Der grosse Mythos vom Berner Kinosterben

Am Wochenende eröffnet die Kinokette Kitag in Muri ihren neuen Kinokomplex. Dafür verschwinden bis Ende 2019 alle Kitag-Stadtkinos. Wie diese Entwicklung einzuschätzen ist und worauf sich die Kinobesucher in Zukunft freuen können, lesen Sie hier im Bärnerbär.

Es sind Superlative, mit denen die Kitag in Bern für den neuen Cinedome in Muri wirbt. Ein «topmodernes Entertainment-Haus», zehn Kinosäle, die «mit modernster Bild und Tontechnik» ausgestattet sind. Als Highlight soll das IMAX-Kino mit «der grössten Leinwand der Region» ein «Filmerlebnis von unvergleichlicher Qualität» versprechen. Und nicht nur Kinofans sollen in dem neuen Komplex auf ihre Kosten kommen. Auch Bowling, eine Game Zone und Gastronomie sollen die Zuschauer in Scharen in Berns Peripherie locken so hoffen jedenfalls die Betreiber.

Mehr Säle in weniger Kinos
«Es ist eine spezielle Entwicklung, die in Bern passiert», sagt René Gerber, Generalsekretär von ProCinema. Seine Organisation setzt sich für «den Film im Kinosaal» ein, wie es Gerber selbst beschreibt. Sie würden von der normalen Öffentlichkeit sehr selten wahrgenommen. «Die meisten kennen uns nur wegen unserer Gutscheine», schmunzelt er. Laut Gerber ist es nicht alltäglich, dass so viele Stadtkinos innert wenigen Jahren, wie nun eben passiert, verschwinden. «1995 gab es 21 Kinosäle mit 4420 Sitzplätzen, 2008 waren es 25 Säle mit 5093 Plätzen» Er stellt aber gleichzeitig klar: «Das Kinosterben in Bern gibt es nicht.» Denn die Kinos verschwinden nicht einfach, sondern wandern in die Peripherie. Das beweist auch ein Blick auf die Zahlen, die ProCinema jedes Jahr im Auftrag des Bundes erhebt. «1995 gab es in der Stadt Bern 21 Kinosäle mit 4420 Sitzplätzen. Bis zur Eröffnung des Pathé Westside 2008 waren es 25 Säle mit 5093 Plätzen.» Dazu kommt: Seit der Eröffnung der 11 Säle im Westen Berns hat bis Ende 2017 in der Stadt nur ein Saal zugemacht. «Die Säle, die nun in der Stadt verloren gehen, macht die Kitag mit dem neuen Komplex wieder gut», so Gerber. Schlussendlich spreche er in diesem Fall deshalb lieber von einer «Kinokonzentration», welche sich in den kommenden Jahren wohl noch verstärken werde.

Kino-Komplexe locken mehr Besucher an
Denn er gibt zu: Für das klassische Ein-Saal-Kino, wie sie in der Stadt Bern immer noch existieren, ist das Umfeld deutlich schwieriger geworden. Die teuren Mieten, hohe Personalkosten, aber auch die Konkurrenz mit Streamingdiensten mache ihnen das Leben schwer, so Gerber. «Die heutige Technik erlaubt es den Leuten, Filme anzuschauen, wann und wo sie wollen.» Dennoch hofft Gerber darauf, dass sich die Menschen bald wieder auf das ursprüngliche Kinoerlebnis besinnen werden. «Ich bin überzeugt, dass dies nur ein Hype ist.» Ein weiterer Blick auf die Zahlen beweist, dass das Pathé Westside einen grossen Einfluss auf die Entwicklung der Berner Kinos hatte: «Im Vergleich zu 2009 verzeichnen wir einen Rückgang von 32 Prozent bei den Kinoeintritten in der Stadt», erklärt Gerber. Oder anders ausgedrückt: Von den gut 1,1 Millionen verkauften Eintritten im Jahr 2017 wurden mehr als die Hälfte im Westside gezählt. Die Besucherzahlen seien durch das Westside angestiegen und seitdem schwankend. «Das Westside hat auch viele Leute aus der Region wieder ins Kino gelockt», sagt Gerber, und das sei für das Schweizer Kino natürlich sehr gut. Welchen Einfluss der neue Cinedome der Kitag auf die Stadtberner Kinos haben wird, kann Gerber noch nicht einschätzen. «Es wird sich zeigen, ob es genug Zuschauer gibt für zwei grosse Kinokomplexe.» Positiv findet er, dass die zwei Kinowelten jeweils am anderen Ende der Stadt Bern stehen. «Es hätte mich als regelmässigen Besucher der Stadtkinos aber natürlich mehr gefreut, wenn der Komplex in der Stadt selbst entstanden wäre», schmunzelt Gerber.

Annina Häusli

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