Er ist vermögend, gut vernetzt und eine anerkannte Persönlichkeit. Doch wer ist dieser Jobst Wagner, der das Licht der Öffentlichkeit eher scheut?
Es ist eines seiner eher seltenen Interviews, das er gibt. Jobst Wagner empfängt den Bärnerbär am Firmensitz der Rehau-Gruppe in Muri bei Bern in einem Büro. Der 59-Jährige, Verwaltungsratspräsident des Kunststoffkonzerns mit seinen rund 20’000 Mitarbeitern, trifft mit nassen Schuhen und wohl auch Füssen ein – eine Fussgängerunterführung sei leicht überflutet gewesen, lacht er. Kann sogar einem Mann wie ihm passieren. Das Vermögen der Familie Wagner, es ist beachtlich, die «Bilanz» hat es vor einigen Jahren auszurechnen versucht. Doch daran möchte der adrett gekleidete, sympathische Unternehmer nicht gemessen werden. Lieber erzählt er von seinen Engagements. Vom StrategieDialog21 etwa, gegründet 2013, der sich laut Website «für eine sachliche Auseinandersetzung mit der Zukunft der Schweiz» einsetzt. Erst am vergangenen Dienstag wurden im Rathaus Projekte ausgezeichnet, die für smarte Deregulierung eintreten und der «grassierenden Regulierungswut» den Kampf ansagen.
«Schwieriges Umfeld»
«Ich stelle meine Person tatsächlich nicht in den Vordergrund», meint Wagner über sich selbst. «Ich bleibe sachbezogen und äussere mich nur dann, wenn ich denke, dass dieses Thema für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnte.» Die Anfrage einer bürgerlichen Partei, die ihm vor einiger Zeit den Nationalrat schmackhaft machen wollte, hat er nach reifer Überlegung abgelehnt. «Ich habe entschieden, mich im vorpolitischen Segment zu engagieren. Der direkte Einfluss ist da vielleicht kleiner, dafür hat man in diesem Bereich viel mehr Freiheiten. Ein Weg, der mir eher entspricht.» So setzt sich Wagner für die städtische Kunsthalle ein, deren Stiftungsrat er vorsteht, er ist Verwaltungsratspräsident des Polo-Clubs Bern oder nimmt als Verwaltungsrat Einfluss auf die Geschicke des Flughafens Bern-Belp. Deswegen hat ihn das Aus von SkyWork persönlich mitgenommen. «Wir befinden uns in einem schwierigen Umfeld. Allerdings sollte man sich durch die bedauernswerte Entwicklung nicht entmutigen lassen. Wir haben es hier nicht mit einem typischen Berner, sondern mit einem Problem des gesamten Regionalflugverkehrs zu tun, der generell unter Druck steht.»
Bern ist ideal
Sowieso sieht Wagner, der bayrische Wurzeln hat (Rehau ist eine Kleinstadt mit 10000 Einwohnern in Oberfranken), an einer Sache nie nur das Negative – eine Einstellung, die ihn in seinem Leben weit gebracht hat. Bern, das verschlafene Nest? Eine Region ohne wirtschaftliche Power? Von den Steuern ganz zu schweigen? «Wir haben im ganzen Kanton über 200 Mitarbeitende, sind seit mehr als vierzig Jahren hier und fühlen uns wohl», lautet Wagners Konter. Nein, als Unternehmer wolle er sich kaum über Bern beklagen. «Es gibt gute Leute hier, die Verkehrsproblematik ist nicht so schlimm wie in Zürich, die Universität top!» Und dann liegt die Politik, in die Wagner nie eintreten wollte, quasi direkt neben der Haustüre. Die Wege, um über verschiedene Kanäle Einfluss zu nehmen, sind kurz. «Auch geografisch ist Bern für uns deshalb ideal.»
Zeit für die Tochter
Wagner, der Geschäftsmann. Wagner, der Gründer und Stifter, der Denker, Lenker und Schenker. Im April erhielt er die Staatsmedaille für besondere Verdienste um die bayrische Wirtschaft. «Als Wertschätzung sind solche Preise willkommen. Als Betrieb, der seinen Ursprung in dieser Umgebung hat und dessen Geschichte schon über 100 Jahre alt ist, haben wir schon einen volkswirtschaftlichen Beitrag für diese Region geleistet.» Wagner bleibt gelassen, cool – verliert kein Wort, kein Lob über sich selbst. Die Bescheidenheit scheint echt. Nach diesem Grundsatz gestaltet der Familienvater auch seine Freizeit. Wer Hinweise auf eine mindestens bis 2020 prallgefüllte Agenda sucht, wird enttäuscht. Wagner kokettiert überdies nicht damit, dass er nur vier Stunden pro Nacht schlafe, wie andere dies tun. «Ich bin in zweiter Ehe verheiratet, habe eine acht Monate alte Tochter und einen Tag pro Woche arbeite ich von zuhause aus, um Zeit mit ihr verbringen zu können. Solche Dinge sind mir mit zunehmendem Alter wichtig.» Wagners grösster Luxus? «Meine Zeit selber einteilen zu können.» Sein grösster Wunsch? «Gesund bleiben.» Nach einer knappen halben Stunde ist das Gespräch zu Ende. Freundlich werden wir zur Tür begleitet. Wagner verabschiedet sich. Seine Füsse dürften mittlerweile wieder trocken sein. Kann ja mal passieren.