wagen werden nach überstandener Krise hingegen nicht einfach auf Knopfdruck bereitstehen, schliesslich haben die Hersteller ihre Produktion grösstenteils eingestellt.
Was macht Ihnen Hoffnung?
Hoffnung gibt mir die Innovativität und Anpassungsfähigkeit unserer Mitglieder, aber auch der gesamten Bevölkerung.
Yves Schott